Hagen. Ricarda Waßmuth aus Hohenlimburg hat zwei Frauen und einen Hund aus der Ukraine bei sich aufgenommen. Wie das Zusammenleben funktioniert.

Eigentlich hätte Barbos gar nicht nach Deutschland einreisen dürfen. Larysa Yukhno (53), seine Besitzerin, konnte keine gültige Impfung gegen Tollwut nachweisen, und gechipt war der Malteser auch nicht.

Ausnahmeregel für Tiere

Doch wie für die Menschen, die vor dem Krieg aus ihrer Heimat flüchten, so gilt auch für deren Tiere derzeit eine Ausnahmeregelung. Die deutschen Behörden sehen großzügig über die ansonsten strengen Bestimmungen beim Grenzübertritt hinweg und gestatten den Flüchtlingen, ihre Haustiere mitzubringen. „Wir können und wollen die Tiere nicht den ohnehin schon traumatisierten Menschen wegnehmen“, sagt Fabienne Boettcher, Tierärztin bei der Stadt Hagen.

Barbos und sein Frauchen hatten doppeltes Glück. Sie entkamen nicht nur den Bomben und Kugeln der Russen, sondern fanden gleich ein Zuhause. Ricarda Waßmuth nahm die beiden sowie Liudmyla Terekhova (49), eine Freundin von Larysa Yukhno, bei sich in Hohenlimburg auf. „Die Leute brauchen doch ein Zuhause, deshalb habe ich da gar nicht länger darüber nachgedacht“, sagt die Grundschullehrerin, die genug Platz im Haus hat.

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Zusammenleben funktioniert

Das Zusammenleben mit den Gästen aus der Ukraine funktioniert. Die drei Frauen essen regelmäßig zusammen, der Neffe von Ricarda Waßmuth kommt täglich vorbei und erteilt den Ukrainerinnen Deutschunterricht. Vor allem aber Barbos wirkte von Anfang an wie ein Bindeglied, denn Ricarda Waßmuth hat auch einen Hund: die siebenjährige Fida, die sie einst über eine Agentur aus Rumänien adoptierte. „Die beiden Hunde verstehen sich prächtig“, berichtet Ricarda Waßmuth. Und da Haustiere ihren Besitzern immer Gesprächsstoff bieten, tragen die Hunde enorm dazu bei, dass die Hohenlimburgerin mit den ihr völlig fremden Flüchtlinge nach kurzer Zeit bestes zurechtkam.

Impfungen nachgeholt

Bevor Barbos allerdings mit Fida spielen durfte, wurde ihm der vorgeschriebene Mikrochip eingepflanzt und die versäumte Auffrischungsimpfung gegen Tollwut nachgeholt. Erst nachdem sichergestellt war, dass kein Infektionsrisiko mehr bestand, wurde seine Quarantäne aufgehoben. Hierzu war allerdings bei dem Hund noch eine Blutuntersuchung erforderlich, die frühestens 30 Tage nach der Tollwut-Impfung durchgeführt werden kann. Sie dient dem Nachweis, dass die Impfung zur Bildung eines ausreichenden Tollwut-Antikörper-Titers geführt hat. Ist der Wert ausreichend hoch, wird der Hund aus der Isolierung unter amtlicher Beobachtung entlassen.

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Hund ist wichtiger Halt

Für Larysa, deren Mann in der Ukraine geblieben ist, bedeutet der Hund nach der traumatischen Flucht natürlich einen wichtigen Halt in der neuen Umgebung.

In Hagen sind mit der Flüchtlingswelle aus der Ukraine insgesamt 45 Tiere registriert worden – bis auf einen Wellensittich ausschließlich Hunde und Katzen. Da die Ukraine als Risikogebiet für Tollwut gilt, müssen die Tiere auf ihren Tollwutstatus getestet werden. Die Untersuchung stellt sicher, dass die Tiere nicht unerkannt Erreger ins tollwutfreie Deutschland einschleppen.

Hunde und Katzen, die von den Flüchtlingen mitgebracht werden, müssen daher zunächst zwingend in Quarantäne. Solange bis eine Impfung gegen die tödlich verlaufende und auch auf den Menschen übertragbare Viruserkrankung nachgewiesen oder nachgeholt ist, dürfen sie keinerlei Kontakt zu anderen Tieren oder fremden Menschen haben. Eine Ausnahme gilt für Hunde: Sie können an einer kurzen Leine und mit großem Abstand zu anderen Lebewesen ausgeführt werden.

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Viele Haustiere mitgebracht

„Der Idealfall wäre es sicherlich, die Tiere zunächst im Tierheim zu isolieren“, sagt Veterinärin Boettcher: „Aber das ist angesichts dieser Menge gar nicht machbar, deshalb ist eine häusliche Isolierung ebenfalls statthaft.“ Eine Situation wie im Falle der beiden bei Ricarda Waßmuth lebenden Ukrainerinnen sei natürlich für alle Beteiligten der Idealfall.

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft geht davon aus, dass das Risiko einer Tollwuteinschleppung durch Hunde und Katzen im Zuge der ukrainischen Flüchtlingswelle gering ist. Auch Fabienne Boettcher hält die geltende Ausnahmeregelung für einen akzeptablen Kompromiss: „Für die Veterinärämter ist das zwar eine große Herausforderung, aber die nehmen wir gern an.“ Schließlich müsse man froh sein um jedes Haustier, das nicht einfach in der Ukraine zurückgelassen werde.

Gesundheitsstatus überprüfen lassen

Tierhalter aus der Ukraine können mit ihren Heimtieren bis auf Weiteres aus der Ukraine einreisen, ohne vorab eine Genehmigung im Einklang mit den bestehenden Verordnungen beantragen zu müssen.

Die Flüchtlinge werden gebeten, sich mit der lokalen Veterinärbehörde in Verbindung zu setzen, um den Gesundheitsstatus des Tieres im Hinblick auf die Tollwut bestimmen und ggf. Maßnahmen einleiten zu können (Isolierung, Antikörper-Titer Bestimmung, Tollwut-Impfung, Mikrochipping, Ausstellung Heimtierausweis).