Hagen. Seit Wochen fehlt Regen. Die Pegel der Flüsse Ruhr, Volme, Lenne und Ennepe in Hagen sinken. Warum das Wasser trotzdem noch nicht knapp wird.

113 Zentimeter – dieser Wert lässt aufhorchen. Das reicht bis irgendwo zwischen Bauchnabel und Brust, wenn man sich denn mit beiden Füßen ins Wasser stellt. Und weil selbst der Pegel am Rhein bei 94 Zentimetern vor sich hin dümpelt, wächst der Gedanke, dass bei 113 Zentimetern an der Volme in Eckesey Frachtverkehr auf Schiffen in Hagen jedenfalls besser funktionieren müsste, als zwischen Köln und Duisburg.

Der Schein aber trügt. Denn vor 13 Monaten war in Hagen alles anders. Da war jener Fluss, der derzeit in der Innenstadt kaum mehr als ein etwas breiteres Bächlein ist, über die Ufer getreten und hatte Teile der Stadt geflutet. Eine Folge des Jahrhunderthochwassers: Die Pegelmessstation in Eckesey wirft nur noch Datenmüll aus. Sie ist defekt. Realistischer ist da, was am selben Fluss in Ambrock gemessen wird: 35 Zentimeter. Was wiederum 24 Zentimeter unter dem Mittelwasserstand (einem Durchschnittswert) liegt.

Vier Flüsse in Hagen führen kaum noch Wasser

Ähnlich sind die Werte an den anderen Messstationen des Ruhrverbands oder des Landesamts für Natur-, Umwelt- und Verbraucherschutz. Sie alle zeigen eine klare Tendenz: Die vier Flüsse, die Hagen prägen, führen derzeit kaum noch Wasser. Die Durchlaufgeschwindigkeit in Ruhr, Lenne, Ennepe und Volme ist weitaus geringer, als sie es normalerweise ist.

Der Fluss Volme in der Innenstadt von Hagen führt kaum Wasser.
Der Fluss Volme in der Innenstadt von Hagen führt kaum Wasser. © WP | Jens Stubbe

Dass die Flüsse bei Trockenheit überhaupt noch Wasser führen, hängt auch damit zusammen, dass die Talsperren die sie speisen, erstaunlich gut gefüllt sind. „Der Füllstand der Ruhrverbandstalsperren liegt heute bei knapp 76,5 Prozent vom Vollstau“, erklärt Markus Rüdel, Sprecher des Ruhrverbands. „Das ist etwas weniger als für diese Jahreszeit üblich, aber noch nicht besorgniserregend.“

Talsperren geben elfmal mehr Wasser ab, als zufließt

Der Stand sei in etwa vergleichbar mit dem im Sommer Jahr 2019. „Allerdings“, so Rüdel, „geben die Talsperren momentan ungefähr elfmal so viel Wasser ab, wie ihnen zur gleichen Zeit zufließt. Wir beobachten die Situation daher sehr genau und werden rechtzeitig entsprechende Maßnahmen ergreifen.“ Ein Beispiel: der Ruhrverband könnte beim NRW-Umweltministerium zur Absenkung der gesetzlichen Mindestwasserführung der Ruhr eine Ausnahmegenehmigung beantragen.

An der Brücke Rathausstraße in Hagen hat sich eine Insel gebildet, die sonst nicht sichtbar ist.
An der Brücke Rathausstraße in Hagen hat sich eine Insel gebildet, die sonst nicht sichtbar ist. © WP | Jens Stubbe

In Hagen seien die Anlagen des Ruhrverbands von der Trockenheit ohnehin kaum betroffen. Am Hengsteysee gebe es keine Folgen. „Der Wasserspiegel des Sees wird abgesehen von den Wasserspiegelschwankungen, die durch den Betrieb des Koepchenwerks erforderlich sind, konstant gehalten.“ Der See diene nicht als Wasserspeicher für die Wasserversorgung oder den Hochwasserschutz. Für den Betrieb der Kläranlagen sei die Dürre ebenfalls ohne Relevanz. Zwar fließe den Anlagen derzeit etwas weniger Wasser zu, aber die Reinigungsleistung wird dadurch in keiner Weise eingeschränkt.

Mindestwasser in der Ruhr

Für die Ruhr müsse der Ruhrverband eine Mindestwasserführung durch die Talsperren im Sauerland sicherstellen. Vor diesem Hintergrund führen Ruhr, Lenne und Volme im Stadtgebiet Hagen ausreichend Wasser, um die Mindestwasserführung zu gewährleisten. Auch bei einer Absenkung der gesetzlichen Mindestwasserführung gibt es keine Beeinträchtigung der Gewässerökologie.

Mit Trinkwasser wird Hagen vor allem durch das Wasserwerk Hengstey versorgt. „Sie erfolgt nicht im größten Teil durch die Hasper Talsperre“, so Enervie-Sprecher Andreas Köster. „Das Hagener Hauptwasserwerk Hengstey der Mark-E ist in der Lage, Hagen durchgängig zu 100 Prozent mit Trinkwasser zu versorgen. Vorlieferant ist die Ruhr, die aus den unverzichtbaren Talsperren des Ruhrverbandes mit einer gesetzlich definierten Mindestmenge gespeist wird.“

Wasserwerk Hengstey kann ganz Hagen versorgen

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Das Wasserwerk Haspe mit der Hasper Talsperre könne ergänzend je nach Rohwasserdargebot einen Versorgungsbeitrag liefern – gut ein Viertel des Hagener Bedarfes. „Sollte sich mal nicht genügend Wasser in der Hasper Talsperre befinden, übernimmt Hengstey diesen Versorgungsteil problemlos mit“, erklärt Köster das System der Trinkwasserversorgung in Hagen.

2 Millionen Kubikmeter Wasser fasst die Hasper Talsperre, 1,6 Millionen Kubikmeter sind aktuell drin. „Derzeit“, so Köster, „laufen weniger als 150 Kubikmeter pro Tag der Talsperre zu. 6600 Kubikmeter Trinkwasser pro Tag werden aktuell in Haspe aufbereitet. Hagen insgesamt benötigt momentan gut 34.000 Kubikmeter pro Tag.“