Hagen. Wenige Tage vor der Entscheidung rücken fünf Parteien vom bislang geheimen WBH-Deal in Hagen ab. Folgen weitere? Die Stadt reagiert deutlich.
Deutlich reagiert die Hagener Stadtverwaltung auf die bisherige Berichterstattung rund um den Betrauungsakt mit Blick auf den Wirtschaftsbetrieb Hagen. Dem sollen aus steuerlichen Gründen die Entscheidungsbefugnisse über Bereiche wie Straßenbau, Plätze, Wege, Gewässer und andere Dinge übergeben werden, was in den Augen politischer und öffentlicher Kritiker einer Beschneidung demokratischer Rechte von gewählten Volksvertretern gleichkommt. Wertungen wie „Skandal“ – damit bezieht sich die Verwaltung auf eine Kommentierung der Stadtredaktion Hagen – würden jeglicher Grundlage „entbehren“. Bereits fünf Parteien und Gruppen aus dem Hagener Rat wenden sich öffentlich gegen das Vorhaben. Es könnte dabei zu einer geheimen Abstimmung kommen. Sie müsste von einem Fünftel der Mitglieder des Rates beantragt werden.
Hagen Aktiv wird sich entschieden gegen die Machtbeschneidung wenden
„Demokratie hatte schon immer ihren Preis“, so Dr. Josef Bücker, Fraktionsvorsitzender von Hagen Aktiv. Für nur 2,5 Millionen Euro nicht abzuführende Steuern im Jahr die Verantwortung für Straßen, Plätze, Brücken, Gewässer, den städtischen Wald und über die HEG auch den Wohnungsbau aus der Hand zu geben, hieße zwar noch nicht das Ende der Demokratie. Ganz im Sinne einer „Salamitaktik“ würde der Rat durch solche Prozesse jedoch seinem originären Auftrag, die Interessen der Bürger zu vertreten, nicht mehr gerecht werden können. Hagen Aktiv werde sich am kommenden Donnerstag deswegen entschieden gegen diese Machtbeschneidung wenden.
Frank Schmidt (Bürger für Hohenlimburg) ergänzt: „Der geplante Betrauungsakt verletzt aus unserer Sicht auch den Paragraphen 37 der Gemeindeordnung NRW, in dem die Zuständigkeiten der Bezirksvertretungen geregelt sind. Die Rats- und BV-Mitglieder sind im vergangenen Jahr für ein klares Aufgabenspektrum gewählt worden. Wenn eine Mehrheit des Rates auf Betreiben der Verwaltung Teile dieses Aufgabenspektrums aufgeben will, ohne die Öffentlichkeit zu beteiligen, so ist dies mit demokratischen Grundsätzen nicht vereinbar.“
Ingo Hentschel: „Wir sind nicht bereit, demokratische Rechte zu veräußern“
Linke-Sprecher Ingo Hentschel verweist darauf, dies bereits in der jüngsten Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses angekündigt zu haben. „Wir sind nicht bereit, demokratische Rechte, die der Stadtrat im Sinne der Bürger wahrnimmt, aus fiskalischen Gründen zu veräußern“, so Hentschel, der aktuell für den Bundestag kandidiert. Laura Knüppel (Die Partei) fordert den Oberbürgermeister auf, das Thema endlich im öffentlichen Teil der Gremiensitzungen zu behandeln. „Die Verwaltung hat die enorme Tragweite eines solchen Beschlusses stets heruntergespielt, doch in den jüngsten Beratungen und Gesprächen ist mir bewusst geworden, was hier auf dem Spiel steht. Demokratische Rechte dürfen kein Preisschild haben, sie sind unveräußerlich“.
CDU stimmt geschlossen dafür: Mit WBH sehr gute Erfahrungen gemacht
Die Grünen sprechen sich ebenfalls dagegen aus, den Wirtschaftsbetrieb mit noch größeren Zugriffsrechten zu betrauen und Politik und damit letztlich den Bürgern Einflussmöglichkeiten zu nehmen.
Die CDU hingegen werde geschlossen für die Betrauung des WBH stimmen, erklärt Fraktionsvorsitzender Jörg Klepper. „Wir übergeben seit Jahren Aspekte der öffentlichen Daseinsvorsorge der wirtschaftlichen Verantwortung der WBH. Wir haben immer wieder gesehen, wie sich die Anstaltsleitung um wirtschaftliche Vorteile bemüht, die der Stadt Geld sparen.“
Und weiter heißt es in einer Stellungnahme der CDU-Fraktion: „Der Rat regelt im Betrauungsakt den inhaltlichen und qualitativen Rahmen. Die Fachausschüsse und die Bezirksvertretungen bringen ihre fachlichen Hinweise und Festsetzungen bis zur Entwurfsplanung ein – wie bisher.“
Reaktion der Stadtverwaltung: „Es handelt sich nicht um einen x-beliebigen Dritten“
Die Verwaltung erklärt, dass die öffentlichen Darstellungen rund um den Betrauungsakt auf einer Fehlinterpretation beruhen würden. Beim WBH handele es sich um eine Anstalt des öffentlichen Rechts, die zu 100 Prozent im Besitz der Stadt Hagen sei. Und nicht um einen „x-beliebigen Dritten“.
Grundzüge der Ausrichtung der Arbeiten des WBH könne die Politik auch weiterhin durch Rahmensetzungen im Betrauungsakt regeln. Bei Neubauten und Erneuerungen entscheide weiterhin die Politik, ob diese durchgeführt werden und wie die wesentliche Gestaltung erfolge. Die Ausbauplanung auf Basis politischer Entscheidungen und der Bau würden allerdings dem WBH obliegen. Dabei überwache der politisch besetzte Verwaltungsrat, ob die Vorgaben eingehalten werden. Der Verwaltungsrat werde vom Rat wie ein Fachausschuss besetzt. Eine Erweiterung des Verwaltungsrates, so dass alle Fraktionen und Gruppen vertreten sind, ist problemlos möglich. Die Hagener Politik befasse sich seit weit über einem Jahr in zahlreichen Sitzungen mit der Erarbeitung dieses Lösungsmodelles. Neben mehreren Sitzungsrunden aller betroffenen Gremien einschließlich der Bezirksvertretungen gab es auch einen umfangreichen Workshop, „bei der alle politischen Vertreter und Vertreterinnen ihre Fragen ausführlich mit dem externen Beraterteam und der Verwaltung erörtern konnten.“
Zuletzt hatten sich der emeritierte Verwaltungsprofessor Karl-Heinz-Hasenritter, eine Bürgerinitiative um Professor Jörg Liese und der Hagener Unternehmerrat gegen das Vorhaben gestellt, den Wirtschaftsbetrieb Hagen mit all den genannten Aufgaben zu betrauen. Die Entscheidung wird wieder im nichtöffentlichen Teil fallen.