Hegnstey. Nach vielen Visionen hat Ricardo Arens am See etwas gewagt. Radtour-Halt bei einem Mann, der sein Leben aus der Vor-Coronazeit zurückhaben will.

75 Jahre, 75 Orte, 75 Menschen. Auf diese WP-Jubiläums-Tour begeben sich seit gestern Redaktionsleiter Jens Stubbe, seine Amtskollegen Martin Haselhorst (Arnsberg) und Thomas Hagemann (Menden) und WP-Chefredakteur Jost Lübben. Auf der ersten 79,9 Kilometer langen Etappe von Schwelm nach Neheim halten sie auf Hagener Stadtgebiet. Sie treffen Ricardo Arens. Und damit einen Unternehmer, einen Botschafter und einen, dem etwas an seiner Heimat liegt. Aber auch einen, der hart gekämpft hat in den letzten Monaten und etwas geschafft hat, wovon sie in Hagen seit 40 Jahren reden, aber niemand Taten folgen ließ.

Es war der 3. Juni diesen Jahres. Genau zwei Monate her. Da eröffnete Ricardo Arens mit der Hilfe tatkräftiger Sponsoren den Stadtstrand am Hengsteysee neben der DLRG-Station. Er schuf einen Platz, den Spaziergänger, Sportler und Familien seither gerne annehmen und den es so oder in ähnlicher Form am See noch nie gegeben hat.

Ricardo Arens ist 33 Jahre und Chef von knapp über 100 Mitarbeitern.
Ricardo Arens ist 33 Jahre und Chef von knapp über 100 Mitarbeitern. © Alex Talash

Ricardo Arens, 33 Jahre alt und aus einer der traditionsreichsten Schausteller-Familien NRWs stammend, hat mit seinem Stadtstrand einen Impuls gesetzt, der Potenzial aufzeigt und vielen Bürgern verdeutlicht hat, dass es städtebaulich nicht immer der ganz große Schwung sein muss, sondern, dass eine Beachbar ein simpler Anfang sein kann, der zu mehr Freude, mehr Identifikation, mehr Glaube an das Potenzial des Seereviers führen kann.

Ein Kraftakt, das Projekt Stadtstrand auf die Beine zu stellen

Das Gespräch mit den WP-Radlern legt offen, wie viel Anstrengung und Nerven es Arens gekostet hat, das Gastro-Angebot hier an den Start zu bringen. „Acht Monate“, er nickt dabei verstärkend, „acht Monate Vorbereitungszeit, die jemand, der nicht aus der Eventbranche stammt, nicht überstanden hätte.“ Kurioseste Auflagen, Vorschriften und Hürden.

„Das ist kein Hagener Phänomen“, sagt Arens, der viele Menschen und Städte in seinem Metier in ganz Deutschland sieht. „Aber wir ertrinken in Regeln und Paragrafen. Ich habe einige Haare bei diesem Projekt verloren.“

Seit dem 30. Dezember 2019 war für ihn und sein knapp über 100 Mitarbeiter großes Team die Zeit stehen geblieben. Ein Frühjahrsgeschäft hatte Corona nicht mehr zugelassen. Seitdem war der Wirtschaftszweig „Event und Gastro“ zum Erliegen gekommen. Arens blieb, wie seine Familie es als Schausteller immer war, rege.

Karl-Heinz Kubas vom Radsportclub Hagen - drei Mitglieder hatten sich der Tour spontan angeschlossen - diskutierte mit.
Karl-Heinz Kubas vom Radsportclub Hagen - drei Mitglieder hatten sich der Tour spontan angeschlossen - diskutierte mit. © Alex Talash

Mit der Stadtstrand-Idee wollte der 33-Jährige zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Ein zumindest ansprechender Teil seines Geschäftes sollte weiterlaufen können und am See sollte gleichzeitig eine jahrzehntelange Lücke geschlossen werden – die fehlende Gastronomie.

Schausteller wollen ihr Leben zurück – wenn der Beruf auch Berufung ist

Das hat Arens geschafft – beides. Und auch, wenn man das Stadtstrand-Modell von außen schon nach zwei Monaten als Erfolg bezeichnen kann, würde der Schausteller sein Metier, wie er es vor Corona kannte, niemals gegen solche Zwischenlösungen eintauschen wollen. „Natürlich verdiene ich Geld mit so etwas. Aber selbst, wenn ich hier Millionär werden würde, würde ich am liebsten mein altes Leben vor Corona wiederhaben. Schausteller reisen herum, sie fahren, sie sind unterwegs und treffen Menschen.“ Er schaut kurz auf den Stehtisch vor ihm, dann setzt er noch mal an: „Ich glaube daran, dass die Event- und Gastrobranche nach Corona einen Boom erleben wird. Und wie viele Gastronomen oder Event-Fachleute möchten ich und meine Mitarbeiter, deren Berufung das ist, dann für die Leute da sein.“

Nachfragen aus anderen Städten und Ratsfraktionen kommen vorbei

Chefredakteur Jost Lübben und Stadtredaktionsleiter Jens Stubbe setzen im Gespräch dort noch mal an. „Es gibt in Hagen eine Notwendigkeit zu Veränderungen und die Anziehungskraft und das Potenzial der Stadt zu stärken“, sagt Jost Lübben. Und Jens Stubbe richtet sich an Ricardo Arens: „Hier ist doch jetzt auch etwas entstanden. Will man das dann nicht beibehalten und im nächsten Jahr wieder auf die Beine stellen? Man muss doch genau solche Projekte in Hagen jetzt auf die größere Ebene übertragen.“

WP-Chefredakteur Jost Lübben am Hagener Stadtstrand. Er ist überzeugt: „Hagen muss seine Anziehungskraft steigern“
WP-Chefredakteur Jost Lübben am Hagener Stadtstrand. Er ist überzeugt: „Hagen muss seine Anziehungskraft steigern“ © Alex Talash

Ricardo Arens sieht das ähnlich, wenngleich er weiß, dass es eigentlich auch in den Händen von Politik und Verwaltung liegt, solche Projekte für die Bürger zu realisieren und möglich zu machen.

Das zeigt zumindest der Blick in andere Städte, wo man zum Telefonhörer gegriffen hat. „Mehrere Städte und Ratsfraktionen von dort haben mich angerufen und wollten wissen, wie man das auch bei ihnen realisieren kann. Erst kommende Woche kommt wieder eine Ratsfraktion hier vorbei“, sagt Ricardo Arens.

Während der Seepark im Rahmen der Internationalen Gartenschau 2027 für viele Bürger noch eine Vision ist, an die sie aus den Enttäuschungen der Vergangenheit heraus vielleicht auch nicht mehr glauben, hat Ricardo Arens einfach mal im Hier und Jetzt etwas gemacht. Damit wird er etwas hinterlassen. Und wenn es im nächsten Jahr erstmal nur eine Gastro-Lücke ist.

Ein Anfang ist gemacht.

Ein vielversprechender.