Hagen. Der öffentliche Protest im Sommer war enorm. Jetzt könnte es in Hagen bereits am Donnerstag zum viel diskutierten Betrauungsakt des WBH kommen.
Geht der vor der Öffentlichkeit über eineinhalb Jahre in geheimen Sitzungen beratene Betrauungsakt des Wirtschaftsbetriebs Hagen (WBH) nun ohne weitere Aufregung über die Bühne? In der morgigen Sitzung des Rates der Stadt könnte es bereits soweit sein. Nach zuletzt heftigem Protest wird der Punkt nun öffentlich diskutiert und entschieden.
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Diese Bereiche soll der Betrauungsakt umfassen
Der Gesetzgeber hat die Umsatzbesteuerung für Städte geändert. Ab 2023 besteht konkret für Hagen das Risiko, dass ein Großteil der Leistungsbeziehungen zwischen Stadt und WBH umsatzsteuerpflichtig wird. Mögliche jährliche Belastung für Hagen pro Jahr: 2,5 Millionen Euro. Mit folgenden vier Bereichen soll der WBH daher betraut werden und diese künftig als eigene Aufgaben wahrnehmen, eine Ausgleichszahlung erhalten und das Steuerrisiko damit umgangen werden: Technische Planung, Bau und Unterhaltung von Straßen, Wegen, Plätzen, Radwegen, Fußgängerzonen, öffentlichen Brücken, Stützmauern, Treppenanlagen, Reinigung der Straßenentwässerungseinrichtungen, Planung, Bau und Unterhaltung von Spielplätzen, der Außenanlagen von städtischen Grundstücken und Kindertagesstätten, Grün und Parkanlagen, Brunnen, Winterdienst im Rahmen der städtischen Streupflichten, Durchführung der Gewässerunterhaltung und Ausbau und Renaturierung von Gewässern sowie technische Unterstützungsleistungen im Bereich der Straßenbeleuchtung.
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Stadt Hagen: Wegen steuerlicher Belange keine öffentliche Diskussion
Als unsere Zeitung das im Spätsommer öffentlich machte, regte sich Protest in der Öffentlichkeit. Hauptsorge: Die Politik verliere ihre Zugriffsrechte auf Bereiche, die ihr originär per Gemeindeordnung zugewiesen seien. Bürgerinitiativen positionierten sich gegen das Vorhaben. Fünf Parteien im Rat rückten von der durch sie ebenfalls mit vorbereiteten Lösung ab. Die Stadt argumentierte, es gehe um steuerliche Belange und deshalb sei bislang nichtöffentlich diskutiert worden.
Kämmerer Christoph Gerbersmann sagte in der Ratssitzung, vor der rund 200 WBH-Mitarbeiter vor der Karl-Adam-Halle für mehr Wertschätzung ihrer Arbeit demonstrierten, dass nur ein Verrückter so etwas öffentlich behandeln würde. Die Stadtredaktion fragte sogar bei der Kommunalaufsicht an. Der Tenor dort: Es handele sich um eine Entscheidung des Hagener Rates, der hier das Heft des Handelns in der Hand habe.
Grundsatzbeschluss fiel schon im Jahr 2019
Für die morgige Ratssitzung hat die Verwaltung die Zusammenhänge noch einmal öffentlich aufgearbeitet – allerdings ohne große Neuigkeiten.
Per Beschluss im September 2019 habe der Rat bereits einen Grundsatzbeschluss zur Umsetzung der Betrauungslösung getroffen. Die Finanzverwaltung habe im vergangenen Februar die beantragte verbindliche Auskunft für die Betrauungslösung erteilt. Damit habe sich der Grundsatzbeschluss zur Umsetzung der Betrauungslösung als rechtlich umsetzbar erwiesen. Andere vom Gutachterbüro Ernst & Young durchgespielte Varianten, wie die teilweise oder vollständige Rückführung des WBH in einen Eigenbetrieb, seien damit obsolet.
Verwaltungsrat soll sich verändern und größer werden
Die Steuerung und Einflussnahme des WBH erfolge weiter durch Beschlussfassung über die laut Wirtschaftsplan zu zahlenden Zuschüsse. Eine direkte Einwirkungsmöglichkeit politischer Gremien sei bis einschließlich „Leistungsphase III“ (Entwurfsplanung) gegeben, bei darüber hinausgehender direkter Einflussnahme bestünden steuerliche Risiken. Die Betrauungslösung ermögliche den Erhalt aller bisherigen Synergien.
Bezirksvertreter sollen beratende Funktion einnehmen
Der künftige WBH-Verwaltungsrat solle laut Verwaltung aus 30 Mitgliedern bestehen. Dem Oberbürgermeister, 19 politischen Vertretern und zehn Arbeitnehmervertretern. Dazu jeweils ein Mitglied der Bezirksvertretungen in beratender Funktion. Wegen der Größe des Gremiums sollen keine Sitzungsgelder mehr gezahlt werden.
Der kommunale Einfluss auf die Erfüllung der Aufgaben des WBH werde über den Vorstand und den Verwaltungsrat ausgeübt. Außerdem könne in der Satzung vorgesehen werden, dass bei Entscheidungen von grundsätzlicher Bedeutung die Zustimmung des Rates erforderlich sei.
Rückeingliederung birgt wohl steuerliche Gefahren
Eine Rückeingliederung der Gewässerunterhaltung, des Grünflächenmanagements und des Forstes in die Stadtverwaltung führe aus steuerlicher Sicht dazu, dass die für die betrauten Bereiche zu leistenden Ausgleichszahlungen als „echter nicht steuerbarer Zuschuss“ zu behandeln seien und somit nicht der Umsatzsteuer unterlägen. Damit bestehe aber das Risiko der Umsatzbesteuerung auf die verbliebenen zu leistenden Zahlungen.