Hagen. Wenn der Rahmen stimmt, lässt es sich auf den Straßen der Stadt durchaus gut radeln. Mit einer Aktionsfahrt setzen 60 Hagener ein Zeichen.

Und wie geht es jetzt weiter? Zunächst einmal wunderbares Radeln über die Körnerstraße und den Graf-von-Galen-Ring in Richtung Haspe. Die neue, extra zur Verfügung gestellte Spur macht es möglich. Aber an der Schwenke ist plötzlich Schluss – ab jetzt ist die Zweirad-Fraktion im Heer der Automobilisten auf sich gestellt, keine eigene Spur, nicht einmal ein Streifchen. Natürlich könnte man auf die ausgeschilderten, verschlungenen Alternativrouten durch Wohnstraßen und über Bürgersteige hinweg ausweichen. Doch eine zügige Verbindung – beispielsweise aus der Hagener Innenstadt zum Hasper Kreisel – gibt es bis heute nicht: Zwischen Wehring- und Kückelhausen sind gute Nerven und ein Schuss Wagemut gefordert.

Eine entspannte Runde durch den Hasper Kreisel: Wenn die Akzeptanz bei den Autofahrern stimmt, bewegen sich auch die Radfahrer mutiger über die Straßen der Stadt. 
Eine entspannte Runde durch den Hasper Kreisel: Wenn die Akzeptanz bei den Autofahrern stimmt, bewegen sich auch die Radfahrer mutiger über die Straßen der Stadt.  © Stadtredaktion Hagen | Martin Weiske

Dass das Fahrrad auf solchen Strecken durchaus eine echte Alternative zum Auto sein kann, wollte der Rotary Club Hagen-Lenne am Freitag mit einer demonstrativen Tour in der „Critical-Mass“-Tradition (siehe Info-Text) unter Beweis stellen. Professionell und schützend begleitet von rad-, motorrad- und autofahrenden Polizeibeamten bewegte sich eine etwa 60-köpfige Gruppe auf 120 Reifen vom Allerwelthaus aus in den Westen der Stadt. Und siehe da: Begleitet von den Ordnungshütern, die an allen neuralgischen Punkten den motorisierten Verkehr auf Distanz hielten, entwickelte sich die Tour über die Hauptverkehrsachsen zu einer entspannten, aber symbolhaften Genussrunde. Blau blinkende Lichter machen ein Fortkommen auf Hagenes Straßen eben deutlich einfacher. Einziges Risiko: ein Auffahrunfall mit dem gemächlich voranrollenden VW-Bus der Polizei.

Topographie ist kein Argument

Ein Stück Normalität für die Straßen

In Berlin versammelten sich bereits im Jahr 1997 erstmals etwa 20 Radfahrer, um auf die Benachteiligung von Fahrradfahrern im Straßenverkehr aufmerksam zu machen. Das Motto lautet stets „Wir behindern nicht den Verkehr. Wir sind der Verkehr!“ Dennoch: Tausende Radfahrer auf den Straßen provozieren in jeder Stadt. Fährt das erste Rad über Grün, dürfen alle Mitglieder eines solchen Fahrradverbands auch über die Kreuzung fahren, selbst wenn die Ampel lange wieder auf Rot steht. Natürlich mit den üblichen, oft erbosten Begleiterscheinungen hinter den Auto-Lenkrädern.

Grundsätzlich geht es bei diesen Aktionen jedoch nicht darum, die Straßen bewusst zu verstopfen oder andere Verkehrsteilnehmer auszubremsen. Vielmehr soll dafür sensibilisiert werden, dass Radfahrer grundsätzlich ein Element sind, das wie selbstverständlich zum Straßenbild dazugehört. Werden dabei auch nur eine Handvoll Autofahrer zum Umdenken bewegt, haben Critical-Mass-Ereignisse ihre gewünschte Wirkung erzielt.

„Ich befürchte allerdings, dass ich es in dieser Stadt nicht mehr erleben werde, dass so eine Fahrt auch ohne Polizeibegleitung so gefahrlos möglich sein wird“, gibt sich Karl-Heinz Kubas, Vorsitzender des Rad-Sport-Clubs Hagen, desillusioniert. Einhelliger Tenor der Mitfahrer: In Hagen habe man sich viel zu lange hinter der These verschanzt, dass Radfahrer angesichts der Topographie in der Stadt niemals ein Verkehrsthema werden könnten. „Eine Illusion, wie heute jeder weiß – die E-Bike- und Pedelec-Technologie haben diese Ausrede längst pulverisiert“, ärgert sich Kubas, dass es bislang bei Feigenblatt-Aktion zugunsten der Radfahrenden bleibt. „Ich frage mich beispielsweise, was die neue Aufstellfläche an der Einmündung Körner-/Neumarktstraße soll? Man will Radfahrern das Linksabbiegen erleichtern, aber das tut dort ohnehin niemand, weil dahinter nur Treppen folgen . . .“

Auf der Preußerstraße in Haspe, gibt es kaum Konfliktpunkte zwischen Radlern und Autofahrenden. Aber auf den Hauptverkehrsachsen zwischen Innenstadt und Haspe fehlt es oft an sicheren Angeboten für Zweiräder – hier ist Mut gefordert, sich im Verkehrsraum zu bewegen. 
Auf der Preußerstraße in Haspe, gibt es kaum Konfliktpunkte zwischen Radlern und Autofahrenden. Aber auf den Hauptverkehrsachsen zwischen Innenstadt und Haspe fehlt es oft an sicheren Angeboten für Zweiräder – hier ist Mut gefordert, sich im Verkehrsraum zu bewegen.  © Stadtredaktion Hagen | Martin Weiske

„Ich finde es ganz wichtig, dass wir Radfahrer uns zeigen“, betont Hans-Peter Schlien und freut sich über die Resonanz auf die Tour, der sich übrigens niemand aus der Fridays-for-Future-Generation anschloss. „Es muss einfach für jeden Bürger möglich werden, auf schnellen Trassen sich zwischen den Stadtteilen zu bewegen und nicht bloß auf touristischen Wegen.“ Schließlich gehe es auch im Fahrradsattel darum, beispielsweise beim Weg zur Arbeit schnell und gefahrlos von A nach B zu kommen. „Andernfalls kann das Rad kaum zu einer echten Alternative werden“, gehört Schlien zu jenen Menschen, die aus Sorge um ihre Sicherheit auf manchen Strecken sich heute noch lieber über Bürgersteige bewegen, statt beispielsweise auf der Wehringhauser oder Berliner Straße auf offener Straße im Strom der Autofahrer in die Pedale zu treten. Diesmal rollt es sich im Windschatten der Polizei umso komfortabler. Die Uniformierten sorgen für Respekt: keine Gehupe aus den Autos, keine Überholmanöver mit Mini-Abstand zum Lenkradgriff.

Gewinn von Lebensqualität

„Wir brauchen endlich die zügige Umsetzung eines Gesamtkonzeptes“, fordert Rotary-Mitorganisator Klaus Weimer mehr Tempo und Kreativität bei der Realisierung des Radwegekonzeptes sowie vernünftige Anbindungen. „Ich frage mich, ob die Stadt mit den neuen Fahrspuren am Bahnhof letztlich dem Radfahr-Thema eher einen Bärendienst erwiesen hat, weil – mangels vernünftiger Anschlüsse – die Spuren meist leer bleiben und somit die Akzeptanz bei den Autofahrern eher sinkt.“ Umso mehr wollen die Rotarier an dem Thema dranbleiben: „Uns geht es ganz ohne ideologischen Lobbyismus einfach darum, die Lebensqualität in Hagen zu erhöhen. Und da kann ein gut funktionierendes Radfahrangebot ein ganz wichtiger Aspekt werden.“