Eilpe. Fünf Jungs leben im Herzenskinderhaus in Hagen-Eilpe. Sie sind keine Brüder. Sie sind keine Familie. Aber sie leben wie eine richtige Familie.
Täglich nach dem Abendessen treffen sich die Jungs mit ihren Eltern im Wohnzimmer zur Abendrunde. Hier können sie erzählen, was sich an diesem Tag besonders gut angefühlt hat. Oder sie lassen ihren Frust raus, weil sie sich geärgert haben. So oder so: „Sie tun sich unheimlich schwer, ihre Gefühle zu äußern“, sagt Volker Dornheim: „In der Abendrunde lernen sie, dass man miteinander reden kann. Und dass man über Gefühle sprechen kann.“
Die fünf Jungs sind keine Brüder. Und Volker Dornheim ist auch nicht ihr Vater. Jenifer Birke (37) ist nicht ihre Mutter. Und doch leben sie alle zusammen in Hagen unter einem Dach. Wie eine Familie. „Manchmal ist es so, wie wir es uns vorgestellt haben, und manchmal ist es auch ganz anders“, sagt Dornheim.
Obwohl die beiden Erwachsenen nicht die leiblichen Eltern sind, so sind die fünf Jungs doch ihre Wunschkinder. Ihre Herzenskinder. Das Leben folgt den regelmäßigen, ritualisierten Abläufen einer Großfamilie. Wecken, Frühstück, Schule, Hausaufgaben, Freizeit, Abendessen, Abendrunde, Fernsehen, Schlafenszeit. „Wir leben unseren Traum“, sagt Dornheim.
Was es heißt, seinen Traum zu leben
Man muss sich diesen Satz vergegenwärtigen. Ihren Traum zu leben, bedeutet für Dornheim und seine Frau nicht, berühmt zu werden, um die Welt zu reisen oder steinreich zu sein. Es bedeutet, mit fünf Jungs, die aus verschiedenen Gründen nicht mehr bei ihren Eltern wohnen können, aus Gründen, zu denen die Jungs selbst nichts können, zusammenzuleben und ihnen zu geben, was jedes Kind braucht: Geborgenheit, Wärme, Zuneigung, Regeln, eine Alltagsstruktur.
Das Jugendamt hat die Jungs aus ihren Elternhäusern geholt und in die Obhut des Herzenskinderhauses gegeben. Es ist anstrengend, seinen Traum zu leben, gibt Dornheim freimütig zu, und nicht nimmer sind die Ergebnisse seiner Anstrengungen so, wie er es sich wünscht. Aber allein die Tatsache, dass er und seine Frau immer für die Jungs da sind und ihnen einen Ort bieten, an dem sie in Frieden und Sicherheit aufwachsen können, ist nicht mit Gold aufzuwiegen.
Enge Anbindung an die Kirchengemeinde
Fünf Jahre ist es jetzt her, dass der Theologe und Erzieher einen Trägerverein gegründet hat, der das Herzenskinderhaus, das ehemalige Pfarrhaus in Eilpe, in enger Anbindung an die katholische Kirchengemeinde Herz Jesu eröffnet hat. Zwei der fünf Jungs leben seit dem ersten Tag im Haus und erfahren, obwohl von den Eltern getrennt, so etwas wie Normalität.
Sie sind keine Brüder, aber sie leben wie Brüder zusammen, und wenn sich im Leben ihrer Eltern nicht unerwartet etwas zum Guten wendet, das das Jugendamt dazu veranlassen könnte, ihnen die Rückkehr in ihre Familie zu ermöglichen, dann werden sie bis zur Volljährigkeit im Herzenskinderhaus zusammenleben.
„Volker“ und „Jenny“ nennen die Jungs ihre Zieheltern, nie kämen sie auf die Idee, Mama oder Papa zu sagen. Denn einerseits sind da ja noch ihre richtigen Eltern, die das Sorgerecht inne haben und zu denen sie, so weit das möglich ist, Kontakt halten.
Trotz aller Nähe ist ein Stück Privatheit wichtig
Und außerdem legen Dornheim und Birke Wert auf eine gewisse Distanz, auf ein Stück Privatheit – spätestens seitdem sie selbst vor zweieinhalb Jahren Eltern eines Jungen geworden sind: „Er fühlt sich richtig wohl inmitten der fünf großen Brüder. Wir sind eine erweiterte Familie, und am Ende des Tages sind natürlich alle Jungs Teil unserer Familie.“ Trotzdem müsse man bisweilen aufpassen, dass man selbst nicht zu kurz komme: „Nach unserem Urlaub am Bodensee habe ich gedacht, jetzt brauche ich erst mal eine Woche lang Ruhe.“
Von vier weiteren Mitarbeitern, einer Sozialarbeiterin und drei Erzieherinnen, werden die „Herzenskinder“ im ehemaligen Pfarrhaus betreut. Einige von ihnen kommen selbst aus der Jugendhilfe und haben in großen Einrichtungen und Heimen gearbeitet, in denen die idealistische Berufsvorstellung schnell Ernüchterung wich.
Zuwendung und Aufmerksamkeit
Das Herzenskinderhaus stemmt sich gegen den Kostendruck und die hohe Fluktuation in den Waisen- und Kinderheimen, die es fast unmöglich macht, Kindern Zuwendung und Aufmerksamkeit zu geben. „Wir bemühen uns ganz bewusst, gegen den Strom zu schwimmen“, sagt Dornheim.
„Lasset die Kinder zu mir kommen“, hat Jesus gesagt. Der Andrang in den Kinderheimen ist riesig, die Personalknappheit auch. Es gibt so viel unsichtbares Leid in den Familien, und die Kinder sind dem ausgesetzt.
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Im Herzenskinderhaus wird Geburtstag gefeiert. Einer der Jungs wird elf. Der Tisch ist gedeckt, die Geschenke und der Kuchen sind schön um seinen Platz herum drapiert. Eines der Geschwister spielt mit Autos auf dem Fußboden im Kinderzimmer, an den Wänden hängen Urlaubsfotos.
Es geht alles zu wie in einer richtigen Familie – nur, dass die Eltern nicht Mama und Papa genannt werden.
Familienfest zum fünfjährigen Bestehen
Die Unterbringung der Kinder im Herzenskinderhaus wird vom Jugendamt finanziert. Durch Spenden können zusätzliche Angebote für die Kinder finanziert werden.
Nach dem Weggang des ehemaligen Pfarrers Bernhard Meschke stand das Pfarrhaus drei Jahre lang leer. Dann wurde es für die Bedürfnisse des Herzenskinderhauses umgebaut. Der katholischen Gemeinde Herz Jesu war es wichtig, dass das unter Denkmalschutz stehende, 1909 errichtete Gebäude weiterhin im christlichen Sinne genutzt wird.
Zum fünfjährigen Bestehen findet am Samstag, 10. September, ab 13 Uhr ein Familienfest (mit Hüpfburg, Geschicklichkeitsparcours, Kistenklettern u.a.) auf der Wiese hinter dem Haus statt. Gäste sind herzlich willkommen. Beginn ist um 12 Uhr mit einem Festgottesdienst.