Hagen. Die Stadt Hagen liegt bei der Corona-Impfkampagne vorn. Doch das könnte sich rasch ändern. Und dem will Apotheker Christian Fehske vorbeugen.

Dr. Christian Fehske ist Leiter der Rathaus-Apotheke in Hagen. Wir sprachen mit ihm über die Beteiligung der Hagener Haus- und Fachärzte an der Impfkampagne.

Die deutsche Impfkampagne wird von den Impfzentren zu den niedergelassenen Kassenärzten verlagert, und dort ist Hagen wiederholt nur auf dem letzten Platz. Woran liegt das?

Christian Fehske: Ich weiß es nicht. Sicherlich nicht daran, dass die Ärzte in Hagen weniger Bereitschaft zum Impfen zeigen als ihre Kollegen in anderen Kommunen. Aber sollte es so weitergehen, drohen wir irgendwann die letzte Stadt zu werden, die ihre Bevölkerung durchgeimpft hat. Und zwar absurderweise als die Stadt, welche die „rote Laterne“ der höchsten Inzidenzen schon fast die gesamte Pandemie mit sich herumträgt oder zumindest nah dran ist.

Aber was könnte der Grund dafür sein?

In dieser Situation zeigt sich in meinen Augen mindestens ein Denkfehler bei der Planung der zweiten Phase der Impfkampagne. Die Diskrepanz zwischen den selbstbewussten Versprechungen der Kassenärztlichen Vereinigung in Berlin, über welch ungeheure Impfkapazitäten die niedergelassenen Haus- und Fachärzte in ganz Deutschland angeblich gleichermaßen verfügen, und der ernüchternden Realität in unserer Stadt. Ich habe mit vielen Hagener Ärzten gesprochen, die zwar wirklich engagiert ihr Möglichstes versuchen, aber überwiegend außerhalb ihrer normalen Sprechzeiten impfen müssen, also frühmorgens, nach Feierabend oder mittwochs- bzw. freitagnachmittags, zum Teil auch am Wochenende. Das schaffen einige Ärzte und auch ihre Mitarbeiter trotzdem, was ich sehr bewundere – andere aber nur in begrenztem Maße.

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Das gilt aber für Ärzte in anderen Städten auch.

Ja, die Impfung durch niedergelassene Ärzte mag gut funktionieren in Städten mit sehr hohen Haus- und Facharztdichten wie Münster, weil durch die „neue Verteilungs-Logik“ der Impfstoff nun vor allem dort landet, wo viele niedergelassene Ärzte bestellen und nicht notwendigerweise dort, wo er wirklich gebraucht wird: in Hochinzidenz-Städten. Und ja, es mag Impfzentren geben, in denen reihenweise Termine platzen, in denen Impfstoff herumliegt und nicht verimpft werden kann – aber nicht in Hagen.

Das Hagener Impfzentrum belegt ja auch landesweit den Spitzenplatz.

Dafür mag es viele Gründe geben – die zentrale Lage, die gute Organisation, die Online-Terminvergabe, vielleicht auch die höhere Impfbereitschaft angesichts dauerhaft hoher Inzidenzen in Hagen. Im Ergebnis haben wir jedenfalls ein top-funktionierendes Impfzentrum in unserer Stadthalle – und dort gibt es eben nicht nur keinerlei Rückstau, sondern es fehlt im Gegenteil inzwischen an Impfdosen, um das gute Tempo aufrechtzuerhalten.

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Was schlagen Sie vor?

Wir brauchen meines Erachtens rasch eine befristete Ausnahmeregelung, und zwar dass unser gut funktionierendes Impfzentrum in der Stadthalle wieder mit ausreichenden Mengen an Impfstoff versorgt wird, um über diesen Weg unsere gut gestartete Impfkampagne in Hagen fortsetzen zu dürfen.

Hört sich an wie ein Hilferuf.

Und soll auch so verstanden werden: Als Hilferuf nach einer raschen Anpassung der Impfstoff-Verteilungs-Planung in NRW an die Besonderheiten unserer Stadt, gegen die wir uns aktuell nicht anders zur Wehr setzen können als alle unsere niedergelassenen Haus- und Fachärzte zu bitten, aktiv an der Impfkampagne teilzunehmen und Maximalmengen an Impfstoff selbst dann zu bestellen, wenn sie diese wahrscheinlich gar nicht in der Praxis verimpfen können. Was übrig bleibt, kann ans Impfzentrum abgegeben werden, wo die Kapazitäten bestehen, ausreichend Termine für entsprechend priorisierte Patienten zu machen. Denn wie die Berichterstattung Ihrer Zeitung über den Schädlingsbekämpfer gezeigt hat, impfen wir mitnichten einfach jeden, der kommt.

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Ein Beispiel, kein Einzelfall.

Geht es am Ende nicht vor allem um eins? Der Impfstoff muss in den Muskel – und zwar je schneller, desto besser. Und müsste man nicht dann bei der Impfstoff-Verteilung die Städte und Strukturen belohnen statt zu bremsen, die genau das schaffen? Stattdessen erhält Hagen die geringsten Impfstoffmengen im gesamten Kammergebiet. Da ist es kein Wunder, dass wir auf eine Inzidenz von 300 zusteuern.