Hagen. Der Museumsplatz vor dem Kunstquartier in Hagen ist ein stiller Ort. Wenn man Glück hat, lässt sich dort so manches erfahren.

Ich gehe an diesem Tag nicht durch die Eingangstür. Ich statte weder dem Osthaus- noch dem Schumacher-Museum in Hagen einen Besuch ab. Ich setze mich einfach auf eine Mauer im Schatten der Bäume vor dem Kulturtempel und warte darauf, dass etwas passiert.

Es geht sehr still und gemächlich zu an diesem Freitagnachmittag im Juni, eine Taube trippelt vorüber, eine Mitarbeiterin schleppt einen Blumenstrauß und einige prall gefüllte Drogerietüten ins Museum. Der Mülleimer vor dem Museum ist mit bunten Punkten übersät – es handelt sich um jene Aufkleber, die den Besuchern an die Kleidung geheftet werden und die offensichtlich viele von ihnen nicht in, sondern an dem Abfallkorb entsorgen.

Gedanken an Folkwang-Sammlung

Die Atmosphäre ist dazu angetan, einen leicht schläfrig zu machen und darüber nachzudenken, was hier wohl heutzutage los sein würde, wenn die Nachkommen von Karl-Ernst Osthaus die Folkwang-Sammlung nicht nach Essen verkauft hätten. Im Verwaltungsgebäude des Schumacher-Museums sind drei der bodentiefen Fenster geöffnet, doch im Erdgeschoss, wo sich einst das Novy’s befand, rührt sich nichts. Auch die Taube hat sich, nachdem sie festgestellt hat, dass bei dem Mann auf der Mauer nichts zu holen ist, verkrümelt. Ich bin wieder allein.

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© WP | Michael Kleinrensing

Endlich strebt ein Paar auf das Kunstquartier zu. Es handelt sich um einen Kinderarzt aus Bochum und seine Frau. Die beiden erzählen, dass sie öfter nach Hagen kommen, schon wegen der besonderen Architektur des Kunstquartiers, das Alt und Neu so harmonisch verbinde. Die Bilder von Emil Schumacher seien schwierig zu verstehen, berichten sie weiter, und dass sie keine Kunsthistoriker seien, aber die Farben seien auf jeden Fall expressionistisch und beeindruckend.

+++ Das Konzept der Sommerserie +++

Ja, einen Schumacher, auch wenn die Botschaft nicht zu entschlüsseln sei, würden sie sich gern ins Haus hängen, auch wenn das vermutlich nicht nur einen finanzielles, sondern auch ein Platzproblem mit sich bringen würde. Immerhin befinde sich ein Plakat mit der bekannten Zwiebel in ihrer Wohnung.

Das Kunstquartier an der Hochstraße mit Emil Schumacher Museum und Karl Ernst Osthaus Museum.
Das Kunstquartier an der Hochstraße mit Emil Schumacher Museum und Karl Ernst Osthaus Museum. © WP | Michael Kleinrensing

Schumacher-Fans also, die das Rentner-Dasein nutzen, um ihren Kunsthorizont zu erweitern. Die natürlich auch die Museen in ihrer Heimatstadt kennen und öfter nach Essen oder Düsseldorf fahren, um sich die dortigen Ausstellungen anzuschauen. Wer sich für Kunst interessiere, der könne schon so einiges erleben im Ruhrgebiet, sagen sie: „Hagen ist nicht konkurrenzlos.“

Den Bochumern folgt ein zweites Paar, beide in Schumacher-Blau gekleidet. Sodann erscheinen zwei schwer alkoholisierte Männer auf der Bildfläche, der eine zetert, der andere zieht einen Rollkoffer hinter sich her. Der Krach, den sie machen, zerreißt die Stille, bis sie schließlich über den Zebrastreifen die Fußgängerzone erreichen und verschwinden.

Die Besucher hinterlassen ihre Kleber gerne auf dem Mülleimer.
Die Besucher hinterlassen ihre Kleber gerne auf dem Mülleimer. © WP | Michael Kleinrensing

Aber ich soll an diesem Tag noch manches hinzulernen über die Kunst in Hagen. Mein Glück ist es, dass Rouven Lotz vorbeischlendert, der Direktor des Schumacher-Museums. Man kommt mit ihm schnell ins Gespräch, er erzählt gern und spannend. Zum Beispiel, dass Familie Osthaus einst im Folkwang-Museum wohnte, und zwar im zweiten Stock um den Bildersaal herum. Bis zur Geburt des vierten Kindes hat der Kunstmäzen mit seiner Familie hier gelebt, dann erfolgte der Umzug in den Hohenhof.

Freiatelier für Rohlfs

Auch dem Maler Christian Rohlfs hatte Osthaus im Hohenhof bis zu dessen Tod im Jahre 1938 ein Freiatelier eingeräumt. Karl Ernst Osthaus habe ja einen ganzheitlichen Ansatz verfolgt, berichtet Lotz, er habe sein ganzes Leben mit der Kunst prägen wollen: „Und seine Frau dachte ebenso.“

Es gebe auch heute noch solche Mäzenaten, die ihr Leben danach ausrichteten, mit Künstlern und der Kunst zu leben. Er kenne einen solchen Mann, der junge Künstler finanziell fördere und von sich sage, er sammele lieber Werke von Künstlern, mit denen er noch ein Bier zusammen trinken könne.

Man braucht sich gar nicht ins Kunstquartier hineinzubegeben. Man kann einfach auf einer Mauer im Schatten der Bäume sitzen und auch so eine ganze Menge über Kunst und Kultur in Hagen erfahren.