Hagen. Homosexualität soll Sünde sein, sagt der Vatikan. Hagens Dechant würde Schwule segnen und hisst nun an allen Kirchen die Regenbogenfahne.

Pfarrer und Dechant Dieter J. Aufenanger setzt mit seinem Pastoralteam ein Zeichen und wird an allen Kirchen des Pastoralen Raums Am Hagener Kreuz die „Regenbogenflagge“ hissen. Sie steht für Aufbruch, Veränderung, Frieden, sie ist ein Zeichen der Toleranz, der Vielfalt, der Hoffnung und der Sehnsucht. „Auch wenn die katholische Kirche keine Möglichkeit eröffnet, die Beziehung von homosexuellen Menschen zu segnen, zeigen wir in diesen Tagen unsere Solidarität“, hat das Pastoralteam dazu in einem Facebook-Posting veröffentlicht. Und weiter: „Alle Menschen, gleich welcher sexuellen Orientierung, sind in unseren Gottesdiensten und Kirchen willkommen. Gott segne jede und jeden Einzelnen von ihnen.“

Pfarrer Aufenanger, reden wir nicht lange drumherum: Würden Sie als Geistlicher ein homosexuelles Paar segnen?

Dieter Aufenanger Es spricht aus meiner Sicht überhaupt nichts dagegen, zu segnen. Um das auch noch einmal deutlich zu sagen: Wir sprechen hier nicht von einer kirchlichen Trauung, sondern einem Segen, in dem zum Ausdruck gebracht wird, dass Gott dich lieb hat. Egal wer du bist, egal wie du denkst und egal, wen du liebst. Egal, ob du also schwul bist oder nicht.

Die Regenbogenfahne will Pfarrer Dieter Aufenanger an Kirchen seines pastoralen Raumes aufhängen lassen.
Die Regenbogenfahne will Pfarrer Dieter Aufenanger an Kirchen seines pastoralen Raumes aufhängen lassen. © dpa | Wolfgang Kumm

Das hat ihr oberster Hirte, Papst Franziskus, aber zuletzt ganz anders interpretiert. Er sprach davon, dass man homosexuelle Paare nicht segnen könne, weil es sich um Sünde handele.

So ganz ist dies nicht richtig wiedergegeben. Es geht um die Frage, ob die Kirche die Vollmacht habe, Verbindungen von Personen gleichen Geschlechts zu segnen. Und diese Frage wird von der Glaubenskongregation verneint aufgrund der bisherigen kirchlichen Lehre sowie bisheriger römischer Dokumente. Die Glaubenskongregation wird – das ist meine Haltung als Geistlicher – mit Widerspruch in dieser Sache rechnen müssen. Wir dürfen nicht vergessen, dass die „Institution Kirche“ eine 2000-jährige Geschichte hinter sich herträgt und bestimmte Betrachtungsweisen aus heutiger Perspektive vielleicht auch nicht mehr zeitgemäß sind. Ich finde, unter anderem die Lehre der Sexualmoral der Kirche muss auch die Lebenswirklichkeit im Blick haben. Gleichgeschlechtliche Liebe ist eine gesellschaftliche Realität bei uns. Genau wie es irgendwann für viele eine Realität geworden ist, die Pille zur Verhütung zu nehmen, obwohl die Kirche das anders sieht. Der Zwiespalt, der da bei Christen entsteht, tut weh. Und ich finde, da lässt man Christen auch oft allein mit.

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Aber kommen Sie persönlich als Geistlicher vor Ort nicht in einen Zwiespalt, wenn Sie in gewisser Weise dem Papst widersprechen?

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Es geht hier nicht um Widerspruch oder Ungehorsam oder Ähnliches. Die Institution Kirche ist keine Demokratie, sondern eine Hierarchie. An der Spitze dieser Hierarchie steht Jesus Christus. Als Mensch, Christ und Priester muss auch ich mir immer neu überlegen, ob es seine Intention gewesen wäre, die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare durchzuführen oder nicht. Letztlich sind wir als Kirche mit den Menschen in den Gemeinden vor Ort auf der Suche nach der Wahrheit. Streit, Widerspruch und Diskurs führen zur Wahrheit, so verstehe ich das und kann dies nachlesen in der Bibel und auch in der Kirchengeschichte. Kirche muss auf die Lebenswirklichkeit der Menschen blicken – in und außerhalb der kirchlichen Gemeinschaft.

Es bleibt vor Ort natürlich trotzdem dabei, dass homosexuelle Paare den Segen nicht erhalten.

Auch das bedarf der Differenzierung. Zum einen ist es erst mal gesagt, dass Verbindungen von Personen gleichen Geschlechts nicht gesegnet werden können. Und gleichzeitig sage ich, dass ich auch an der Seite dieser Menschen stehe, dass Gott sie liebt und dass er sie auch segnet. Deswegen haben wir in unserem Posting auch deutlich gemacht, dass wir die Entscheidung der Kirche „zur Kenntnis“ nehmen, aber eben auch unsere eigene Note hinzugefügt.

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Sie sind nicht allein mit dieser Haltung. Zahlreiche Gemeinden und Geistliche der Region zeigen sich solidarisch mit Homosexuellen oder gleichgeschlechtlichen Paaren. Hat Papst Franziskus da mittlerweile eine exklusive Meinung zu dem Thema?

Der Papst muss immer alle fünf Kontinente im Blick haben, wenn er sich äußert. Er ist das Oberhaupt der katholischen Weltkirche und als solcher äußert er sich auch. So hat er auf den Philippinen oder in weiten Teilen Afrikas für die Veröffentlichung viel Beifall erhalten. Aber da sind die Ansichten völlig anders. Hier bei uns in Deutschland und anderen Ländern stößt diese Aussage der Glaubenskongregation bei vielen allerdings auf Widerstand, das stimmt. Und so muss auch der Papst damit rechnen, dass nicht nur wir in unserem Pastoralteam zu dieser vatikanischen Note uns anders positionieren.

Hängen denn schon Regenbogenflaggen an Ihren Kirchen, die Sie in dem Facebook-Posting in Aussicht gestellt haben?

Sie sind bestellt und sollten nächste Woche eintreffen. Sobald sie da sind, werden wir sie hissen. Dazu stehen wir.

Mit Pfarrer Dieter Aufenanger sprach Mike Fiebig