Hagen. Ein subjektiver Blick auf 36 Orte in Hagen: Für unsere Sommerserie „Neulich in Hagen“ schwärmen die Reporter aus. Heute: die Karl-Adam-Halle.

Vor der Karl-Adam-Halle in Hagen ist an diesem Tag Mitte Juni kaum ein Mensch zu sehen. Es ist ein friedlicher Sommermorgen, ein paar Tropfen fallen, aber zu mehr kann sich der Himmel nicht entschließen. Die Hallentür steht offen, ein Imbisswagen parkt nahebei. Ich bin etwas unschlüssig.

Als ein schwarzhaariger Mann, an der schwarzen Uniform leicht erkenntlich als Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes, über die Schwelle tritt, setze ich mich in Bewegung. 27 Flüchtlinge aus der Ukraine würden derzeit hier betreut, sagt er freundlich. Und ich darf einen Blick ins Foyer werfen mit der Kaffeetheke und in die mit einem Vliesteppich ausgelegte Turnhalle, in der mobile Betten aufgebaut wurden und wo ein Mann mit einem Laptop auf den Knien auf dem Fußboden sitzt.

Menschen, deren Existenz zerstört wurde

Es ist eine schwer begreifliche Situation. Hier leben Menschen, wenn auch nur übergangsweise, die vor dem Krieg geflohen sind. Deren materielle Existenz möglicherweise zerstört wurde. Denen vielleicht noch Schlimmeres geschehen ist, wir haben in dieser Zeitung über manches Schicksal berichtet, ich weiß nicht, was Krieg bedeutet, meine Mutter hat mir erzählt, dass sie in den letzten Kriegsmonaten 1945 immer in den Keller geflüchtet ist, wenn mit Bomben und Granaten auf ihr Dorf geschossen wurde.

Doch der Krieg in der Ukraine ist weit weg. Und doch so nah. Manchmal erzähle einer der Bewohner aus der Turnhalle, war er erlebt und was ihn zur Flucht getrieben habe, sagt der Mann vom Sicherheitsdienst. Aber bis es dazu komme, müsse sich erst Vertrauen aufbauen, ich solle doch bitte niemanden direkt ansprechen und nach seinen Erlebnissen befragen.

Die Karl-Adam-Halle in Hagen-Vorhalle.
Die Karl-Adam-Halle in Hagen-Vorhalle. © Alex Talash

Im Foyer hängen Bilder, von Flüchtlingen gemalt. Es habe ein Kunstangebot für die Menschen aus der Ukraine geben, aber nein, er wisse nicht, wer dafür verantwortlich gewesen sei. Manches bleibt vage in dieser Stunde, fast hätte ich gesagt, so vage wie dieser ferne Krieg. Aber das wäre eine Beleidigung all jener, für die er schreckliche Realität bedeutet. Der Krieg trennt unseren Erfahrungshorizont von den Flüchtlingen aus der Ukraine, und es ist sicherlich das letzte, was sie wollten.

Die junge Frau vom Roten Kreuz

Heute seien eine Frau, ihre Tochter und ihre Enkelin gekommen, sagt der Security-Mann. Zwei seiner Kollegen seien ständig auf der Zuschauertribüne in der Halle, um eingreifen zu können, wenn dort etwas passiere. Was denn passieren könne? Er sieht mich an, antwortet aber nicht.

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Ich wende mich an eine junge Frau vom Roten Kreuz. Sie heißt Melina Höfer und ist 20 Jahre alt. Das Rote Kreuz versorgt die Flüchtlinge mit Nahrungsmitteln und allem weiteren Notwendigen. Melina erzählt, was er heute zu essen gibt, sie bleibt zurückhaltend. Dann mischt sich Herr Smith ein, der Mann vom Imbisswagen, und erzählt, neulich hätten sie für die Ukrainer einen Ausflug ins chinesische Restaurant am Kaisergarten organisiert. „All you can eat.“ Melina habe alles bezahlt, sagt er. Jetzt antworte ich nicht, ich weiß nicht, was ich sagen soll.

Kommunikation mit Hilfe des Google-Übersetzers

Eine Frau mit zwei Jungs, beide ziehen Rollkoffer hinter sich her, verlässt die Halle. Es dauert keine Minute, da kehren sie wieder zurück. Einer der Jungen weint. Die meisten Ukrainer sprechen weder Deutsch noch Englisch, sagt der Sicherheitsmann: „Wir unterhalten uns mit Hilfe des Google-Übersetzers.“

Herr Smith schimpft, weil er am Kaisergarten ein Knöllchen bekommen hat, während die Politesse die Autos mit ausländischem Kennzeichen verschont habe. Er organisiert des öfteren Grilltage für die Ukrainer, und demnächst will er mit einer Gruppe ins Phantasialand fahren.

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Ich frage Melina, wieviel Geld sie das Essen für alle beim Chinesen gekostet habe, aber das will sie nicht sagen.

Mit Ablauf dieses Monats wird die Karl-Adam-Halle als Auffanglager ausgedient haben. Die letzten 15 Flüchtlinge aus der Ukraine werden an anderen Orten untergebracht.

Bald verrichten der Wachmann, der Engel vom DRK und Herr Smith, die die Welt ein kleines bisschen besser gemacht haben, anderswo ihren Dienst.