Hagen-Mitte. Bei einem Wahlkampf-Auftritt in Hagen nimmt NRW-Innenminister Stellung zu Hagens Problemvierteln. Und nimmt die Stadt in die Verantwortung.
Herbert Reul (69) tingelt gerade durchs Land und macht Wahlkampf. Der NRW-Innenminister erzählt dabei ziemlich oft das Gleiche und hat nahezu immer den heimischen Landtagskandidaten und irgendwelche Ratsfraktionschefs neben sich sitzen. Die sollen von der Macht der Bilder mitprofitieren. Noch dazu, weil es sich bei Reul – unabhängig davon, wie falsch oder richtig er in vielen Fällen entschieden hat – um einen Politiker handelt, der sich in den vergangenen fünf Jahren als Durchgreifer einen Namen gemacht hat. Auch in Hagen. Gestern aber hat er Druck weitergegeben, als seine Tour in hier in der Neuen Färberei stoppte. Es geht um die Problemviertel Altenhagen und Wehringhausen. (Lesen Sie auch: Herbert Reul legt Grundstein für neues Polizeipräsidium in Hagen)
Viel Eigenlob, viel Erwartbares
Wie Herbert Reul sich und seine Arbeit in den vergangenen Jahren fand, das lassen wir an dieser Stelle weg. Wer seinen Namen aktuell googelt, findet eine Vielzahl von lokalen Berichten zwischen Mönchengladbach und Herne und darin, was der Innenminister so erzählt. Oft das Gleiche, viel Eigenlob, viel Generelles.
Mit Hagen aber hat er durchaus nennenswerte Berührungspunkte. Seine „Politik der Nadelstiche“, das Clan-Familien immer und immer und immer wieder nervende Hochnehmen von Häusern, Clubs und Strukturen, fruchtet – auch hier. Reul steht oft selbst nachts um drei zwischen den Ermittlern und greift ein. Das hat ihm ein Image des Anpackers eingebracht.
Ein „Clash“ der Nationalitäten
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Wenn man Reul recht interpretiert, dann braucht es die in Hagen auch, die Anpacker. Als die Altenhagener Bürger Bianca Schmidt und Heiko Löser Reul gestern von ihrem Problem erzählen, werden sie deutlich. Schon lange werden sie in Altenhagen von umherziehenden Kinder- und Jugendbanden malträtiert, beleidigt und angegangen. Es gibt Sachbeschädigungen und vieles mehr. Dass es hier einen „Clash“ der Nationalitäten gibt, da reden die beiden nicht lange drumrum.
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Nicht die Polizei löst die Probleme, sondern die Stadt
Reul hört zu. Auch wie Bianca Schmidt berichtet, die Polizei habe ihr gesagt, sie habe nicht genug Personal und sie könne ja wegziehen. „Wir haben auch nicht genug Polizisten“, sagt Herbert Reul. Das habe aber konkret mit dem Hagener Problem nichts zu tun. Denn wenn sich etwas verändern solle, dann sei das neben der Polizei vor allem Aufgabe von Stadt und Politik.
Was Herbert Reul nicht weiß: Stadt und Politik haben sich dieser kulturellen Probleme in den Stadtteilen strukturell noch gar nicht angenommen. Ja, es wurde bei der Hagener Straßenbahn nach dem Sicherheitsgefühl von Busfahrern gefragt. Und ja, es werden schrottreife Immobilien abgerissen. Aber dauerhafte Sozialarbeit findet aktuell nur in Wehringhausen statt. Und auch nur, weil ein Förderprogramm sie deckt.
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Ohne Förderung versandet vieles
Das war in Altenhagen auch mal so. Als die Förderung endete, konnte die klamme Stadt das Angebot nicht aufrechterhalten. Zuletzt haben Wissenschaftler der Bergischen Uni Wuppertal der Stadt eine Sozialraumanalyse und intensive Sozialarbeit und Streetwork im Bahnhofsviertel ins Stammbuch geschrieben. Da sich der „Arbeitskreis Innenstadt“ damit weiter befassen soll, ist erst mal nicht zu erwarten, dass es hier anders laufen könnte als in Altenhagen. CDU-Landtagskandidat und Ratsfraktionschef Jörg Klepper hatten zuletzt das Gespräch mit Anwohnern in Altenhagen und Wehringhausen gesucht.
Frauen mit Angst in den Abendstunden
Physiotherapeut Steffen Barth goss etwas Wasser in den Wein: „Damit hier nicht nur geklatscht wird“, sagt er, der innenstadtnah lebt. „Frauen gehen hier abends um acht Uhr nicht mehr alleine durch die Straßen. Wenn Gäste mein Unternehmen besuchen, kriegen die am Bahnhof das Grauen. Und ein Clanmitglied ist in einer meiner Praxen in Begleitung von zehn Bundespolizisten behandelt worden. So sieht das hier aus.“
Reul räumte ein, dass es eine mühsame Aufgabe sei, den „Rechtsstaats aufrecht zu erhalten“. Den Altenhagener Anwohnern versprach er, bei seiner Wiederwahl ins Quartier zu kommen.