Hohenlimburg.
Eigentlich hatte Can Aktan gar nicht vor, sich an einer Förderschule um Jugendliche mit schwerer Vorgeschichte zu kümmern. Doch irgendwie muss das Schicksal seine Finger im Spiel gehabt haben, als er vor vier Jahren auf dem Schulfest seiner Töchter mit einem Freund ins Gespräch kam. So zumindest sieht es der Tischlermeister heute.
Damals suchte er nach einer Möglichkeit, sein gelerntes Handwerk mit seiner sozialen Ader zu verbinden. „Ein anderer Kumpel bekam das Gespräch mit und fragte, ob wir uns nicht mal treffen wollen – er arbeitete als Sonderpädagoge an der Wilhelm-Busch-Schule.“ Heute, vier Jahre später, ist Can Aktan dort fest angestellt.
Der Wechsel von der Werkstatt hinein in die Klassenzimmer der Förderschule in der Nahmer war für den 36-Jährigen eine neue Erfahrung. „Ich habe in meiner Ausbildung immer gesagt bekommen, so wird es gemacht, wiederhole das. Doch auf diese Art kommt man hier nicht weit“, sagt Aktan: „Den Schülern fehlt viel, was sie von zu Hause nicht mitbekommen haben. Man müsse kleine Brötchen backen.“ Viele mussten erst lernen, wie man mit Werkzeug umgeht, etwa eine Säge führt. Auch Maßeinheiten galt es zu erklären. Was ist ein Zentimeter? Was ist ein Millimeter?
In kleinen Schritten zum Erfolg
Schritt für Schritt, über kleine Erfolgserlebnisse, tastete er sich vor: „Wir haben zum Beispiel einen „Bohrer-Führerschein“ gemacht. Die Schüler waren dann bald sehr fit.“
Mittlerweile hat seine Projektklasse auch viel in dem Schulgebäude gemacht, hat Tische repariert und Bilder an die Wand gehängt. Auch eine Schulwohnung in dem Gebäude habe man komplett umgebaut. Die Schüler haben die Wände gestrichen, die Küche neu aufgebaut, später gemeinsam gekocht und gegessen. „Es ging darum, erste Schritte in ein eigenständiges Leben und die erste Wohnung zu vermitteln. In seiner Wohnung kann man viel Spaß haben, aber man muss auch Ordnung halten.“
Ordnung hat einen besonderen Wert
Ordnung – ein Begriff, der auf einer Förderschule für emotionale und soziale Entwicklung seinen ganz eigenen Wert hat. Die Schülerschaft fordert die Lehrkräfte anders heraus, es gibt Konflikte, Beleidigungen, Gewalt. Aktan zeigt ein Stück Holz, gesägt zu einem Rechteck.
Daran eine Schnur und eine Skala von minus 10 bis plus 10. Ein „Wut-Pegel“, wie er sagt, den er mit seinen Schülern gebastelt hat. Bewerten die Schüler ihren Pegel hoch, müssen sie zunächst gelassener werden, bevor sie sich wieder melden dürfen. Wenn Can Aktan über seinen Unterricht erzählt, dann wirkt es, als hätte er nie etwas anderes gemacht.
Den sozialen Austausch gesucht
Gerade die soziale Arbeit, der Austausch, scheint das zu sein, was er nach seiner Meisterausbildung gesucht hat. „Ich hatte vorher schon einen ganz guten Draht zu Praktikanten in der Werkstatt, in der ich gearbeitet habe“, erinnert er sich zurück. „Wenn ich sah, wie hilflos und unorientiert die am ersten Tag in die Werkstatt kamen, bin ich gerne hin und habe das Gespräch gesucht.“
Mit seiner Begeisterung für das Handwerk setzte er auch erste Akzente an seiner neuen Arbeitsstätte: Nachdem die Jahrhundert-Flut vor einem Jahr auch den Werksraum der Wilhelm-Busch-Schule unter Wasser gesetzt hatte, war er einer der Antreiber, um den Raum neu aufzubauen. Alte Span-Schränke kamen raus, neue Metallschränke rein. Mit Unterstützung der Stadt kam eine moderne Säge in den Raum.
Sparkassenstiftung unterstützt mit 5500 Euro
Zuletzt konnte sich der Förderverein der Wilhelm-Buch-Schule zudem erfolgreich um 5500 Euro an Fördermitteln der Sparkassenstiftung Hagen bewerben. Die fließen nun in neues Werkzeug, um so aus dem Werksraum eine Holzwerkstatt zu machen. Eine Spielwiese, wo die Schüler sich ausprobieren können – und idealerweise den Schritt hin zu beruflichen Praktika in Betrieben ebnen.
Jörg Klepper, Vorsitzender des Stiftungskuratoriums der Sparkassenstiftung für Hagen, sowie Frank Walter, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Hagen-Herdecke, machten sich vergangene Woche vor Ort ein Bild über die intensive Bildungsarbeit, die auch dank der hohen Zuwendung nun auf neue Füße gestellt werden kann.
Tischlermeister Can Aktan hat sich eingelebt als Lehrer – und setzt neue Ziele. „Ich möchte langfristig eine Schülerfirma aufbauen. Die Schüler sollen in der Werkstatt eigene Artikel produzieren und auch verkaufen.“ Doch auch beim „Projekt Schülerfirma“ gelte es, von seinen Schülern nicht zu schnell zu viel zu verlangen. „Wir möchten auch hier kleine Brötchen backen.“
Schulstand auf dem Weihnachtsmarkt geplant
Beim hauseigenen Weihnachtsbasar verkaufte man bereits selbst gefertigte Holzdeko. Dieses Jahr will er diese Dekorationen auch über einen eigenen Schulstand auf dem Weihnachtsmarkt auf Schloss Hohenlimburg verkaufen, sagt Aktan.
+++Auch interessant: Hohenlimburger Kleinbahn rollt wieder+++
Zurück ins Handwerk will er übrigens nicht. Zwar habe Handwerk goldenen Boden und Fachkräfte wie er werden händeringend gesucht. „Aber ich weiß auch, was für eine Maloche das ist.“ Er bewundere jeden, der sich in der Branche selbstständig mache und Verantwortung übernehme: „Aber wenn ich meinen Job an der Schule mache, bewirke ich etwas an anderer Stelle und damit bin ich zufrieden.“