Hagen. Ein subjektiver Blick auf 36 Orte in Hagen: Für die Sommerserie „Neulich in Hagen“ schwärmen die Reporter aus. Heute: der Friedrich-Ebert-Platz.

Es heißt ja immer, ein Markt sei ein Treffpunkt. Für den Friedrich-Ebert-Platz gilt das an diesem Junitag allemal. Es ist T-Shirt-warm, die Sonne scheint. Hagen ist eine schöne Stadt, man muss nicht woanders sein.

Es ist zwölf Uhr am Mittag. Vor zehn Minuten ging es noch gemächlich zu auf dem Werbe- und Frischemarkt, jetzt bilden sich, beinahe urplötzlich, kleine Schlangen vor dem Käsewagen Obermeit, an dem ich mir auch schon verschiedene Male den Heublumenkäse gekauft habe oder diese herbe, französische Sorte, deren Name mir gerade entfallen ist.

Und auch bei den anderen Händlern herrscht reger Betrieb, viele Angestellte, die in der Innenstadt arbeiten, nutzen die Mittagspause offenbar, um sich übers Wochenende mit Wurst, Brot oder Ginos Feinkost einzudecken. Oder, um gleich vor Ort ihren Hunger zu stillen.

Bärige Geschichten aus Kanada

Besonders beliebt ist Juttas Reibekuchenstand. Ein Mann kauft gleich zehn Stück, wir kommen ins Gespräch, was auf dem Friedrich-Ebert-Platz, noch dazu am Markttag, nahezu unausweichlich ist. Er habe gerade zum ersten Mal bei Jutta eingekauft, sagt er und hält seine Tüte hoch: „Normalerweise wohne ich in Kanada.“

Ein Blick auf der Luft auf den Friedrich-Ebert-Platz in Hagen
Ein Blick auf der Luft auf den Friedrich-Ebert-Platz in Hagen © Alex Talash | Alex Talash

Sein Name sei Uwe, erzählt der Mann bereitwillig, vor 15 Jahren sei er mit seiner Frau nach New Brunswick ausgewandert, weil es da schöner sei als in Deutschland, Kanada sei schon immer ihr Traumland gewesen. Nun lebe er am Ende einer Schotterstraße mindestens zehn Kilometer von der Zivilisation entfernt, fügt er mit dröhnender Stimme, die ein Vollbart etwas dämpft hinzu, und in höflicher Entfernung bleiben ein paar Passanten stehen, um zuzuhören, was er über Bären zu sagen hat.

Bären seien in Kanada ein häufiges Gesprächsthema, es gebe sie überall. Da, wo er wohne, lebten allerdings nur Schwarzbären, Luchse und Stachelschweine, aber keine Grizzlys, Gott sei Dank. Nein, mit Grizzlys müsse er nicht unbedingt Bekanntschaft machen. Er erzählt ein paar Bären- und Tiergeschichten aus Kanada, am haarsträubendsten ist die von der Joggerin, die von einem Rudel Kojoten angefallen und aufgefressen wurde.

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Man kommt immer ins Gespräch

Er springt von der Ost- zur Westküste und bleibt dann irgendwo mittendrin in diesem riesigen Land der Erde stehen, er hat sein Glück dort gefunden und ist jetzt für einige Wochen nach Hagen gekommen, um sich um seine Mutter zu kümmern, die inzwischen 102 ist und im Altenheim lebt. Juttas Reibekuchen will er standesgemäß mit Apfelmus vertilgen.

Jutta lebt nicht in Kanada, sie ist in Iserlohn zu Hause, verkauft ihre Reibekuchen, Frikadellen und Waffeln aber hauptsächlich in Hagen. Drei Reibekuchen kosten 3,90, zehn gibt es für elf Euro. Ihr Arbeitstag ist lang, nach Marktschluss brauche sie noch zweieinhalb Stunden, um den Wagen und all die Utensilien zu putzen und abzubauen, am nächsten Markttag soll doch alles wieder schön sauber sein. Dies sei ihr letzter Arbeitstag, morgen fliege sie für zwei Wochen nach Kuba. Endlich Urlaub!

Die Leute zieht es in die Ferne, Corona ist kein Thema mehr. Ich komme mir ganz klein vor mit meinem Urlaub im Spreewald, wo man in versteckten Waldseen baden und durch Storchendörfer wandern kann. Ein Mann döst auf einer Bank, ich setze mich dazu, er will merklich seine Ruhe haben, ich auch, aber wir kommen nahezu zwangsläufig ins Gespräch, es ist doch Markttag.

Auf einer Bank sitzen und die Leute beobachten

Und er erzählt, dass er aus der Karl-Halle-Straße stamme und jetzt in Iserlohn wohne, dass er auf seine Frau warte, die gerade irgendwo in einem der vielen Geschäfte ringsum einkaufe, und dass er zu gern wüsste, wann sie wiederkommt, dass es etwas Erbauliches habe, hier auf dieser Bank zu sitzen und die Leute zu beobachten, etwa die Frau dort mit den zwei kleinen Hunden, die den Mann vom Entsorgungsbetrieb mit seinem riesigen Staubsaugerschlauch mutig unter einer Bank hervor ankläffen. Hagen ist schon in Ordnung, sagt er.

In den vielen Eisdielen und Cafés rund um den Friedrich-EbertPlatz sind noch viele Plätze frei, sonst ist es hier merklich voller. Aber das kann sich im Laufe dieses schönen Sommertages ja noch ändern. Kein Lüftchen geht, kleine Palmen ruhen in gewaltigen Blumenkübeln.

Palmen.

„Die Folgen unserer diesjährigen Sommerserie „Neulich in Hagen“ finden Sie auch auf unserem Internetauftritt www.wp.de/neulich-in-hagen