Helfe. Vor den Augen der klagenden Anwohner wächst die Riepe-Erweiterung in die Höhe. Das Unternehmen sieht sich auf Kurs. Aber es bleibt ein Risiko.

Für den Normalbürger ohne juristisches Wissen ist es eigentlich kaum noch nachvollziehbar, was gerade auf dem Baufeld an Knippschild- und Buschstraße geschieht, wo sich das Sanitätshaus Riepe auf einer knapp 17.000 Quadratmeter großen Fläche erweitert und bereits mit dem Bau eines neuen Manufakturgebäudes begonnen hat. Und das, obwohl Anwohner Klage gegen den für das Vorhaben beschlossenen Bebauungsplan eingereicht haben, über die noch nicht entschieden ist. Einen Eilantrag der Anwohner für einen vorläufigen Baustopp hat das Verwaltungsgericht Arnsberg abgewiesen. Die Begründung dazu deuten Anwohner-Anwalt Hendrik Kaldewei und das Sanitätshaus Riepe allerdings völlig gegensätzlich.

Wo Riepe nun anfängt, sich zu erweitern, waren vorher Schafswiesen und Naturflächen.
Wo Riepe nun anfängt, sich zu erweitern, waren vorher Schafswiesen und Naturflächen. © Michael Kleinrensing

Bebauungsplan wird mit Normenkontrollklage vor Oberverwaltungsgericht angegriffen

Seit Monaten liegen Anwohner und Riepe über Kreuz. Sämtliche politische Gremien hatten dem Riepe-Vorhaben zugestimmt und der Rat letztlich den neuen Bebauungsplan beschlossen. Doch für die Anwohner und ihren Anwalt Hendrik Kaldewei bleibt es bis heute dabei: Das Riepe-Vorhaben sei an dieser Stelle absolut unverträglich. Kaldewei greift deshalb den für einen Teil des Geländes seit Jahrzehnten bestehenden Bebauungsplan per Normenkontrollklage vor dem Oberverwaltungsgericht Münster an.

Denn in diesem Plan seien nur Verwaltungsgebäude und öffentliche Grünflächen in Form einer Parkanlage dargestellt. Jetzt entstehe hier störendes Gewerbe, wodurch das Plangebiet komplett verändert werde. Und die Wohnsituation der Anwohner. Riepe will ein teilweise zweigeschossiges Manufakturgebäude bauen. Auf dem übrigen Gelände sind Anlagen mit Fahrstraßen, Gehwegen, Parkplätzen und Grünflächen geplant.

Die Stahlgerüste wachsen vor den Augen der Anwohner in die Höhe

Schockierend für die Anwohner, die zuvor ins Grüne schauten und nun bereits das Stahlgerüst des späteren Manufakturgebäudes vor sich hochklettern sehen, ist derweil, dass der Bau mehr als zügig voranschreitet. Das ganze Ausmaß der gefühlten Unverträglichkeit kommt jetzt bereits schon zum Vorschein. Und dann schmettert das Verwaltungsgericht in Arnsberg auch noch den Eilantrag zum vorläufigen Baustopp bis zu einem Urteil in der Anfechtungssache ab.

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Die Begründung macht Andeutungen mit Blick auf das Hauptverfahren

Aus Anwohnersicht ist einmal mehr der Eindruck entstanden, dass der Protest gegen das Vorhaben nicht sonderlich ernst genommen wird. „Das ist auch absolut verständlich“, sagt Rechtsanwalt Hendrik Kaldewei, der in der Ablehnung des Eilantrages zum Baustopp deutliche Hinweise sieht, dass sich der beschlossene Bebauungsplan im Hauptverfahren als nicht mehr zulässig erweisen werde.„Nach meiner Lesart geht das Gericht davon aus, dass der Bebauungsplan unwirksam sein wird“, so Kaldewei.

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Auch wenn es paradox klinge: Das Gericht erkenne bereits, dass das Vorhaben zwar rechtswidrig sei, aber nicht gegen die Belange der Anwohner verstoße. Das Gericht stelle fest, dass es an der Stelle zwar keinen Gebietserhaltungsanspruch gebe. „Das sogenannte Einfügegebot aber ist nicht eingehend geprüft worden“, sagt Kaldewei. Vereinfacht gesagt muss die Baubehörde dabei prüfen, wie sich das Vorhaben in die nähere Umgebung einfügt. Immerhin macht das Verwaltungsgericht in seiner Begründung diese etwas verklausulierte Aussage: (…) „Ausgehend hiervon lassen sich weder der Teilbaugenehmigung selbst noch der Genehmigungsakte greifbare Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die planungsrechtliche Beurteilung nach der Art der baulichen Nutzung von der Bauaufsichtsbehörde (erneut) geprüft worden ist.“

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Hat die Stadt auf eine weitere Prüfung verzichtet?

Hat die Stadt auf diese Prüfung etwa verzichtet? Die Stadt antwortet nüchtern: „Im Rahmen eines rechtsverbindlichen Bebauungsplans erfolgt die Beurteilung eines Bauvorhabens im Hinblick auf die Einhaltung der hierin getroffenen planungsrechtlichen Festsetzungen. Das beantragte Vorhaben wurde daraufhin geprüft, es entspricht den Festsetzungen des Bebauungsplans“. Ein Klageverfahren bedinge nicht sofort eine aufschiebende Wirkung für die Ausführung eines genehmigten Vorhabens. Die bei Gericht beantragte Aufschiebung sei abgelehnt worden, daher könne das Bauvorhaben weiter ausgeführt werden.

Für Riepe bleibe laut Hendrik Kaldewei aktuell ein hohes strategisches Risiko. Unterliege das Sanitätshaus nämlich in der Anfechtung des Bebauungsplanes, drohe nicht nur der Baustopp, sondern auch der mögliche Rückbau. Ein neuer Bebauungsplan müsste dann erst wieder geschaffen werden. Es würde enorm viel Geld versenkt.

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Sanitätshaus entgegnet: Mögliche Mängel würden sich rückwirkend heilen lassen

Das Sanitätshaus Riepe sieht sich, im Gegensatz zu Rechtsanwalt Hendrik Kaldewei, komplett bestätigt durch den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Arnsberg gegen den Eilantrag. „Das Verwaltungsgericht Arnsberg hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Nachbarn gegen die Baugenehmigung abgelehnt. Eine Verletzung der Nachbarn in eigenen subjektiven Rechten sei auf der Grundlage des von der Stadt Hagen aufgestellten Bebauungsplans nach Prüfung nicht gegeben. Weder ein Gebietserhaltungsanspruch noch ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme seien feststellbar“, erklärt das Unternehmen in einer Stellungnahme auf Anfrage. Es könne offen bleiben, ob der Bebauungsplan wirksam oder unwirksam ist, da auch im Falle seiner Unwirksamkeit keine Verletzung der Kläger in eigenen subjektiven Rechten gegeben sei. Vereinfacht gesagt: So oder so würden die Nachbarn durch die Erweiterung nicht gestört.

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Das Verwaltungsgericht hätte laut Riepe in dem Beschluss keine Zweifel an der Wirksamkeit des maßgebenden Bebauungsplan geäußert. „Dies musste es auch nicht, da sich im Falle der Unwirksamkeit des Bebauungsplans keine andere Beurteilung ergeben würde. Auch in diesem Fall hätte die Klage der Nachbarn keinen Erfolg“, erklärt Riepe. Und abschließend: „Ungeachtet dessen ließen sich Mängel des Bebauungsplans, die bisher nicht festgestellt werden konnten, in einem ergänzenden Verfahren nach dem Baugesetzbuch – auch mit Rückwirkung – durch den Rat der Stadt Hagen heilen. Im Ergebnis hat das Verwaltungsgericht eindeutig festgestellt, dass nach der Prüfung die Klage in der Hauptsache keinen Erfolg haben wird. Insbesondere der von dem Vorhaben ausgehende Lärm ist aufgrund der Einhaltung der Immissionsrichtwerte von den Anwohnern hinzunehmen.“ Hierbei stelle das Verwaltungsgericht klar, dass wesentliche Tatsachenbehauptungen der Anwohner nicht nachvollziehbar und Einwände nicht überzeugend seien.