Hagen. Seit vier Wochen hat die CDU Hagen einen neuen Kreisvorsitzenden. Im Gespräch erzählt Dennis Rehbein (32), wohin er die Partei führen möchte.

Mit einem 95-Prozent-Ergebnis wurde Dennis Rehbein vor vier Wochen zum neuen CDU-Kreisvorsitzenden und Nachfolger von Christoph Purps gewählt. An diesem Wochenende nominierte die Partei den 32-Jährigen zudem mit 91,7 Prozent der Delegiertenstimmen zu ihrem Landtagskandidaten. Im Gespräch mit der Stadtredaktion macht der selbstständige Finanzmakler erstmals ausführlicher deutlich, wie er künftig die Hagener CDU in der Stadt positionieren möchte.

Frage: Vergangenes Jahr um diese Zeit waren Sie in Hagen noch Prinz Karneval, jetzt sind Sie CDU-Vorsitzender – was ist das denn für eine Strategie?

Dennis Rehbein: Ich glaube, das eine hat mit dem anderen gar nicht viel zu tun. Das sind zwei Themen die mich schon länger begleiten. Karneval und Brauchtum sind durch meine Familie schon seit Kindesbeinen ein wichtiges Thema für mich. Ich bin auch weiterhin Vorsitzender der Karnevalsgesellschaft Grün-Weiß Vorhalle und im Karneval aktiv. Das Thema Politik begleitet mich aber ebenso schon einige Jahre, allerdings überwiegend im Hagener Norden. Da steckt also keine Strategie oder gar Kalkül dahinter, von dem einen zum anderen zu wechseln, sondern es sind zwei Themen in meinem Leben, die bedingt durchaus etwas miteinander zu tun haben. Man glaubt nämlich kaum, wie viel Politik auch im Karneval steckt.

Also gibt es doch Parallelen zwischen Politik und Narretei?

In gewisser Weise schon. Denn beides hat mit Menschen zu tun, und wo Menschen sind, gibt es Befindlichkeiten – und die muss man unter einen Hut bringen. Der große Unterschied sind natürlich die ganz verschiedenen Adressatenkreise, aber in der internen Struktur gibt es schon einige Parallelitäten.

Haben Sie im Dezember 2020 denn zumindest schon geahnt, dass Sie zwölf Monate später CDU-Kreisvorsitzender sind?

Nein. Gereift ist diese Idee dennoch schon über einen längeren Zeitraum. Ich habe bereits in den vergangenen Jahren nicht alles als rund empfunden, was in der Partei gelaufen ist.

Was meinen Sie konkret?

Merz als Übergangschef

Merz, Braun oder Röttgen – wer war ihr Favorit für die Laschet-Nachfolge?

Alle drei Bewerber waren schwierig. Keiner ist für mich im Moment die entscheidend richtige Person an der Stelle des Parteivorsitzenden, weil keiner für den Neuanfang und Aufbruch steht. Ich selbst habe mich bei der Abstimmung für Merz entschieden, weil ich glaube, dass er die richtige Person ist, die der Partei wieder die notwendige Struktur verpassen kann, die sie gerade in der Opposition jetzt braucht. Ich persönlich glaube aber, dass das nur eine Übergangslösung sein darf.

Südsee oder Südtirol?

Beides hat sicherlich seinen Charme, aber ich persönlich würde mich wohl für Südtirol entscheiden, weil ich gerne Skifahren gehe und nicht der Typ bin, der 14 Tage Strandurlaub macht.

Filet oder Vegetarisches?

Filet. Ich esse zwar auch gerne Gemüse, aber wenn ich essen gehe, dann bestelle ich das Filet. Wenn ich abends nach Hause komme, und das ist in den letzten Wochen häufig sehr spät, ist es klug, kein Fleisch zu essen, denn dann kann man nicht gut schlafen.

Nach meiner Wahrnehmung sind es vor allen Dingen die Kommunikationsthemen innerhalb der Partei. Informationen sind nicht überall angekommen, und es gab kaum Parteileben außerhalb von Wahlkämpfen. Als Mitglied hatte ich öfter das Gefühl, dass ich bei Wahlkämpfen zwar wichtig bin, ansonsten es aber besser ankommt, wenn man mich nicht sieht. Und wenn dann der nächste Wahlkampf kommt, dann braucht man mich wieder. Dieses Gefühl hat mich nicht zufrieden gemacht. Irgendwann stellt sich dann die Frage, ob man aus der Partei austreten will, weil es einen inhaltlich nicht wirklich weiterbringt, oder ob man etwas ändert. Jetzt bin ich nicht der Typ, der meckert, um des Meckerns Willen. Das fand ich schon in den Vereinen schrecklich. Daher habe ich irgendwann die Idee entwickelt, selbst die Verantwortung zu übernehmen. Und als dann noch das Signal von meinem Vorgänger Christoph Purps kam, eventuell eine neue Rolle im Kreisvorstand übernehmen zu wollen, wurden diese Überlegungen konkret.

Dann ist die jetzige Konstellation mit Ihnen als Vorsitzendem und Herrn Pups als Vize quasi ihre Wunschvorstellung?

Ja, durchaus. Ich habe schon darauf gedrängt, dass von dem Wechsel auch ein klares Signal ausgeht. Eine Stellvertreter-Rolle wäre da für mich nicht klar genug gewesen. Dass Herr Purps nach zehn Jahren komplett aus dem Kreisvorstand ausscheidet, wäre für mich aber auch nicht vorstellbar gewesen. Sicherlich brauchen wir neue Impulse, aber alte Erfahrungen sind genauso wichtig. Daher bin ich sehr froh, dass ich mit Christoph Purps einen Stellvertreter habe, den ich jederzeit anrufen kann, falls ich mal noch einen Tipp brauche. Ein solcher Sparringspartner ist für Rückkopplungen durchaus wichtig. Denn das Wort eines Kreisvorsitzenden hat durchaus ein anderes Gewicht als eine Äußerung im Karneval.

Wo wird man denn in einem Jahr die Rehbein-Handschrift schon sehen können?

Für mich gibt es da zwei Ebenen zum einen die interne Sicht, aber auch die externe Sicht für Hagen. In der internen Sicht glaube ich, dass man in einem Jahr sagt, dass eine andere Kommunikationskultur etabliert wurde. Dabei geht es vor allem um die schnellere Weitergabe von Informationen, was wir auch durch die Nutzung weiterer Medien vorantreiben wollen. Extern, also in der Wirkung für den Bürger, die Medien, aber auch die Verwaltung, sollte es ein politischeres Arbeiten der CDU wieder geben. Wir sollten mehr Impulse für die Stadt geben und zugleich so transparent sein, dass deutlich wird, warum wir so handeln. Jede politische Gruppe in dieser Stadt, das unterstelle ich, will ja nur das Beste für Hagen. Aber wir müssen das besser erklären, warum die eine oder andere Entscheidung so getroffen wird. Hier muss sich einiges tun, denn es gibt zu viele Weichenstellungen, bei denen die Menschen die Beweggründe nicht mehr nachvollziehen können. Dazu gehört vor allem, dass wir offenere Ohren dafür haben müssen, was tatsächlich wichtig für diese Stadt und ihre Menschen ist. Daher sollten wir das nächste Jahr dafür nutzen, jene Themen einzusammeln, die die Bürger an den unterschiedlichen Standorten tatsächlich beschäftigen.

Mit Dennis Rehbein (32) führt ein Mann die CDU-Hagen, der zugleich noch Mitglied der Jungen Union ist. 
Mit Dennis Rehbein (32) führt ein Mann die CDU-Hagen, der zugleich noch Mitglied der Jungen Union ist.  © WP | Michael Kleinrensing

Zuletzt hat die CDU sich bei ihrem inhaltlichen Wirken gerne hinter der Agenda „Hagen 2030“ verschanzt. Hat dieses Grundsatzpapier letztlich ein wenig dafür gesorgt, dass das politische Weiterdenken eingeschlafen ist?

Grundsätzlich glaube ich das nicht. Dieses Strategiepapier war sicherlich eine gute Idee und auch eine richtige Herangehensweise.

Es darf aber nicht zum Stillstand führen...

Ja, das stimmt. Ich vermisse ebenfalls ein wenig die Weiterentwicklung. Denn gerade Corona und das Hochwasser haben uns gezeigt, dass nichts vergänglicher ist als der Status quo. Es gilt die Agenda 2030 immer neu herauszufordern und anzupassen. Wir haben das Glück viele Mitglieder zu haben, die sich hier mit neuen Perspektiven einbringen. Eine Vision ist schön, aber man muss stets auch die Frage beantworten, wie man diese umsetzt. Sicherlich fehlte unserer Partei in der Vergangenheit ein Stück weit das, was das die SPD manchmal zu viel hat, nämlich eine ordentliche Diskussionskultur. Wir müssen auch wieder andere Meinungen zulassen. Nur wenn wir wieder mehr miteinander diskutieren, können wir daraus auch gute Vorschläge für Hagen entwickeln. Politische Arbeit darf nicht bloß der Fraktion vorbehalten sein, sondern diese kann auch mal konstruktive Impulse aus der Partei vertragen.

Hat es diesen inhaltlichen Austausch zwischen Partei und Fraktion zuletzt denn überhaupt noch gegeben?

Diesen Zweifel kann ich in Teilen sogar nachvollziehen. Ich habe in meiner neuen Rolle deshalb an den beiden letzten Fraktionssitzungen teilgenommen und mich auch schon eingemischt. Wir müssen in Zukunft sicherlich wieder deutlicher machen, dass es eine Partei CDU und eine Fraktion CDU gibt. Dabei geht es keineswegs um ein gegeneinander, sondern um ein sich gegenseitiges Befruchten. Hier bin ich mit CDU-Fraktionschef Jörg Klepper bereits im engen Austausch.

Welche Bedeutung spielt hier die Allianz? Würden auch Sie für dieses Bündnis in der Zukunft kämpfen?

Das ist für mich ein sehr wichtiges Thema. Im Januar möchten wir uns mit den Parteivorständen von Grünen und FDP mal zusammensetzen. Letztlich steht dabei immer die Frage im Mittelpunkt, wie wir in Hagen Mehrheiten gestalten können, um unsere politischen Interessen umzusetzen. Denn dass die CDU kurz- oder mittelfristig die absolute Mehrheit in Hagen erhält, halte ich zunächst einmal für ausgeschlossen. Bei der SPD sehe ich es derzeit nicht, dass wir Mehrheiten zusammenbekommen, bei denen sich beide Parteien inhaltlich abgeholt fühlen. Daher ist der Weg mit der Allianz für mich zurzeit durchaus der richtige.

Aber sendet die politische Großwetterlage aus Berlin und Düsseldorf denn nicht gerade ganz andere Signale?

Vorhaller der an der CDU-Spitze

Seit vier Wochen ist Dennis Rehbein neuer Kreisvorsitzender der CDU Hagen. Das Mitglied der Ortsunion Vorhalle gehört der Partei seit zehn Jahren an.

Der gebürtige Hasper wohnte zunächst in Wehringhausen, wo er auch die Emil-Schumacher-Grundschule besuchte.

Anschließend legte er seine Abiturprüfungen am Fichte-Gymnasium ab und absolvierte direkt im Anschluss eine Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Sparkasse in Wetter.

Danach führte ihn sein beruflicher Werdegang, zu dem ein Betriebswirtschaftsstudium bei der Sparkassen-Akademie in Bonn zählte, über Herdecke und Frankfurt wieder zurück nach Hagen.

Seit Juli 2021 ist Rehbein Geschäftsführende Gesellschafter eines Hagener Finanzmaklerbüros. Er lebt mit seiner Frau Doreen in Vorhalle.

Der 32-Jährige, der in Hagen auch schon als Karnevalsprinz agierte, ist zugleich Vorsitzender der KG Grün-Weiß Vorhalle.

Ja, das ist so. Auch für die Mehrheit in NRW werden wir auf Landesebene intensiv kämpfen müssen. Und zur Wahrheit gehört auch, dass die Bundestrends häufig bis auf die untersten politischen Ebenen durchschlagen. Dennoch glaube ich, dass es besonders wichtig ist, wie man in der Stadt zusammenkommt und was für Hagen der beste Weg ist. Für diese Stadt haben wir als CDU gute Arbeit geleistet und wichtige Themen vorangebracht. Das gilt ebenso für die anderen Allianzpartner. Daher sollte man sich durch andere Entwicklungen in der Republik nicht verunsichern lassen.

Könnten Sie sich auch mal wieder einen Hagener Oberbürgermeister mit CDU-Stallgeruch vorstellen?

Vorstellen kann ich mir da erst mal eine ganze Menge. Das ist sicherlich auch ein Thema, das wir angehen müssen.

Das klingt jetzt nicht gerade wie ein Treuschwur für Erik O. Schulz...

Doch, doch – wir haben mit Erik O. Schulz einen guten Oberbürgermeister und wir stehen als CDU vollkommen hinter Herrn Schulz. Die erste Frage ist, ob er noch einmal antritt. Wenn ja, dann werden wir ihn weiterhin voll unterstützen, auch mit dem Thema Allianz. Unabhängig davon brauchen wir aber natürlich zukünftig auch wieder mehr Gesichter, die die CDU repräsentieren und verkörpern – auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene.

In Hagen kommt derzeit das Wehklagen vorzugsweise aus den Stadtteilen die sich zunehmend abgehängt und nicht mehr ausreichend gewürdigt fühlen. Gerade Sie als Vorhaller kennen diese Debatten zu genüge. Ist das ein Thema, dem die CDU sich widmen wird?

Grundsätzlich ist es natürlich unsere Überzeugung, dass Hagen lebenswert sein muss. Das geht letztlich aber nur über eine gesamtstädtische Entwicklung, da dürfen wir einzelne Stadtteile keinesfalls vernachlässigen. Ich verstehe, dass manche Bürger zurzeit das Gefühl haben, dass vor ihrer Haustür zu wenig bewegt wird. Speziell bei uns in Vorhalle fühlen sich tatsächlich viele vernachlässigt und thematisieren den Stillstand – sowohl beim Thema Einkaufsmöglichkeiten als auch bei der Verkehrssituation. Hier müssen wir eben wieder viel näher an die Bürger heranrücken, nicht bloß in Wahlkampfzeiten. In unseren Reihen entstehen gerade Ideen und Konzepte wie wir das besser machen können, sobald Corona das zulässt. Dabei dürfen die planungsrechtlichen Themen und Budgetfragen natürlich nicht außer Acht gelassen werden.

Diesen Vorbehalt hört man immer wieder. Ist es nicht an der Zeit, das Nadelöhr Bauverwaltung endlich personell so zu stärken, dass die Prozesse hier beschleunigt werden?

Zunächst einmal ist das ein Thema der Verwaltung. Dennoch ist es Rolle der Politik, hier Impulse zu geben und Forderungen zu formulieren. Ob es letztlich immer das Personalthema ist, weiß ich gar nicht. Oft sind es auch Prozesse und Abläufe oder das Thema Digitalisierung, um die Themen voranzubringen. Baugenehmigungen sind definitiv eine Katastrophe in Hagen. Hier muss man dringend für Beschleunigung sorgen. Häufig ist es aber auch das Zuständigkeitswirrwarr zwischen Stadt, Land und Bund, beispielsweise bei Verkehrsthemen, das die Abläufe ausbremst.

Mit dem neuen Kreisvorsitzenden Denise Rehbein soll das Thema Transparenz eine größere Bedeutung erhalten. Welche Rolle wird dabei Social Media spielen?

Das persönliche Gespräch zwischen Menschen wird in der Politik sicherlich immer das zentrale Medium sein. Dennoch möchten wir Social Media ein neues Gewicht verleihen. Über diesen Weg möchten wir jene Leute abholen, die wir über den klassischen Marktstand nicht bekommen. Hier blicken wir natürlich vorzugsweise auf die jüngere Generation und sehen zugleich die Chance, schneller Stimmungen einzufangen und schneller reagieren zu können.

Zuletzt hat man in Hagen relativ wenig von der Jungen Union wahrgenommen. Erhält der Partei-Nachwuchs über die Social-Media-Aktivitäten eine neue Plattform?

Die Junge Union mit dem neuen Vorsitzenden Max Tammen an der Spitze muss sich vor allen Dingen der Herausforderung stellen, viele neue, noch sehr junge Gesichter an die politische Arbeit heranzuführen. Umgekehrt muss man natürlich feststellen, dass die Junge Union, deren Mitglied ich ja auch noch bin, zurzeit bei der Hagener CDU im Vorstand den Kreisvorsitzenden und die Schriftführerin stellt. Sie hat also durchaus ihr Gewicht. Der aktuelle Generationsumbruch in der Jungen Union bietet zudem die Chance, die etablierte Partei zu fordern und Themen zu platzieren. Im Hinblick auf die Social-Media-Aktivitäten sind die Mitglieder der Jungen Union aber natürlich eine wichtige Säule.