Hagen-Mitte. Vier Monate vor I-Männchen-Start. Ein Gespräch im Fachcenter darüber, warum ein Ranzen heute 250 Euro kostet und worauf man wirklich achten muss.

Es gibt ihn noch. Aber er wirkt irgendwie ein bisschen museal. So wie die Nokia-Handys, die Ende der 1990er-Jahre alle in der Tasche hatten. Bis vor zehn oder zwölf Jahren war der „Scout“, der Marktführer unter den Schulranzen. „Und seine Qualität ist auch immer noch super“, sagt Stefanie Kranz, die an der Frankfurter Straße das gleichnamige und in der Region sehr geschätzte Schulranzen-Fachcenter betreibt. Ein Gespräch vier Monate vor der nächsten i-Männchen-Runde. Darüber, dass das Internet das Ranzen-Segment nie verdrängen konnte, warum ein Tornister 250 Euro kostet und wer heute den Markt anführt. (Verpassen Sie keine Nachrichten mehr aus Hagen: Der WP-Newsletter)

Online-Handel ist keine Gefahr

Hunderte Kinder besuchen jedes Jahr das Geschäft der Familie Kranz, in dem ein mehrköpfiges Team intensive Beratung anbietet. Womit wir schon dabei wären, warum Amazon und Co. dem Laden nie wirklich das Wasser reichen konnten. Die Familie lässt intensiv und individuell beraten, bietet die aktuellsten Marken und Trends und gibt – entgegen vielen anderen Anbietern – eine vierjährige Garantie.

Beratungsgebühr gibt es bei Kauf zurück

Dazu kommt, dass Stefanie Kranz mit ihrem Team beschloss, während der Pandemie feste Beratungs-Zeitfenster für jeden Kunden einzurichten, die vorher vereinbart werden. Dazu eine Beratungsgebühr von 15 Euro, die bei Kauf nicht fällig wird. „Unsere Zeit ist knapp und wir wollen hohe Qualität bei der Beratung bieten“, sagt Stefanie Kranz, „und ich finde, dass Einzelhändler es nicht einfach so durchgehen lassen müssen, wenn Kunden sich im Geschäft nur Preise einholen, um dann zu versuchen, im Netz günstiger zu kaufen.“

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Interessant ist im Umkehrschluss laut Stefanie Kranz, dass die Marken alle nur groß werden konnten durch den Fachhandel. Kaum eine Branche könne das sagen. Und jener Fachhandel sei, wenn er gut sei, saisonal so gefragt, dass es völlig unerheblich sei, wo sich das Geschäft befinde. Also in A-, B- oder C-Lage. „Die Kunden nehmen den Weg auf sich. Umgekehrt bedeutet das natürlich, dass du dich selbst in der Qualität der Beratung immer steigern musst und das Team sich fortbilden muss.“

Ergonomische Weiterentwicklung

Der eingangs erwähnte Scout steht immer noch in den Regalen. Er hat nichts mehr zu tun mit der Variante, in der man vor 20 Jahren noch jedes Buch im Rücken gespürt hat und wo Komplett-Sets noch 150 D-Mark gekostet haben.

Eine riesige Industrie: Hunderttausende Schulranzen werden jedes Jahr in Deutschland verkauft.
Eine riesige Industrie: Hunderttausende Schulranzen werden jedes Jahr in Deutschland verkauft. © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

Dennoch haben ihm andere Marken den Rang abgelaufen. Allen voran: Step by Step, das meistverkaufte Modell im Ranzen-Fachcenter. Knapp 1,1 Kilogramm Leergewicht. Drehgriffsystem im Inneren, um Rückenlängen auszugleichen, höhenverstellbare Brustgurte, ein mitwachsendes System, wenn man will beleuchtet, vorgeformte Rückenpolster und sogar Auslaufösen, wenn die Milch oder das Trinkpäckchen im Tornister ausgelaufen sind.

Wie die Firma Ergobag entstand

Ähnlich gut auch die Ranzen der Firma Ergobag, deren Gründer laut Stefanie Kranz die ganze Revolution im Ranzen-Wesen überhaupt erst angestoßen hatten. Auf einer Feier hatten sie von einer Ranzen-Party gehört. Ein Format, das zum Verkauf der Ranzen genutzt wird. Eine befreundete Physiotherapeutin gab dann den entscheidenden Impuls, als sie erklärte, dass viele Ranzen Haltungsschäden verursachen würden und dass das Gewicht auf die Hüften verteilt werden müsse. Daraufhin wurde das Unternehmen gegründet.

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„Das erklärt in gewisser Weise auch, warum die Preise für Ranzen immer wieder gestiegen sind. Es gibt ständige ergonomische Weiterentwicklung und die Nachhaltigkeit der Materialien spielt heute eine riesige Rolle“, sagt Stefanie Kranz. Danach habe vor 15 Jahren gar keiner gefragt.

Kinder werden vermessen

In der Beratung vor Ort werden die Kinder vermessen, vor allem die Rückenlänge ist entscheiden. „Das Gewicht, das die Kinder hinterher tragen, liegt insgesamt bei etwa vier Kilogramm. Es muss eng am Körper anliegen“, sagt Stefanie Kranz. Wichtig dabei: Schulterhöhe ist Ranzenhöhe.

Im Laden wird der perfekte Halt des Ranzens unter unterschiedlichen Bedingungen getestet. Stehen, rennen, hüpfen, sitzen und so weiter. „Wer das passgenaue Modell findet, der ist auf jeden Fall vier Jahre lang gut ausgestattet“, sagt Stefanie Kranz. In wenigen Fällen kämen Kunden jährlich und würden immer wieder neue Tornister für die Kinder kaufen.

Die Reklamationsraten sind gering. „Das bestätigt uns auf unserem Weg“, sagt Stefanie Kranz. Beratung vor Ort, hohe Qualität, lange Garantie, Ansprechbarkeit. So ist das Beispiel des Ranzen-Fachcenters irgendwie auch ein Beweis, dass die Online-Welt vieles leichter, aber eben nicht unbedingt besser gemacht hat.