Hagen. Die SL Naturenergie will Anwohner an zwei Windrädern in Hagen beteiligen. Der Investor baut zwei 198 Meter hohe Anlagen.
Der Widerstand gegen zwei bereits genehmigte, 198 Meter hohe Windräder auf dem Rafflenbeuler Kopf oberhalb der Selbecke auf Hagener Gebiet formiert sich. Zu Details der Planung, zum weiteren Ablauf sowie zu den Protesten der Anwohner äußert sich Milan Nitzschke, Geschäftsführer des Investors SL Naturenergie, der neben den beiden Windrädern an der Stadtgrenze zu Breckerfeld auch Anlagen in Hohenlimburg plant.
Unternehmen rasant gewachsen
Im Februar 2000 gründete Klaus Schulze Langenhorst die SL Windenergie GmbH. Innerhalb von zwei Jahren realisierte er drei Windparks.
Während 2010 noch fünf Mitarbeiter beschäftigt wurden, bestand das Team im Jahr 2013 aus mehr als 20 Mitarbeitern.
Gesteuert werden die einzelnen Gesellschaften von der SL Naturenergie GmbH. zu der mehr als 100 Windenergie- und 30 Photovoltaikanlagen gehören.
Haben Sie Verständnis für die Sorgen der Anwohner?
Milan Nitzschke: Selbstverständlich habe ich Verständnis, wenn Anwohner, in deren Nachbarschaft etwas gebaut wird, erstmal beunruhigt sind. Die Anlagen sind groß, und das Internet ist voll mit abenteuerlichen Geschichten über angeblichen Lärm, Schatten und Vogelbedrohung. Wenn das aber alles stimmen würde, dürfte es ja gar keine Genehmigung für ein solches Projekt geben. Tatsächlich sind all diese Themen inzwischen rechtlich und technisch geregelt. Wir laden gerne jede und jeden ein, sich an Anlagen des gleichen Bautyps selbst ein Bild zu machen. Wir haben uns inzwischen auch selbst an Anwohner gewandt und werden voraussichtlich Ende des Monats eine öffentliche Informationsveranstaltung dazu anbieten. Wir haben kein Interesse daran, dass die Bewohner die Windkraftanlagen als Fremdkörper empfinden. Im Gegenteil, sie werden Teil der Energieversorgung des Ortes werden und dort den sauberen Strom erzeugen, der angesichts des Klimawandels dringend gebraucht wird.
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Anwohner beschweren sich, dass sie bislang nicht informiert worden sind...
Na ja, bereits 2015 wurde im Rahmen des Entwurfs zum neuen Flächennutzungsplan von allen potenziellen Windkraftbetreibern eine Informationsveranstaltung durchgeführt, bei der mehrere hundert Hagener zu Besuch kamen. Die Veranstaltung wurde öffentlich von der Stadtverwaltung und den Betreibern bekannt gemacht. Das ist lange her und mag einigen nicht mehr sofort in Erinnerung sein. Aber so lange hat es gedauert, bis nun nach langer Wartezeit aufgrund von Gerichtsverfahren die Genehmigungen erteilt wurden.
Ist eine Beteiligung von Anwohnern an den Anlagen vorgesehen?
Ja. Grundsätzlich ist es unser Ziel, bei unseren Projekten möglichst viel Wertschöpfung vor Ort zu belassen. Wir haben alle eine Verantwortung dafür, den schon längst begonnenen Klimawandel abzumildern. Gleichzeitig müssen wir auch dann verlässlich Strom erzeugen, wenn Kohle und Atomkraftwerke abgeschaltet sind. Das geht nur, wenn Bürger, Gemeinden und Unternehmen an einem Strang ziehen. Wenn sich Bürger und Gemeinden für den Klimaschutz einsetzen und Windenergieanlagen ermöglichen, sollen sie davon auch profitieren können.
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Wie sind die Abstände zur nächsten Wohnbebauung?
Nach Rafflenbeul beträgt der Abstand etwa 750 Meter. Sogenannten Schlagschatten müssen die Anwohner nicht fürchten, denn dafür müsste die Sonne von Norden scheinen. Zum Restaurant „Zum Tanneneck“ als ungefährer Beginn des bebauten Stadtgebietes Hagen beträgt der Abstand circa 850 Meter. Zum Freilichtmuseum beträgt der Abstand circa 700 Meter. Die Rotoren und der obere Teil des Turms werden von dort zu sehen sein. Zu Einzelhäusern im Westen der Standorte beträgt der Abstand zwischen 500 und 800 Meter – allerdings liegen die Häuser deutlich tiefer nach Hangneigung, so dass sehr wenig Schattenwurf erfolgt. Zum Teil verhindern Bäume einen Schattenwurf.
Und trotzdem lassen sich Schlagschatten nicht vermeiden...
Dafür gibt es klare Regeln. Windkraftanlagen dürfen pro Jahr allerhöchstens acht Stunden Schattenwurf auf Wohngebäude erzeugen. Sollten diese tatsächlich mal in einem Jahr erreicht werden, garantiert ein Algorithmus in der Anlage, dass sie abschaltet, bis sich der Sonnenstand ausreichend geändert hat. Das war früher anders und dort war Schattenwurf für Anwohner oft ein Problem. Heute ist das technisch und rechtlich gelöst.
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Wie sieht es mit Lärm aus?
Gegenüber jedem Haus besteht ein Grenzwert nach „TA Lärm“ in maximaler Höhe von 45 dB(A). Gegenüber Häusern in allgemeinen und reinen Wohngebieten besteht sogar ein Grenzwert von maximal 40 bzw. 35 dB(A). Diese Werte beziehen sich auf die Zeit nach 22 Uhr zur Berücksichtigung der nächtlichen Ruhe. Tagsüber liegen die Grenzwerte zwischen 45 und 60 dB(A) je nach Gebietscharakter. Das gilt im übrigen für jede Lärmquelle gleich, ob Windkraftanlage oder Gebäudelüftung. Dabei ist die Schalleinstellung auf seltene Starkwindzeiten ausgelegt. In der Praxis werden diese Grenzwerte fast immer deutlich unterschritten bleiben.
Wann soll mit den Arbeiten begonnen werden?
Nach der Genehmigung müssen die Anlagen noch in die Ausschreibung bei der Bundesnetzagentur. Erst nach Ausschreibungszuschlag wird mit dem Bau begonnen. Erste Möglichkeit wäre etwa im Spätsommer/Herbst, die Inbetriebnahme ist aber erst in im Jahr 2022 vorgesehen.
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Wie werden die Areale erschlossen?
Die Zuwegung zu den Standorten soll über die öffentliche Straße zum Ort Rafflenbeul im Stadtgebiet Breckerfeld erfolgen. Vom Ortsteil Rafflenbeul aus führt ein Weg weiter, der auf maximal vier Meter Breite, und das auch nur auf einem kurzen Stück, ausgebaut wird. Er führt über die Stadtgrenze nach Hagen und sehr nah an den beiden Standorten vorbei. Die Erschließungszuwegung besteht also bereits fast vollständig. Im übrigen werden wir nicht – wie von Anwohnern kolportiert – 40 Meter Tiefe Betonfundamente in den Boden einbringen. Die Fundamente sind einen halben Meter tief. Noch mal: Wir bieten gerne jedem Anwohner an, sich die Informationen bei uns aus erster Hand zu holen. Unsere Nummer steht im Netz und zu Ende des Monats gibt’s alle Infos noch mal komprimiert für einen großen Teilnehmerkreis.
Wo werden Stromleitungen verlaufen?
Stromleitungen sind nicht Bestandteil des Genehmigungsverfahrens, weil vor erteilter Genehmigung ein Stromversorger dem Betreiber noch keinen Einspeiseort zuweisen muss. Entsprechend erfolgt erst in der in der nächsten Zeit eine finale Abstimmung. Erst dann kann der Verlauf der Stromleitungen geplant werden.
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Wie werden Eingriffe in die Natur kompensiert?
Die Eingriffe in die Natur sind nicht groß, da wir weitestgehend bestehende Wege nutzen können. Nur für Fundament und Kranstellplatz wird eine geringe Fläche versiegelt. Demgegenüber werden aber auf den bisherigen Weideflächen 0,4 Hektar Laubwald neu aufgeforstet und zudem 1,05 Hektar Waldumwandlung von Nadelwald zu Laub- und Mischwald vorgenommen. Vor allem aber produzieren die beiden Anlagen später sauberen Strom, ohne CO2-Emissionen und ohne radioaktive Abfälle.
Anwohner kündigen eine Klage gegen die Genehmigung an – zögert das den Start der Arbeiten hinaus?
Nein, dann könnte in Deutschland kein einziges mehr Windrad gebaut werden, weil immer eine Klage der anderen folgt. Dann wäre es aus mit der Energiewende. Die Umsetzung des Projekts wird nach Erhalt des Ausschreibungszuschlages in angemessener Zeit und unabhängig von der Klage beginnen.