Hagen. Angesichts der Corona-Unwägbarkeiten lassen die Blau-Weißen Funken auch 2023 die Herrensitzung ausfallen. Für den Verein eine Existenzfrage.

Detlef Bracht gilt in der Hagener Vereins- und Brauchtumswelt als ein Urgestein, das die frohsinnigen Seite des Lebens zu genießen weiß. Doch in diesen Tagen sind es eher Sorgenfalten und Zweifel, die die Seelenwelt des 68-Jährigen bestimmen. Als zweiter Vorsitzender der traditionsreichen Hagener Karnevalsgesellschaft Blau-Weiße Funken fürchtet er aktuell um den Fortbestand des Vereins, der seit seiner Gründung im Jahr 1951 aus der närrischen Szene kaum wegzudenken ist. „Corona hat uns den Todesstoß versetzt“, befürchtet Bracht, „dass wir bald nicht mehr existenzfähig sind“.

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Redakteur Martin Weiske
Von Martin Weiske

Jetzt wird nach der Pandemie-Pause auch noch die beliebte Herrensitzung 2023 in der Stadthalle abgesagt – ohne diese Einnahme fehlt dem Vereinsleben die finanzielle Basis fürs Mieten, Wagenbau und die übrigen Aktivitäten.

Suche nach mutigem Nachwuchs

Die Tanzgarde der Blau-Weißen-Funken hat mit ihrem Können über Jahre auch bei landesweiten Meisterschaften geglänzt.
Die Tanzgarde der Blau-Weißen-Funken hat mit ihrem Können über Jahre auch bei landesweiten Meisterschaften geglänzt. © WP | Michael Kleinrensing

Seit Präsident Henning Winter Hagen den Rücken gekehrt hat, suchen die Blau-Weißen, deren Wurzeln in Altenhagen liegen und die seit 1951 die Tradition von „Westfalia 1872“ fortführen, eine neue Frontfigur. Im Rahmen von bereits zwei Jahreshauptversammlungen in diesem Jahr wurde seitens des geschäftsführenden Vorstandes versucht, die Nachfolge zu regeln – erfolglos. „Wie in vielen anderen Vereinen auch, fehlen uns die jungen Leute für Führungspositionen“, weiß Bracht, dass die nachrückenden Generationen meist eine andere Lebensplanung abseits der stressigen Organisationsaufgaben auf dem Brauchtumsterrain haben.

Kinderprinzenpaare und Tanzkorps zählen zu den karnevalistischen Steckenpferden der Blau-Weißen Funken.
Kinderprinzenpaare und Tanzkorps zählen zu den karnevalistischen Steckenpferden der Blau-Weißen Funken. © WP | Michael Kleinrensing

„Wir werden diese Session mit unserer Jahresabschlussveranstaltung im Vereinsheim an der Eugen-Richter-Straße beenden“, blickt der Vizevorsitzende der Blau-Weißen bereits auf den Februar-2023-Samstag nach Rosenmontag. Ob dieses traditionelle Fischessen zur Fastenzeit sich am Ende als Henkersmahlzeit für den Verein entpuppt, bleibt abzuwarten. „Wir haben noch etwa 60 Mitglieder, aber nur 20 davon zählen zu den Aktiven“, erinnert Bracht an deutlich glorreichere Zeiten der Blau-Weiß-Karnevalisten. Beispielsweise, als der legendäre Sockenball die jungen Karnevalisten in die Ischelandhalle lockte oder die Stadthalle viermal aus allen Nähten platzte, wenn die Blau-Weißen zu Närrischer Stadthalle, Altweiberball, Kinderkarneval und Herrensitzung ins Wasserlose Tal einluden.

Entschädigung steht noch aus

Detlef Bracht, 2. Vorsitzender der Blau-Weißen Funken.
Detlef Bracht, 2. Vorsitzender der Blau-Weißen Funken. © WP | Michael Kleinrensing

Es war einmal. Die für 2022 terminierte Herrensitzung wurde bereits ein Pandemieopfer. Die versprochene Entschädigung für Künstler und Verein aus der Kasse von Vater Staat – immerhin ein fünfstelliger Betrag – lässt bis heute auf sich warten: „Der Antrag ist deutlich komplizierter als das aktuelle Grundsteuer-Gedöns“, hat Bracht das Thema an einen Steuerberater übergeben.

Die übrigen verbliebenen Hagener Karnevalisten stecken derweil voll in den Vorbereitungen für die am 11.11. traditionell startende Session. Markus Krause, Vorsitzender der Dachorganisation Festkomitee Hagener Karneval, sieht die übrigen Vereine gut aufgestellt: „Alle Vorstände sind aktiv und die Planungen stehen“, erwartet er die pralle Narretei – „es sei denn, Dr. Lauterbach grätscht uns dazwischen.“

Angesichts der diffusen Lage mit Corona, Inflation und Energiekrise wollen die Blau-Weißen derweil für 2023 nichts riskieren. „Wir sind liquide“, betont Bracht, „was uns fehlt, ist ein mutiger Voranschreiter. Andernfalls steht unsere Auflösung im Raum“, weiß der 2. Vorsitzende durchaus, dass die Menschen aktuell andere Dinge im Kopf haben. Detlef Bracht würde sich sehr freuen, wenn ein weißer Ritter mit karnevalistischer Leidenschaft sich bei ihm melden würde – am liebsten einer ohne Helm, aber mit blau-weißer Narrenkappe.