Hagen. Die Stadt Hagen rudert beim mobilen Impfen in Wehringhausen und Altenhagen zurück. Das Angebot gilt nicht nur für Rumänen und Bulgaren.

Am Tag, nachdem bekannt geworden war, dass die Stadt Hagen Rumänen und Bulgaren mit mobilen Teams in Wehringhausen und Altenhagen impfen will, erfolgt überraschend die Kehrtwende. „Die Impfaktion richtet sich an obdachlose Personen und Bürger in prekären Wohnverhältnissen – sowohl mit als auch ohne Migrationshintergrund“, erklärt Clara Treude, Sprecherin der Stadt Hagen. Von einer Impfung, die bestimmte Nationalitäten bevorzugt, ist also nicht mehr die Rede.

Das wiederum hatte zuvor noch ganz anders geklungen. Die Aktion diene dazu, jene Rumänen und Bulgaren, die zu den Risikogruppen gehören, zu impfen, so die Stadt. Auf Nachfrage erklärte man noch, dass niemand aus dieser Gruppe weggeschickt werde, auch wenn er nicht zu den bislang bekannten Priorisierungsgruppen zähle. In einem offiziellen Schreiben der Stadt, das in Altenhagen und Wehringhausen an Rumänen und Bulgaren verteilt worden war, ist von Priorisierungsgruppen denn auch nicht die Rede. Es richtet sich an alle Mitbürger, die aus einem der beiden Staaten „in unsere Stadt Hagen zugezogen“ sind.

Orientierung am Kölner Modell

Corona in Hagen: Ministerium findet Angebot sinnvoll

Das Gesundheitsministerium NRW erklärt, dass aufsuchende Angebote in sozial belasteten Stadtteilen mit hohen Inzidenzen sinnvoll seien, um Menschen zu erreichen, die – aus den unterschiedlichsten Gründen – die Regelangebote nicht wahrnehmen.

Eine Priorisierung nach Staatsangehörigkeit ist weder zulässig noch mit den entsprechenden Vorgaben im Rahmen der Impfkampagne vereinbar.

Plötzlich aber orientiert man sich am Kölner Modell, wo vor den Hochhaussiedlungen im Stadtteil Chorweiler (Inzidenz 600 und höher) mobile Impfteams vorgefahren waren. Das wiederum hatte allerdings für eine Nachfrage gesorgt, die sich schwer bewältigen ließ.

„Die Coronaimpfverordnung des Bundes lässt ein Impfen von Personen, bei denen aufgrund ihrer Arbeits- oder Lebensumstände ein deutlich erhöhtes Risiko einer Infektion mit dem Coronavirus besteht, ausdrücklich zu“, erklärt Treude die neue Strategie. Um die Hemmschwelle möglichst niedrig zu setzen, fänden die Impfungen vor Ort an öffentlich zugänglichen Stellen statt (Bodelschwinghplatz in Wehringhausen, Marktplatz Altenhagen).

Personengruppen gezielt angesprochen

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Im Vorfeld wurden laut Stadt Personengruppen von Streetworkern und Sprachmittlern des Quartiersmanagements gezielt angesprochen – bekannt ist dies allerdings nur von rumänischen und bulgarischen Bürgern. Das Land NRW stelle der Stadt Hagen eigens zu diesem Zweck Impfstoff zur Verfügung. Bleibe Impfstoff übrig, geht dieser zurück an das Impfzentrum und könne bei ähnlichen Impfaktionen wieder eingesetzt werden.

Eine hohe Anzahl an Kommentaren hatte unsere Berichterstattung in den sozialen Netzwerken hervorgerufen (siehe Seite 2). Reaktionen gab es auch aus dem politischen Lager. Zumal alle im Rat der Stadt Hagen vertretenen Fraktionen eint, dass sie mehr oder weniger zufällig – zum Teil auch durch die Berichterstattung dieser Zeitung – von dem Vorhaben erfahren hatten. In den regelmäßigen Besprechungen zwischen Verwaltungs- und Fraktionsspitze war das durchaus umstrittene Projekt offenbar kein Thema.

Hagener Politik fühlt sich schlecht informiert

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„Dass man in bestimmten Gruppen tätig werden muss, steht für mich völlig außer Frage“, sagt Jörg Klepper, Fraktionsvorsitzender der CDU, „wichtig ist, dass es sich um zusätzlich bereitgestellte Dosen handelt und niemandem etwas weggenommen wird.“

Ähnlich schätzt auch Claus Rudel (SPD), den Plan ein: „Möglichst schnell in Hagen eine Herdenimmunität zu erreichen, ist ein übergeordnetes Ziel“, so der Fraktionsvorsitzende, der gleichzeitig die Verwaltungsspitze und den Oberbürgermeister kritisiert. „Wie die Kommunikation gelaufen ist – das ist schon äußerst problematisch.“

Lob für die Arbeit im Krisenstab

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Die in Teilen aufopferungsvolle Arbeit der Verantwortlichen im Krisenstab unterstreicht Grünen-Fraktionsvorsitzende Nicole Pfefferer: „Ich glaube, dass man sich dort intensiv Gedanken macht, wie man die Impfquoten weiter steigern kann. Ales, was da hilft, ist gut.“

Deutliche Kritik am ursprünglichen Plan hat Michael Eiche (AfD) geäußert. Auch mit den jetzt getroffenen Regeln kann er sich nicht anfreunden: „Grundsätzlich ist es okay, wenn der Oberbürgermeister endlich erkennt, wo die Hotspots sind, aber das wussten alle seit Monaten“, so Eiche. Mehrfach habe er im Rat gebeten, Parteipolitik hinter sich zu lassen und die Probleme anzugehen – ohne falsche Angst vor reflexartigen Rassismusvorwürfen.“

Stadt schwenkt auf Kurs der Bezirksregierung ein

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Auch Jochen Löher, Hagen Aktiv, beurteilt den ursprünglichen Plan kritisch: „Ich gönne jedem Menschen, egal welcher Herkunft, eine schnelle Impfung. Aber diese Aktion konnte ich nicht verstehen. Es gibt so viele Bürger die seit dem Impfbeginn am 27. Dezember warten und sich darauf verlassen haben, dass es nach einer festgelegten Priorisierung geht.“

Dass ein Impfen nach Nationalität rein rechtlich schon nicht in Frage kommt, unterstreicht die Bezirksregierung in Arnsberg: „Wer sich in die Schlange stellt, wird geimpft“, so Sprecher Christoph Söbbeler. „Es muss vollkommen unabhängig von der Nationalität um Menschen in prekären Wohnverhältnissen gehen.“

Ein Kurs, auf den die Stadt mittlerweile auch eingeschwenkt ist.