Hagen. Man kann der Hagener Feuerwehr nicht vorwerfen, sie sei unvorbereitet gewesen auf die Katastrophe. Doch das Wasser war stärker.
War die verheerende Flut Mitte Juli nun ein Unwetterereignis, das nur alle 100 Jahre einmal vorkommt? Oder sind es – statistisch gesehen – 120 Jahre? Und wann wird Hagen von der nächsten Flut getroffen? „Das sind Dinge, die wir nicht vorhersagen können“, sagt Kai Riepe (48): „Wir sind ja keine Hellseher.“
Und doch beschäftigen sich Riepe und sein Kollege Michael Funke (48) sehr wohl mit dem nächsten Starkregen und seinen möglichen Auswirkungen in Hagen. So wie sie das auch schon vor der Juli-Flut getan haben.
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Riepe und Funke haben Wetterberichte ausgewertet, Hochwasserszenarien simuliert und Strömungsretter ausgebildet; sie haben versucht, die Stadt widerstandsfähig zu machen gegen die große Flut, die irgendwann kommen würde. „Dass sie mit solcher Gewalt kommt, hätten auch wir uns nicht vorstellen können“, sagt Funke: „Aber ich glaube, mit unserer Arbeit haben wir noch Schlimmeres verhindern können.“
„Vor Feuer kann man weglaufen, vor Wasser nicht“
Funke und Riepe sind Berufsfeuerwehrmänner in Hagen und zuständig für Extrem-Unwetter und Hochwasserlagen. Die Beschäftigung mit der Frage, wie gefährlich Wasser werden kann, gehört für sie zum Alltag. Die Auseinandersetzung mit dem Element Wasser ist auch Teil der Bewusstseinsschulung aller neuen Feuerwehranwärter und Ausbildungsinhalt der Strömungsretter in Hagen. Die potenziellen Gefahren fasst Funke lakonisch in dem Satz zusammen: „Vor Feuer kann man weglaufen, vor Wasser nicht.“
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Besonders in den vergangenen sechs Jahren wurde die Hagener Feuerwehr mit Unterstützung des Umweltamtes kräftig aufgerüstet, um den Kampf gegen Hochwasser und Unwetter aufnehmen zu können.
Schmutzwasserpumpen und Sandsackersatzsysteme
Bei der Löschgruppe in Berchum-Garenfeld wurde auf Initiative von Riepe und Funke ein Sandsacklager mit 8000 Säcken eingerichtet. Die Stadt Hagen als Dienstherr der Feuerwehr schaffte 20 Schmutzwasserpumpen an, die nicht nur Wasser, sondern auch den mit einer Flut einhergehenden Schlamm sowie Gegenstände bis zur Größe eines Tennisballs abpumpen können.
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Hinzu kam eine 60.000 Euro teure Hochleistungspumpe, die 5000 Liter Wasser pro Minute verarbeiten kann und so groß ist, dass sie auf einem eigenen Anhänger transportiert wird. Auch zehn Generatoren, zwei Tragkraftspritzen sowie bis zu 480 Meter lange Sandsackersatzsysteme zum Schutz von Gebäuden gehören nicht erst seit der Jahrhundertflut zum Inventar der Feuerwehr.
Unwetter-Richtlinie seit 2018
Hagen war also gewissermaßen nicht unvorbereitet, als die große Flut kam. Die beiden Feuerwehrexperten und das Umweltamt hatten dafür gesorgt, dass Gastanks beschwert wurden, damit sie vom Wasser nicht fortgerissen werden können. Es gab Feuerwehrübungen, bei denen mögliche Hochwassereinsätze durchgespielt wurden, es wurden Vorrang-Straßen festgelegt, die im Falle des Falles zuerst geräumt werden müssen und es wurden Vorträge gehalten. 2018 war in Hagen schließlich eine Unwetter-Richtlinie mit verschiedenen Meldestufen in Kraft gesetzt worden.
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Und doch hatte man den Eindruck, die Stadt sei der Flut im Juli hilflos ausgeliefert gewesen. Das war auch so, denn: „Wir wussten, dass irgendwann ein Hochwasser kommen würde“, sagen Funke und Riepe: „Aber dass es uns so stark treffen würden, das hätte keiner von uns je geahnt.“
280 Bäche auf Hagener Stadtgebiet
Das Problem waren gar nicht immer die großen Flüsse Ruhr, Lenne, Volme und Ennepe, die ihre Betten verließen. Es waren vor allem die 280 Bäche auf Hagener Stadtgebiet, von denen viele nicht einmal einen Namen tragen, die innerhalb von wenigen Stunden zu reißenden Strömen wurden. „Das konnte sich so niemand vorstellen.“
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Und doch, davon sind Funke und Riepe überzeugt, habe sich die jahrelange Vorbereitung, Ausbildung und Zusammenarbeit mit dem WBH und dem Umweltamt ausgezahlt.
Alle Kräfte waren im Einsatz
Die Wasserrettung der Feuerwehr Hagen hat mehrere eingeschlossene Personen in Autos und Wohngebäuden mit den Strömungsrettern in Sicherheit bringen können. Die Sandsackersatzsysteme bewahrten die Firma Königswarter & Ebell in Haspe davor, vollständig überflutet zu werden. Auch andere Gebäude wurden erfolgreich vor den Wassermassen geschützt.
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Die Feuerwehr löste frühzeitig Stadtalarm aus, alle haupt- und ehrenamtlichen Kräfte waren im Einsatz und natürlich auch alle neuen Pumpen und anderen Schutzsysteme. So konnten die Folgeschäden zumindest an einigen Stellen im Stadtgebiet in Grenzen gehalten werden.
„Wenn die Natur will, gewinnt sie immer“
Was tut man nach so einer Flut? Kai Riepe und Michael Funke werden ihre Arbeit fortsetzen, das Hochwasser analysieren, die Abwehr des nächsten Hochwassers, von dem niemand weiß, wann es kommen und wie schlimm es ausfallen wird, vorbereiten: „Wir werden uns noch besser aufstellen.“
Doch die Hagener Jahrhundertflut hat auch zu der Erkenntnis geführt, dass es Ereignisse gibt, gegen die man sich nicht schützen kann, und wenn man noch so gut vorbereitet ist: „Wenn die Natur will, dann gewinnt sie immer“, sagt Michael Funke.