Hagen. Nach dem geplanten Anschlag auf die Synagoge will sich die Jüdische Gemeinde nicht einschüchtern lassen und Flagge zeigen gegen Terrorpläne.
Nach dem geplanten Anschlag auf die Synagoge in Hagen meldet sich der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Hagay Feldheim, erstmals zu Wort. Er gibt Einblicke in das, was die jüdische Gemeinde in diesen Tagen durchlebt - und, was es für sie bedeutet, Jom Kippur - den wichtigsten Tag im Jahr - nicht richtig feiern zu können. Dennoch wolle man sich nicht einschüchtern lassen, betont der Vorsitzende: „Wir halten es für falsch, die Ausübung unserer Grundrechte und unserer Religion von Terroristen oder Möchtegern-Terroristen abhängig zu machen.“
In den Tagen nach dem Terroralarm haben die jüdische Gemeinde viele Solidaritätsbekundungen erreicht. „Wir möchten uns deshalb als Erstes bei allen bedanken, die uns aufrichtig ihr Mitgefühl bekundet haben. Genauso herzlich möchten wir uns bei den vielen Polizisten bedanken, die uns in der Not beigestanden haben, die uns weiter beschützen und dafür viele zusätzliche Belastungen wie selbstverständlich in Kauf nehmen. Ihnen verdanken wir es, dass wir uns nun mit Zuversicht auf das Laubhüttenfest freuen können“, so Feldheim.
Das Laubhüttenfest, auch genannt „Sukkot“, ist das größte Freudenfest des jüdischen Jahres. Es wird über mehrere Tage nach Jom Kippur gefeiert. Die jüdischen Gemeinden errichte zu diesem Zweck eine Laubhütte, auch genannt „Sukkah“. Zum Sukkot-Fest essen die Juden in den errichteten Laubhütten.
Aussicht auf Jom Kippur gab Juden in Hagen Kraft und Hoffnung
„Jeder Mensch kann mitfühlen, wenn ein anderer um sein Leben bangen muss. Wer mit der Hagener Gemeinde fühlen möchte, muss eine Vorstellung davon haben, was Jom Kippur für uns Juden bedeutet und was es bedeutet, ihn nicht gemeinsam feiern zu können“, so Hagay Feldheim. Er zieht einen Vergleich zum Weihnachtsfest, das Corona-bedingt nur sehr eingeschränkt stattfinden konnte: „Besonders für Menschen, die alte und gebrechliche Familienmitglieder haben, war der Gedanke sehr bedrückend, dass es die Rücksicht auf gerade diese Menschen erforderte, sie von der Feierlichkeit auszuschließen. Woher hätte man aber wissen können, ob es nicht die letzte Möglichkeit war, gemeinsam Weihnachten zu feiern? Für alle Beteiligten war das ein großes Opfer.“
Die Jüdische Gemeinschaft in Hagen bestehe überwiegend aus alten Menschen. „Vielen hat die Aussicht, in diesem Jahr noch einmal einen Jom Kippur feiern zu können, Kraft und Hoffnung gegeben. Die kurzfristige Absage des Jom Kippur-Gebetes bedeutete für sie, dass sie sich die gleiche Frage stellen mussten wie unsere christlichen Brüder und Schwestern am Weihnachtsfest: Woher sollen sie wissen, ob sie im nächsten Jahr einen weiteren Jom Kippur werden feiern können? Diesen höchsten jüdischen Feiertag kann man nicht einfach nachholen.“
Hagener Gemeinde will sich durch Anschlagsdrohung nicht einschüchtern lassen
Jom Kippur sei für alle Juden überall auf der Welt der wichtigste Tag im Jahr. Jeder Jude versuche, an diesem Tag in die Synagoge zu kommen, „egal ob er orthodox, liberal oder säkular ist, gleich ob Hilfsarbeiter oder Chefarzt“, so Feldheim. „Es ist nicht so, dass uns eine so ernste Terrordrohung unbeeindruckt lässt. In der heutigen Zoom-Sitzung haben aber alle Teilnehmer erklärt, dass sie sich nicht einschüchtern lassen wollen. In enger Abstimmung mit den Sicherheitskräften und unter ihrem Schutz werden wir versuchen, unsere kommenden religiösen Pflichten auf uns zu nehmen. Die Laubhütte ist schon gebaut.“
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Die Gemeinde habe gemeinsam beschlossen, dass sie die Laubhütte beziehen werden, „wie es uns in der Thora vorgeschrieben ist. Nebenbei werden wir damit auch Flagge zeigen gegen Terror und Terrorpläne. Allen Menschen guten Willens wünschen wir, dass sie zu einem gesegneten, guten und friedlichen Jahr eingeschrieben und an Jom Kippur besiegelt wurden.“