Hagen. Das Urteil gegen einen 17-Jährigen, der einen Anschlag auf die Synagoge in Hagen geplant haben soll, steht fest. Er erhält eine Bewährungsstrafe.
Gegen den 17-Jährigen, der geplant hatte, die jüdische Synagoge in der Potthofstraße in die Luft zu sprengen, ist vor dem Landgericht Hagen ein Urteil ergangen. Der Jugendliche, der aus Syrien stammt, erhielt eine Haftstrafe von einem Jahr und neun Monaten – ausgesetzt zur Bewährung.
Außerdem muss er sich in einer stationären Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe außerhalb Hagens behandeln lassen. Er wurde direkt aus dem Gerichtssaal in die Einrichtung überführt. Das Gericht hat die Bewährungsauflage erteilt, dass der Jugendliche während der dreijährigen Bewährungszeit in dieser Einrichtung leben muss.
Verurteilt wurde der Jugendliche, der am 15. September 2021, zum jüdischen Feiertag Jom Kipur, für einen Großeinsatz mit hunderten Polizisten in der Hagener Innenstadt gesorgt hatte, wegen der „Vorbereitung einer schwerenstaatsgefährdenden Gewalttat“ (Paragraph 89 Strafgesetzbuch). Das Erwachsenenstrafrecht sieht hier eine Freiheitsstraße von bis zu zehn Jahren vor. Anklage hatte die Generalstaatsanwaltschaft in Düsseldorf erhoben.
Angeklagter legt Geständnis ab
Nach Mitteilung des Gerichtssprechers Christian Potthast hätte sich der Angeklagte im nicht-öffentlichen Verfahren geständig eingelassen und große Teile der Anklagevorwürfe eingeräumt. Er hätte zwar konkrete Pläne zum Anschlag auf die Hagener Synagoge gehabt, aber noch nichts Konkretes in dieser Hinsicht unternommen. Er wollte lediglich vorbereitet sein, falls Kabul bombardiert würde, oder bei einem Angriff westlicher Truppen Zivilisten ums Leben kommen würden.
Sein Verteidiger, Ihsan Tanyolu (Dahl), zum Urteil: „Alle Verfahrensbeteiligten sind sich darüber einig, dass das verhängte Strafmaß sinnvoll und angemessen ist.“
Ermittler fanden keinen Sprengstoff
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Die Ermittler hatten zwar weder bei dem 17-Jährigen, der sich zuletzt in Untersuchungshaft befand, noch in der Hagener Wohnung der Familie Sprengstoff gefunden. Die Generalstaatsanwaltschaft war sich aber sicher, dass der Jugendliche in der Lage gewesen wäre, nach Beschaffung der Materialien einen funktionstüchtigen Sprengsatz herzustellen. Angeleitet wurde er offensichtlich durch eine islamistische Chatgruppe im umstrittenen Messengerdienst Telegram. Ein ausländischer Geheimdienst hatte den Hinweis nach Deutschland weitergeleitet. Bundeskriminalamt (BKA) und Bundesnachrichtendienst (BND) hatten ermittelt.
Im Zentrum der Ermittlungen und auch der Anklage standen 168 Telegram-Chatnachrichten des 17-Jährigen mit einem „Abu Harb“(„Vater des Krieges“). Wer dahintersteckt, ist unklar. Dieser erteilte dem jungen Syrer Anleitungen, welche Materialien er benötigen würde, um den Sprengsatz zu bauen: Eine bestimmte Chemikalie, Schwefel, Alufolie, einen Zünder.
Jugendlicher liefert Infos über Synagoge
Alles Komponenten, die der 17-Jährige hätte problemlos kaufen können. Und: Der Jugendliche lieferte Bilder und Infos zur Synagoge, auf deren Basis „Abu Harb“ Anweisungen gibt, wo die Bombe deponiert werden sollte. Er schreibt: „Das ist der beste Ort Bruder, viele werden sterben, und Autos werden brennen, so Gott will.“
Offensichtlich in rasender Geschwindigkeit im Sommer 2021 hatte sich der Syrer laut Anklage radikalisiert. Am 17. August 2021 soll er einem arabischsprachigen Chat beigetreten sein, der islamistischen Terror glorifiziert. Dort soll er dann schnell Kontakt zu dem Sprengstoff-Anleiter „Abu Harb“ gefunden haben. Knapp einen Monat später wurde der Jugendliche festgenommen. Schon etwas früher hatte er offensichtlich begonnen, sich immer mehr Videos mit islamistischen Gräueltaten anzuschauen. Auf seinem Mobiltelefon konnten die Ermittler 554 Videodateien finden, die grausame Folter und Hinrichtungsdarstellungen zeigen.
17-Jähriger bereit, sich selbst in die Luft zu sprengen
Gegenüber einem Freund hatte der Angeklagte geäußert: „Bei Allah. Er hat es mir beigebracht, eine Bombe zu bauen, die ein ganzes Haus zerstören kann. Mit einem Fernzünder. Ich bin bereit.“ Offensichtlich war er aber auch bereit, sich selbst mit einem Sprengstoffgürtel in die Luft zu jagen. Er hatte „Abu Harb“ nach einer Anleitung zum Bau gefragt.
Der geplante Anschlag auf die Synagoge in Hagen hatte bundesweit für Schlagzeilen und Bestürzung gesorgt und die kleine, friedliche jüdische Gemeinde, deren Gotteshaus sich an der Volme in der Innenstadt unweit des Rathauses befindet, tief getroffen.
Anschlag drakonischer Einschnitt für Gemeinde
„Er ist verbunden mit Maßnahmen, die wir als Gemeinde als drakonische Einschnitte empfinden“, hatte Hagay Feldheim, der Vorsitzende der Gemeinde, noch Ende Januar in einem Interview erklärt. „Das hat mit dem Thema Sicherheit zu tun. Das ist ein wichtiger und notwendiger Aspekt. Aber wir fühlen uns wie in einem Käfig.“