Hagen. Wie geht es mit den Themen Energie, Finanzen und der Innenstadt in Hagen weiter. In der Wahlarena fanden die Kandidaten diskutable Lösungsansätze

Wir sparen uns die Allgemeinplätze. Das Ewig-Gesagte, das auch schon alle Kandidaten bei der OB-Wahl (inklusive Sieger) oder bei der Bundestagswahl im vergangenen Jahr so seicht stehen ließen. Das große Blabla in einer Stadt wie Hagen. Stattdessen suchen wir nach dem Konkreten. Jene Dinge, auf die man als Politiker später auch festgenagelt werden kann. Die Wahlarena von WP, SIHK und Märkischem Arbeitgeberverband produzierte diese Inhalte nämlich gestern. Schade, dass keine 20 Zuhörer sich vor Ort im Saal der SIHK interessierten.

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Hagen bleibt zu wünschen, dass das persönliche Fernbleiben vieler Interessierter kein böser Fingerzeig ist, dass die Wahlbeteiligung hier erstmals unter 40 Prozent rutscht. Bei OB- und Kommunalwahl 2020 war das fast passiert. Das ist demokratieschwächend und sorgt für zumindest fragwürdige Legitimationen von Amtsträgern. Der Stream zur Wahlarena ist in den kommenden Tagen weiterhin auf den Internetseiten der Veranstaltergemeinschaft abrufbar. Das hilft bei der Meinungsfindung. Und bei der Diskussion.

Alexandra Gerull (Grüne ) am Mikrofon. Sie gilt als Bildungsexpertin.
Alexandra Gerull (Grüne ) am Mikrofon. Sie gilt als Bildungsexpertin. © WP | Michael Kleinrensing

Ein Schnitt als Katastrophe

Denn die gab es erfreulicherweise rund um drei ganz große Themen in Hagen. Das erste ist das liebe Geld. Klamm, klammer, Hagen. Mit knapp über einer Milliarde Euro Verbindlichkeiten hat diese Stadt so viel Investitionsspielraum wie Andreas Geitz (AfD) Verständnis fürs Gendern. Das wird hier nicht vertieft, war neben der Ablehnung der gendergerechten Sprache (Geitz: „Das muss man mal Migranten erklären“) und seinem Lied auf „ideologiefreies Lernen“ aber auch schon das Einzige, mit dem er sich inhaltlich so recht abhob. Außer, dass die Atomkraftwerke wieder hochgefahren werden sollen. Das kann er sich wohl abschminken.

Jens Stubbe, Leiter der Stadtredaktion Hagen, moderierte mit Ralf Geruschkat von der SIHK die Veranstaltung.
Jens Stubbe, Leiter der Stadtredaktion Hagen, moderierte mit Ralf Geruschkat von der SIHK die Veranstaltung. © Michael Kleinrensing

Also das Geld. Mehr noch: das Geld, das Hagen nicht mehr hat. Die Altschulden. Wobei das ein verwirrendes Wort ist. Die Schulden sind so neu wie sie alt sind. Aber gut. Nun wurde bei der Wahlarena sehr deutlich, dass ein Schnitt kein Fonds ist und umgekehrt. „Ein Schnitt der Schulden wäre eine Katastrophe“, sagt Dennis Rehbein (CDU) und dabei ist es sehr einordnend, dass er gelernter Bankkaufmann ist. „Wenn es einen Schuldenschnitt gibt, dann kriegt keine der betroffenen Kommunen mehr Kredite bei den Banken. Ein Fonds ist daher die richtige Lösung. Mein Thema ist aber auch: Wie kriegen wir die Kommunen ins Boot, die nicht überschuldet sind? Da wird es Geschenke geben müssen.“

Alexandra Gerull (Grüne) nickte. Auch sie wolle eine derartige Fonds-Lösung, die bei den Kommunen nur die Zinsen übrig lasse. Und Lars-Peter Hegenberg (FDP) spannte den Bogen auch in die Region. Hagen als Oberzentrum biete Infrastruktur für umliegende Kommunen, deren Haushaltslage viel entspannter ist. Beispiel Breckerfeld. „Die fahren in unser Theater und in unser Schwimmbad“, sagt Hegenberg. „Zahlen tun wir das.“

Ralf Geruschkat, Geschäftsführer der SIHK, ist erfahrener Wahlarena-Moderator.
Ralf Geruschkat, Geschäftsführer der SIHK, ist erfahrener Wahlarena-Moderator. © Michael Kleinrensing

Dass Wolfgang Jörg (SPD) für den Altschuldenfonds ist, ist derweil nicht neu. Er wolle ein breites Bündnis dafür schaffen. Gut. Aber: Das gibt es schon. Und zur Ehrlichkeit gehört: Jörg kann schon seit Jahren direkt Einfluss in Düsseldorf als Abgeordneter nehmen.

Was auch für ihn neu(er) ist, sind energiepolitische Felder, die sich immer schneller öffnen – nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs. „Wir brauchen eine Logistik für Wasserstoff. Ähnlich wie es nach dem Krieg beim Aufbau des Gasleitungsnetzes war“, sagt Wolfgang Jörg. Sieht auch Dennis Rehbein so. Er will Photovoltaik-Anlagen noch viel stärker fördern, genau wie Alexandra Gerull unter anderem. „Was mir zu kurz kommt gerade, ist, dass Heizen für den ganz normalen Hagener viel energetischer werden muss. Da müssen wir dran“, so Rehbein.

Dennis Rehbein ist Landtagskandidat der CDU in Hagen.
Dennis Rehbein ist Landtagskandidat der CDU in Hagen. © Michael Kleinrensing

Alexandra Gerull stammt gebürtig aus Celle. Einer Stadt, die, wie sie sagt, von ihrer Innenstadt her mit Hagen gar nicht vergleichbar sei. „Sie hat eine Verweilqualität, die durch so Faktoren wie Architektur und Kultur entsteht“, sagt sie und blick gleichzeitig auf die Hagener Innenstadt. Über intensive Landesförderungen wolle sie genau diesen Umbau angehen.

Andreas Geitz tritt für die AfD im Hagener Wahlkreis an.
Andreas Geitz tritt für die AfD im Hagener Wahlkreis an. © Michael Kleinrensing

Lars-Peter Hegenberg (FDP) sieht mit Blick auf die Hagener City auch ein Bundes- und Landesversagen und erinnert an das Konnexitätsprinzip. Oder stammtischartiger: Wer Musik bestellt, der muss sie auch bezahlen. „Wenn man will, dass in die Innenstädte investiert wird, dann muss man Geld dafür geben. Hagen hat es zumindest nicht.“

Etwas skurril mag da Wolfgang Jörgs Vorschlag erscheinen, dass Hagen auf Paris gucken solle. Dort seien Citys oder Kiez-Zentren keine Einkaufszonen mehr, sondern Gemische aus Handwerk, Innovation, Gastronomie und mehr. Wenn er übrigens sagt, dass man die „City neu erfinden müsse“, dann ist er gar nicht so weit weg von Alexandra Gerull, der es um Verweilqualität geht. Ein spannender, innovativer Ansatz insgesamt – unabhängig von Parteiprogrammen.

Lars-Peter Hegenberg ist Zahnarzt und tritt für die FDP im Hagener Wahlkreis an.
Lars-Peter Hegenberg ist Zahnarzt und tritt für die FDP im Hagener Wahlkreis an. © Michael Kleinrensing

Der Umgang mit Gewerbeflächen

Übrigens auch dieser, der sich auf das Themenfeld Gewerbe- und Industrieflächen bezieht. Dennis Rehbein, selbstständig als Finanzberater, hat eine gute Verbindung zum Unternehmen Hagener Feinstahl von Geschäftsführer Ingo Bender. „Nehmen wir ihn mal als konkretes Beispiel. In seiner Nachbarschaft ist zunächst eine Burger-King-Filiale platziert worden, daneben die nächste Tankstelle, die wir perspektivisch in der Dichte gar nicht brauchen und eine Spielhalle. Ist das die Hagener Vorstellung, wie wir mit unseren Gewerbeflächen umgehen wollen?“ Erfolgreiche Firmen, die der Stadt auch etwas bringen, sollten sich lieber ausweiten dürfen in solchen Bereichen.

Lars-Peter Hegenberg will genau wie Alexandra Gerull Brachflächen reaktivieren und macht das RVR-Fass auf. Gemeint ist der Regionalverband Ruhr, der für seine Mitglieder Flächennutzungspläne ausweist. „Wir hätten da 2014 aussteigen können. So bleiben wir die Stadt am Rande des RVR Gebiets, der für uns nichts auf die Kette kriegt.“ Darin steckt der Wunsch nach Autonomie.

Übrigens hat Wolfgang Jörg (SPD), so sagt er, vor knapp zehn Jahren 800.000 Euro aus Landestöpfen besorgt, um das alte Krupp-Werk 4 in der Nahmer abzureißen: „Bis heute ist da nichts passiert.“ Auch eine Hagener Realität.

In den kommenden Ausgaben werden wir die Wahlarena-Themenfelder Bildung, Integration, Verkehr und mehr beleuchten.