Breckerfeld/Ennepetal. Alle reden immer über „die Glör“ und die Hasper und Ennepetalsperre. Aber, liebe Hagener Ausflügler, waren Sie jemals hier?

Waren Sie je da? Kennen Sie den Ort, von dem ein Fitzel so gerade noch auf Breckerfelder Stadtgebiet liegt? Diese Talsperre, die hinter ihren bekannten Schwestern wie der Glör, der Hasper- oder der Ennepetalsperre ein ziemlich stiefmütterliches Dasein fristet. Nicht? Ich bislang auch nicht. Aber auch, wenn es jetzt vielleicht nicht ins touristische Konzept der Städte Hagen oder Breckerfeld passt, muss man allen, die noch nie an der Heilenbecke Talsperre waren, sehr empfehlen, herzukommen. Ich erzähle ihnen, warum.

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Freitagmorgen. Also gestern. 20 Grad und mehr. Indian Summer rund um das kleine Becken. Blauer Himmel, goldene Blätter, knisternder Waldboden. Ich habe niemanden erwartet. Und doch: Knapp 20 Autos auf dem Parkplatz der zweitältesten Talsperre Deutschlands. Das Alter übrigens war – wie die malerische Anmutung des Ortes – mir nicht bekannt.

Die Heilenbecke Talsperre ist die zweitälteste Talsperre Deutschlands.
Die Heilenbecke Talsperre ist die zweitälteste Talsperre Deutschlands. © Hans Blossey

Die Runde ist klein. Ich tuckere ja sonst gern um den Hengsteysee. Auch eine Talsperre. Mit sechseinhalb Kilometer-Rundkurs. Die Heilenbecke Talsperre umgibt ein 2,4 Kilometer langer Rundweg. Kurz genug, um, wie ich am Freitagmorgen, in einer halben Stunde gemütlich rumzuspazieren. Kurz genug für Jogging-Anfänger, für Eltern mit Kinderwagen, für Leute, die vor dem Stück Kuchen am Nachmittag sagen wollen, sie seien um eine ganze Talsperre gelaufen.

Der große Pionier

Otto Intze fällt mir ein. Ist was für Ingenieurstudenten, Wasserbau-Experten oder für Heimatverliebte. Ich bin ja nur Letzteres. Egal. Otto Intze auf jeden Fall war Pionier. Im Talsperrenbau. Haspe, Ennepetal, Glör – sie alle stammen aus seinem Hirn. Er wollte für die Ewigkeit bauen, setzte auf gekrümmte Mauern, um Temperatur- und Druckverhältnisse auszugleichen, er gründete auf Fels, mischte speziellen Mörtel an. Mensch, Herr Intze, mit der Ewigkeit könnten Sie recht gehabt haben. Ich stehe auf Ihrer Mauer.

Ein großes Schild mit den wichtigsten Daten empfängt die Besucher am Parkplatz der Heilenbecke Talsperre.
Ein großes Schild mit den wichtigsten Daten empfängt die Besucher am Parkplatz der Heilenbecke Talsperre. © Westfalenpost | Mike Fiebig

Freebach und Heilenbecke

Wenngleich an diesem Konstrukt hier seine Nachfolger Hand anlegen mussten. Das kann man als Spaziergänger schön beobachten. Denn die Talsperre hat zwei Zuläufe. Sie sehen aus wie große Wasserhähne. Richtig Heimatkundige in Hagen mögen Freebach und Heilenbecke kennen, Ennepetaler ohnehin. Der Freebach beispielsweise fließt über Heilenbecke (ein gar nicht so kurzer Bach), die Ennepe und die Volme in die Ruhr. Das Wasser, an dem ich hier spaziere, fließt also auch durch Hagen.

Die Sedimentablagerungen aus den beiden Vorbecken sind hier problematisch. Deswegen hat ein Unternehmen einen 1,2 Kilometer langen Schlauch um die Talsperre gelegt, der den Abtransport dieser Ablagerungen an der Staumauer vorbei regeln soll.

Hier kommt die Heilenbecke an und läuft in die Heilenbecke Talsperre ein.
Hier kommt die Heilenbecke an und läuft in die Heilenbecke Talsperre ein. © Mike Fiebig

Übrigens: Kurz vor der Staumauer sieht man im Wasser zwei „Tiefenwasserbelüftungsanlagen“ stehen, durch die Tiefenwasser mit Sauerstoff aus der Atmosphäre angereichert wird. Achtung, es wird wissenschaftlich: Das „Hypolimnion“ dieses fast stehenden Sees bleibt damit sauerstoff- und lebensreich. Das Hypolimnion ist die unterste, fast still stehende Schicht des Beckens. 3,9 Grad kalt.

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Irgendwie wirkt diese Talsperre so herrlich unaufgeregt. Ich hatte sie vorher gegoogelt. Wenn überhaupt jemand fundiert darüber berichtet, dann sind es meine WP-Kollegen aus Ennepetal. Und immer geht es dabei um technische Belange, Sanierung der Staumauer, die Trinkwasserversorgung. Weniger um den Heckmeck, der um Hagener Gewässer aufgeblasen wird. Freizeitentwicklung oder Gastronomie. Es ist ein Rundweg, nicht mehr als das. Hinfahren, aussteigen, erleben. Fertig. Kostet keinen Cent und weckt in seinem Umfeld auch keine Erwartungen, die vielleicht erst am Sankt-Nimmerleins-Tag erfüllt werden.

Die Staumauer wurde zwischen 1894 und 1896 erbaut.
Die Staumauer wurde zwischen 1894 und 1896 erbaut. © Mike Fiebig

Einmal muss ich aber technisch werden. Zwei Punkte nur. Erstens: Die Talsperre gehört dem Heilenbecke Wasserverband. Dazu gehören: der Wasserbeschaffungsverband Ennepetal-Milspe. Und: der Angelsportverein Königsangler Voerde. Warum ist der Punkt wichtig? Weil Wasser- und Energieversorger AVU die Wasserversorgung der 900 Haushalte in Milspe, die bisher vom Wasserbeschaffungsverband Milspe mit Wasser aus der „Heilenbecke“ beliefert wurden, auslaufen lässt. Die Talsperre wird nur noch neun Jahre als Rohwasserlieferant dienen. Danach ist dieses „technische Denkmal von überörtlicher Bedeutung“ diesen Job los.

Besten Dank also an die Verantwortlichen, die das hier so gut pflegen und auf Schildern auch auf die Eigenverantwortlichkeit der Besucher hinweisen. Ich fahre mit einem guten Gefühl zurück nach Hagen. 30 Minuten übrigens nur.

Ich komme wieder.