Hagen. Spielt Umweltpolitik in Hagen keine Rolle? Sechs Mitglieder des Naturschutzbeirates treten zurück. Die Stadtverwaltung weist die Vorwürfe zurück.

Der Rücktritt von sechs Mitgliedern des Naturschutzbeirates hat für Wirbel im politischen Hagen gesorgt. „Ich war schockiert“, sagte Christoph Külpmann aus Hengstey, der den Landwirtschaftsverband in dem Gremium vertritt: „Die Leute, die zurückgetreten sind, waren keine Nörgler, sondern Personen, die sich für die Natur eingesetzt haben und deren Arbeit ich, auch wenn ich bisweilen anderer Meinung war, sehr geschätzt habe.“

Die Stadtverwaltung nehme den Vorgang mit großen Bedauern zur Kenntnis, teilte Stadt-Pressesprecher Thomas Bleicher am Mittwoch mit: „Die Stadtspitze bedauert zudem, dass es im Vorfeld dieses Schrittes nicht den Versuch gegeben hat, im Rahmen eines Gespräches mögliche Irritationen aus dem Weg zu räumen.“ Eine Neuaufstellung des Naturschutzbeirates werde seitens der Verwaltung zeitnah angegangen.

Dr. Hülsbusch legt Amt nach 23 Jahren nieder

Dr. Christian Hülsbusch war bis zu seinem Rücktritt 23 Jahre lang im Naturschutzbeirat tätig, zuletzt als 2. Vorsitzender. Tief enttäuscht und desillusioniert hat er sein Amt niedergelegt. „Es war die letzte Möglichkeit, die uns blieb, um in Hagen noch ein Zeichen zu setzen.“ Ein Zeichen dafür, dass der Natur- und Klimaschutz in Hagen im Stich gelassen werde, so Hülsbusch.

Rund um den Hohenhof sind Bäume gefällt worden. Das Ausmaß hat die Mitglieder des Naturschutzbeirats verärgert.
Rund um den Hohenhof sind Bäume gefällt worden. Das Ausmaß hat die Mitglieder des Naturschutzbeirats verärgert. © WP | Michael Kleinrensing

Dem Naturschutzbeirat seien zuletzt Vorlagen zugestellt worden, über deren Inhalt längst entschieden gewesen sei: „Wir wurden nicht mehr für voll genommen.“ Die Desinformationspolitik der Stadt gipfelte, so der Mediziner, im Zusammenhang mit dem Kahlschlag am Hohenhof, wo der Naturschutzbeirat just am gleichen Tag, an dem der Stadtrat über das Projekt abstimmte, zu einem Ortstermin geladen gewesen sei. „Das ist einfach nicht zu akzeptieren, wir haben uns nur noch veräppelt gefühlt.“

„Das ist ungemein frustrierend“

Alle Versuche, Klima- oder Naturschutzproblematiken in eine Debatte einzubringen, würden regelmäßig scheitern. Insbesondere die Grünen, die den Naturschutz doch eigentlich im Namen tragen, seien den Mitgliedern des Naturschutzbeirates des Öfteren in den Rücken gefallen: „Man hat unser Engagement einfach nur noch belächelt.“ So geschehe es auch in den politischen Ausschüssen, in denen das Wort der Beiratsmitglieder, die dort als sachkundige Bürger vertreten seien, ungehört verhalle: „Das ist ungemein frustrierend.“

Andere Beiratsmitglieder hatten sich ähnlich verärgert geäußert. „Wir sind kein Kaffeekränzchen, dessen Entscheidungen in der Schublade verschwinden“, sagte Ex-Vorsitzende Antje Selter, und Bernd Boeker, ehemals 2. Vorsitzender, fügte hinzu: „Hier etwas bewegen zu wollen, ist wie Pinkeln gegen den Wind.“

Stadt Hagen: Naturschutzbeirat ist kein Ausschuss des Rates

Thomas Bleicher dagegen wies den Vorwurf zurück, bei Stadtspitze und Politik in Hagen gebe es eine Geringschätzung von Umwelt- und Klimathemen. Als Beispiel führte er die von Politik und Verwaltung vorangetriebene, millionenschwere Stärkung des Öffentlichen Nahverkehrs an sowie die auf den Weg gebrachten Klima- und Umweltschutz-Standards für künftiges Bauen in Hagen.

Die Funktion und die Aufgaben des Naturschutzbeirates seien gesetzlich geregelt und könnten nicht durch den Leiter der Umweltbehörde bzw. den zuständigen Dezernenten verändert werden (Dezernent Henning Keune, gegen den dieser Vorwurf erhoben worden war, wollte gleichwohl die Gelegenheit zu einer persönlichen Stellungnahme gegenüber unserer Zeitung nicht wahrnehmen). Der Naturschutzbeirat sei ein Fachgremium, so Bleicher, und vor allen wichtigen Entscheidungen und Maßnahmen der Unteren Naturschutzbehörde zu hören, jedoch kein Ausschuss und somit nicht in die politischen Entscheidungsabläufe einzubinden.

Baumfällungen an Hohenhof und Weißenstein

Der Naturschutzbeirat habe eine beratende Funktion, ein darüber hinausgehendes Mitentscheidungsrecht stehe ihm gesetzlich nicht zu. Darüber hinaus gehörten sowohl dem Ausschuss für Stadt-, Beschäftigungs- und Wirtschaftsentwicklung als auch dem Umweltausschuss jeweils ein sachkundiger Einwohner aus dem Naturschutzbeirat mit beratender Stimme an.

Thomas Bleicher erklärte zudem, der Naturschutzbeirat sei während der Begehung am Hohenhof sehr wohl dezidiert auf alle zu fällenden Bäume hingewiesen worden. Auch über die vorgesehene Baumfällung am Weißenstein in Hohenlimburg habe die Verwaltung den Naturschutzbeirat hingewiesen, eine entsprechende Vorlage der Verwaltung hätte am 25. Januar diskutiert werden können. Auf Wunsch der Vorsitzenden Antje Selter sei diese reguläre Sitzung jedoch abgesagt worden.

Die Grünen reagierten auf Anfrage gestern nicht auf Vorwürfe und Rücktritte.