Hagen. Vatikan verbietet Segnung schwuler und lesbischer Paare. Was Priester aus Südwestfalen dazu sagen. Unterschriftenaktion gestartet
Dass ein katholischer Bischof eine Äußerung der römischen Glaubenskongregation mit rebellischer Kritik kommentiert, ist selten. Es zeigt, wie sehr sich die Welterfahrungen im geschlossenen Systems des Vatikans und in der offenen Ortskirche inzwischen voneinander entfernen. Die Glaubenskongregation hat gestern ihre ausdrückliche Ablehnung einer Segnung gleichgeschlechtlicher Paare bekräftigt. Gott „kann Sünde nicht segnen“, heißt es in der Verlautbarung. Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck betont dazu: „Wir werden mit unseren seelsorglichen Angeboten auch weiterhin alle Menschen begleiten, wenn sie darum bitten – ganz gleich in welcher Lebenssituation.“
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Die katholischen Laien reagieren fassungslos auf die römische Aussage, und die Seelsorger in Südwestfalen sind irritiert. „Ich halte diese Note ebenfalls für unglücklich“, sagt Pastor Michael Schmitt, Leiter des Pastoralverbundes Meschede-Bestwig. „Man muss das Thema auch aus pastoraler Sicht betrachten. Der Mensch ist segensbedürftig, und ich segne ja nicht nur Heilige. Wir sehnen uns nach Segen, damit das Gute in uns wachsen kann. Die Frage ist doch: Segne ich die Beziehung, oder segne ich die Menschen? Ich segne ja erst einmal die Menschen in ihrem Lebensumfeld. Vielleicht findet der Synodale Weg eine offizielle Form der Segnung gleichgeschlechtlicher Paare, ohne dass wir gleich den Ausverkauf der christlichen Ehe betreiben.“
Viele Kirchenaustritte
Pfarrer Georg Schröder, Leiter des Pastoralverbundes Schmallenberg-Eslohe, kann die Äußerung der Glaubenskongregation nicht verstehen: „Wer um den Segen bittet, der hat auch ein offenes Herz, und der soll den Segen erhalten. Wenn zwei Menschen sich lieben, warum darf ich die nicht segnen, wenn sie füreinander Verantwortung übernehmen möchten? Ich begreife manche Äußerungen des römischen Lehramtes nicht mehr. Nach wie vor stellen wir fest, dass die kirchliche Lehre meilenweit von der Lebenswirklichkeit der Menschen entfernt ist. Und ich kann nicht erkennen, dass die da mal eine Brücke schlagen wollen. Ich habe zur Zeit ganz viele Kirchenaustritte, jede Woche. Das ist vermutlich der Woelki-Effekt. Die homosexuellen Paare, die einen Segen erbitten, sind doch Menschen, die am Glauben hängen. Und denen soll ich die Tür vor der Nase zumachen? Nein!“
Dieter J. Aufenanger, Dechant des Dekanates Hagen-Witten, setzt auf Einzelfalllösungen, um den Bedürfnissen der Katholiken gerecht zu werden: „Die meisten denken bei dem Stichwort ,Segen für Paare’ evtl. an eine kirchliche Trauung. Eine kirchlichen Trauung für homosexuelle Paare und somit eine kirchliche Segnung als Paar ist zur Zeit nicht möglich, das ist Fakt. Einen Segen auszusprechen ist jedoch möglich, insofern es sich um einen Einzelsegen handelt. Diesen kann man sich auch gegenseitig zusprechen. Darüber hinaus gibt es aber Möglichkeiten, mit dem Paar zu besprechen, wie ein Segen jenseits einer kirchlichen Trauung aussehen kann. Da gibt es viele Möglichkeiten, die einzelnen Menschen segnen, Fürbitten für das Paar und bisher sind auch immer gemeinsam gute Lösungen mit dem Paar gefunden worden. Der Segen als homosexuelles Paar ist nicht möglich und wenn jemand zu mir kommt und um den Segen für sich bittet, bekommt er ihn auch, auch wenn es zwei Personen sind.“
„Menschen bitten mit ganz unterschiedlichen Anliegen um einen Segen, so auch Paare (z.B. Ehejubilare, Eheleute nach Krisenzeiten, eher selten Männer oder Frauen in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft)“, schildert Pater Marian Reke OSB von der Abtei Königsmünste in Meschede. „Wenn ein Mönch angefragt wird, überlegt er mit den Beiden eine für ihre Situation passende Form. Sie kann persönlich gestaltet sein, es gibt aber auch offizielle oder andere Vorschläge. Ein gleichgeschlechtliches Paar wird sicher nicht einfach nach Hause geschickt, sondern zum seelsorglichen Gespräch mit einem der Mönche eingeladen. Entweder kennen die Beiden schon jemand von uns oder wir fragen einen Mitbruder. Er überlegt mit dem Paar, wie der Segen Gottes am besten in ihre Lebenssituation hinein vermittelt werden kann. Eine Form dafür ist nicht vorgegeben. Sie sollte in jedem Fall authentisch sein. Hilfreich zum Verständnis von Segen in der aktuellen Debatte ist, was der Wormser Domprobst Tobias Schäfer auf Facebook schreibt: „Segen ist doch kein Instrument für moralisches Urteil! Sondern die Zusage, dass Gott da ist, dass er mit uns geht. In guten wie in schweren Stunden. Was für eine Hybris zu glauben, wir müssten Gott vor mutmaßlich sündigen Situationen schützen; wir müssten den Segen Gottes schützen, dass er ja nicht die ‘Falschen’ erreicht.’“
Laien erschüttert und wütend
Die katholischen Laien zeigen sich erschüttert über die Diskriminierung, die in der Vatikan-Note sichtbar werde. „Ich bin wütend über diese Absage! Sie zeigt leider einmal mehr, dass von Rom keinerlei Lernbereitschaft, geschweige denn Reformwille ausgeht“, sagt Annika Manegold, BDKJ-Diözesanvorsitzende in Paderborn. „Ich bin sprachlos, wie Verantwortliche nach dieser Absage noch denken können, dass hierdurch keine Menschen diskriminiert werden. Als Dachverband der katholischen Jugendverbände setzen wir uns dafür ein, dass jede*r mit seiner*ihrer sexuellen Orientierung in unserer Kirche willkommen ist. Für uns ist queere Liebe keine Sünde, sondern Lebensrealität und gottgewollt!“
Klaus Pfeffer, Generalvikar des Bistums Essen, findet Sprache und Inhalt der Verlautbarung „erschreckend“. „Ich kann allen Ärger, Zorn und Frust von so vielen Menschen verstehen“, so Pfeffer auf Facebook.
Wir tragen diesen Kurs nicht mit
Bernd Mönkebücher, Leiter des Pastoralverbundes Hamm-Mitte-Osten, will diesen Kurs nicht mehr mittragen. „Mit einem Kollegen aus dem Bistum Würzburg sammeln wir Unterschriften von pastoralen Mitarbeitern, die sagen: Das nehmen wir nicht mehr hin. Wir haben bereits 210 Unterschriften gesammelt. Dieser Umgang mit Homosexualität ist nicht mehr zeitgemäß. Die Glaubenskongregation geht davon aus, dass Sexualität nur in der Ehe gelebt werden darf, und dann beginnt es, sich im Kreis zu drehen. Das geht von einem überholten Begriff von Sexualität aus, der den neuen theologischen Wissensstand nicht berücksichtigt. Das Schreiben hat mit dem Synodalen Weg zu tun. Man hat gemerkt, dass ein Teil der Bischöfe dafür offen ist und meint, das Thema wäre mit einer Verlautbarung abgehakt“
Kommentar:
Die deutsche Bischofskonferenz hat bereits vor Jahren festgestellt, dass der Umgang der Kirche mit Sexualität nicht mehr auf dem neuesten Stand der Wissenschaft ist. Ein Umdenken wurde versprochen. Das alles weiß die Glaubenskongregation in Rom. Warum postulieren die obersten Sittenwächter jetzt erneut ihre Ablehnung von Segensfeiern für homosexuelle Paare? Es stehen ja nicht gerade Scharen von schwulen Männern vor den Kirchentüren. Wie immer in der Kirche geht es um Macht. Ein Kreis konservativer Kleriker versucht mit allen denkbaren Winkelzügen, den Reformprozess zu verhindern.
Allerdings verkennen die Intriganten, dass die Bereitschaft der Gläubigen, sich von der Kirche bis ins Schlafzimmer hinein bevormunden zu lassen, verschwunden ist. Im Gegenteil wächst das Befremden über eine Organisation, die ein christliches Weltbild vertreten will, dabei auf Sexualität regelrecht fixiert ist und lieber ausschließt als einlädt. Maßregelungen für Homosexuelle, für Geschiedene oder – bewahre – für mit Protestanten verheiratete Katholiken sind verlässlich zur Hand.
Das wird alles auf Dauer nichts nützen. Denn ohne Bezug zu den Lebenswirklichkeiten kann eine Religion nicht funktionieren.