Helfe. Das Sanitätshaus Riepe darf sich an der Knippschildstraße erweitern. Die Anwohner indes fühlen sich mehr als übergangen.
Während der Stadtentwicklungsausschuss, die Bezirksvertretung Nord und der Rat in dieser Woche einstimmig beschlossen, den Weg für einen Bebauungsplan zur Erweiterung des Sanitätshauses Riepe an der Knippschildstraße frei zu machen, herrscht bei den Anwohnern der Busch- und Baurothstraße weiterhin absolutes Unverständnis über die Vorgehensweise der Stadt Hagen mit Blick auf das 19.000 Quadratmeter große Areal.
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„Für uns Anwohner geht es eigentlich konkret schon gar nicht mehr nur um Riepe und sein Vorhaben, sondern um das generelle Verhalten der Stadt Hagen, wie Bauvorhaben mit fragwürdigen Mitteln durchgedrückt werden sollen“, sagt Anna Knittler. Die 31-Jährige lebt in der Buschstraße direkt am baldigen Baufeld, wo das Sanitätshaus Riepe sowohl Verwaltungstrakt als auch eine Manufaktur errichten will.
Betroffene halten den Ausdruck „Manufaktur“ für strategisch geschickt gewählt
„Wobei der Begriff der ‚Manufaktur‘ strategisch geschickt gewählt wurde. Er erweckt den Eindruck eines kleinen, emissionsarmen Betriebes, der sich unauffällig in das Landschaftsbild einfügt. Tatsächlich sehen wir uns aber mit einem Bauvorhaben von erheblichem Ausmaß inmitten eines ökologisch wertvollen Areals konfrontiert“, sagt Anna Knittler. Und weiter: „Gleichzeitig ist die Stadt Hagen aber stolze Teilnehmerin am vom Bund und Land NRW geförderten Projekt „Global nachhaltige Kommune“, trifft in diesem Zusammenhang vielfältige politische Absichtserklärungen zum Klima- und Artenschutz und spricht von gesundem Leben.“
„Wir halten das Vorgehen der Stadt für rechtswidrig“, sagt Anna Knittler
Es sei ein schmaler Grat für die protestierenden Anwohner, beschreibt Anna Knittler die Lage. Schnell erwecke man den Eindruck, nur ein Protest-Bürger zu sein, der seine eigene schöne Aussicht retten wolle. „Was sich hier vor unserer Haustür abspielt, betrifft indes nicht nur unsere persönlichen Interessen. Wir halten das Vorgehen der Stadt Hagen, angefangen bei der Verfahrenswahl, für rechtswidrig und falls dies so ist, würde der Bebauungsplan trotzdem Gültigkeit erlangen, wenn er nicht einer gerichtlichen Kontrolle unterzogen wird.“
Anwohner hätten sich einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan gewünscht
Der Fall zeige zudem einmal mehr, wie gleichgültig Bürgerbelange der Stadt zu sein scheinen. „Die Informationspolitik bei diesem Vorhaben war, gelinde gesagt, eine Katastrophe“, sagt Knittler. Auch die Bürgerinformation, die später erfolgt sei, habe es in dieser Form nur gegeben, weil die Anwohner so viel öffentlichen Druck erzeugt hätten. Das wäre sonst vermutlich, wie so viele Verfahren in Hagen, einfach durchgewunken worden.“ Ein vorhabenbezogener Bebauungsplan wäre hingen genau der richtige Weg gewesen – und nicht der Plan im vereinfachten und schnelleren Verfahren.
Viele Dinge ergeben keinen Sinn
Es kämen angesichts dieses Vorhabens viele Dinge zusammen, die eigentlich keinen Sinn ergeben oder gegen jede nachhaltige Planung verstoßen würden. Ein Teil der aus Sicht der Anwohner schützenswerten Gebiete um die Buschbachteiche, die für Millionen renaturiert worden seien, werde überplant, weitere Lärmbelästigung in der ohnehin lärmgebeutelten Stadt käme hinzu, noch dazu in direkter Anwohnernähe. „Wir haben den Klimanotstand in Hagen ausgerufen, und nun soll eine 19.000 Quadratmeter große Fläche, die zu den Ausläufern des Fleyer Waldes und zum einst geplanten Grünzug von der Hamecke bis zur Buschstraße gehört, geopfert werden. Das passt doch alles nicht zusammen“, sagt Knittler. Das Vorhaben sei einzig und allein auf Riepe geprägt, von den Anwohnern am Baufeldrand gepachtete Flächen längst von der Stadt gekündigt, und das 2015 mit nahezu gigantomanischen Ausmaßen errichtete Regenrückhaltebecken solle nach Kenntnisstand der Anwohner auch gleich noch dazu dienen, dass Riepe das Abwasser einer geplanten Waschstraße ableiten könne. Keiner der Anwohner glaube mehr an ein offenes, ausgewogenes Verfahren, bei dem nicht längst Absprachen im Vorfeld Fakten geschaffen hätten.
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Totschlagargument Arbeitsplätze
„Wir wünschen uns eine rechtsfehlerfreie und gerechte Interessenabwägung. Stattdessen beugt sich alles dem Totschlagargument der Arbeitsplatzsicherung durch die Expansion von Riepe“, sagt Knittler. „Wir wollen diesem Argument seine Stärke gewiss nicht absprechen. Aber wir werden auch nicht hinnehmen, dass dieser Vorwand zu einem Freifahrtschein für die Firma Riepe wird. Für ein Unternehmen ist es mit einem solchen Vorbringen sehr einfach, sich die pauschale Zustimmung zu sichern. Die Vorstellung vom Verlust unseres Arbeitsplatzes weckt in uns die gleichen Ängste. Natur- und Nachbarschaftsschutz, werden ausgeklammert.“
Mit alten Bebauungsplan wäre man Anwohnern mehr entgegengekommen
Man wäre den Anwohnern wohl schon enorm entgegenkommen, wenn der bisher geltende Bebauungsplan aus dem Jahr 1990 einfach weiter Bestand gehabt hätte. Der sieht, vereinfacht gesagt, nämlich nur eine Bebauung der Hälfte der Fläche und nur hinter dem Mahnamt an der Knippschildstraße vor. Naturschutz, Durchlüftung, Distanz zu den Anwohnern – all das würde aus Sicht der Betroffenen in einer Form gewahrt, die annehmbar wäre.
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Durch die Schließung einer Baulücke soll zusätzlich neuer Wohnraum entstehen
Die Stadt Hagen bleibt indes bei ihrer Haltung, dem Bauvorhaben von Riepe positiv gegenüberzustehen. In der Begründung zur finalen Beschlussvorlage hieß es: „Ziel des neu aufgestellten Bebauungsplans ist es, durch Innenentwicklung dem Flächenverbrauch im Außenbereich entgegenzuwirken. Neben dem Erhalt und der Schaffung von Arbeitsplätzen, wird durch die Schließung einer Baulücke auch neuer Wohnraum geschaffen. Zudem ergibt sich durch die Einleitung des Bebauungsplans die Chance, längst fällige Grün- und Ausgleichsmaßnahmen des Bebauungsplans 5/88 (Anmerkung: gemeint ist der aus dem Jahr 1990) zu verwirklichen und somit die bestehenden Grünflächen ökologisch aufzuwerten.“
Unternehmen will Standort stärken
Bei Riepe heißt es, es sei Hauptziel des Unternehmens, den Heimatstandort Hagen zu stärken. Die Standortauswahl sei aufgrund von mangelnden Alternativen erfolgt. Das liege daran, dass eine bestmögliche Verkehrsanbindung und Zentrumsnähe wichtig für das Unternehmen seien. Manufaktur und Logistik seien bei einem Neubau an der Knippschildstraße unter einem Dach, was ein optimales Verhältnis aus Produktion und Lieferkette ermögliche.
Das größere Lager soll Anlieferungsverkehre minimieren
Das größere Lager verringere Anlieferungsverkehre und senke die CO2-Bilanz. Als Unternehmen mit klarem Zukunftskurs könne der erhöhte Platz Optionsräume für neue Maschinentechnologien einräumen. Und: Es werde eine Waschstraße für Reha-Hilfsmittel (Pflegebetten oder Rollstühle z. B.), die TÜV-zertifizierte Keimfreiheit garantiere, entstehen.