Hohenlimburg / Veserde. Hinter der Grenze zu Hohenlimburg sollen zwei Anlagen entstehen. Eine neue Rechtslage ermöglicht den Baubeginn trotz laufender Klagen
Die beiden Geschäftsführer der „Naturstrom Veserde GmbH“, Jörg Kohberg (Iserlohn) und Rainer Goeken (Schwerte), sind positiv gestimmt. „Endlich dürfen wir grünen Strom produzieren“ haben sie auf ein Banner drucken lassen und am kleinen Wanderparkplatz vor Veserde über jenen Waldweg aufgehängt, der noch in diesem Jahr als Zufahrt zu den beiden neuen Windenergieanlagen dienen soll.
Bauarbeiten im Jahresverlauf
Die Investoren sind optimistisch, dass sich bis zum Jahresende die Rotorblätter der beiden 149,9 Meter hohen und jeweils rund 2,7 Millionen Euro teuren Windräder vom Typ E 92 EP 3 drehen werden. Sobald es die Großwetterlage zulasse, soll mit der Baumaßnahme begonnen werden. „Die Planung steht, und alle Kaufverträge sind unterschrieben“, sagte gestern Jörg Kohberg auf Anfrage. „Wir haben nach Recht und Gesetz gehandelt. Warum sollen wir jetzt nicht starten.“ Wohl wissend, dass Gerichte noch einen Baustopp veranlassen können.
Neue Rechtslage
Hintergrund für den Baubeginn ist das am 9. Dezember 2020 in Kraft getretene Investitionsbeschleunigungsgesetz, das es der 23 Mitglieder zählenden Interessengemeinschaft ermöglicht, ihre Pläne - nämlich den Bau von zwei weiteren Windenergieanlagen an der Stadtgrenze zu Hohenlimburg auf einer Höhe von fast 400 Metern - vorantreiben zu können. Gegen den Bau dieser Windkraftanlagen hatte nach einem Ratsbeschluss vom April 2020 die Gemeinde Nachrodt-Wiblingwerde geklagt. Die Stadt Hagen beschloss im Mai, ebenfalls vor das Verwaltungsgericht in Arnsberg zu ziehen, um den Bau der Anlagen zu verhindern. Zusätzlich haben auch Bürger aus Veserde und Hohenlimburg, die im Nahmertal wohnen und denen in einem Abstand von rund 800 Metern die Windräder vor die Haustür gesetzt werden sollen, Anfechtungsklagen gegen die Baugenehmigung eingereicht. Die Anwohner fürchten u.a. einen Wertverlust ihrer Immobilien (diese Zeitung berichtete) durch Lärm, Infraschall und Schlagschatten der Rotorblätter, der von den Anlagen ausgeht.
Kreisbehörde genehmigt Bau
Grund für diese Klagen ist die Entscheidung des Märkischen Kreises, der den Bau der rund 150 Meter hohen Anlagen genehmigte und damit die Gemeinde Nachrodt-Wiblingwerde und somit die Kommunalpolitiker vor vollendete Tatsache stellte.
Bis zur Verabschiedung des Investitionsbeschleunigungsgesetzes hatten solche Klagen aufschiebende Wirkung für den Beginn einer Baumaßnahme. Um diese jedoch nach Jahren des Wartens beginnen zu können, hatte die „Naturstrom Veserde GmbH“ noch am 26. November am Verwaltungsgericht Arnsberg (AZ: L 1039/20) eine sofortige Vollziehung der Baugenehmigung beantragt.
Gerichtsverfahren steht noch aus
Doch zu einer Verhandlung darüber kam es nicht mehr, weil zwischenzeitlich das Investitionsbeschleunigungsgesetz (§ 63) diese nicht mehr erforderlich machte. Deshalb verfasste die Vorsitzende Richterin der 4. Kammer des Verwaltungsgerichtes jetzt eine Erledigungserklärung an Kläger und Beklagte. Damit ist aber das offizielle Verfahren nicht abgeschlossen, denn das Hauptsachenverfahren ist weiterhin am Verwaltungsgericht Arnsberg anhängig. Wann es zur Verhandlung kommt, ist, so ein Gerichtssprecher, noch unbestimmt.
Bürger wollen an Klage festhalten
Die Stadt Hagen wird sich am 4. Februar in der nächsten Haupt- und Finanzausschusssitzung mit diesem Thema beschäftigen. Wird danach Hagen an der Klage weiterhin festhalten? Das werden auf jeden Fall die Bürger aus dem Nahmertal, die darauf setzen, dass auch die Gemeinde Nachrodt-Wiblingwerde und die Klage führenden Bürger aus Veserde keinen Rückzieher machen und die Entscheidung der Arnsberger Verwaltungsrichter herbeiführen werden.
Sie verweisen dabei auf die Nachbargemeinde Neuenrade. Dort hatte das Oberverwaltungsgericht Münster dem Ansinnen der Bürgerinitiative „Rettet den Kohlberg“ Rechnung getragen und einen Baustopp für die dortigen Windenergieanlagen verkündet. Gegen diese Entscheidung läuft ein Berufungsverfahren des Investors.
Thema in der Bezirksvertretung
Das Thema wird auch die Bezirksvertretung Hohenlimburg in ihrer ersten Sitzung im neuen Jahr beschäftigen. Die Fraktion Bürger für Hohenlimburg fordert vom Rechtsamt der Stadt einen aktuellen Sachstandsbericht zu dem Verfahren gegen Naturstrom Veserde. Die Sitzung ist für den 10. Februar terminiert.
Heimatministerium verweigert den Bau nicht
Die Stadt Hagen wurde als angrenzende Gemeinde in ihrer Zuständigkeit als Untere Immissionsschutzbehörde, Untere Naturschutzbehörde sowie Untere Bauaufsicht vom Märkischen Kreis zu dem Bauvorhaben angehört.
Trotz der Bedenken der Stadt Hagen und des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe in Bezug auf das Baudenkmal Schloss Hohenlimburg wurde durch die NRW-Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung entschieden, den Bau der geplanten Windenergieanlagen nicht zu verweigern. Die negativen visuellen Auswirkungen der Errichtung der Windenergieanlagen auf das Erscheinungsbild des Schlosses wurden zwar gesehen, seien aber zumutbar.
Richtwerte für Lärmpegel nicht überschritten
Im Genehmigungsbescheid führt der Märkische Kreis aus, dass für Hohenlimburg folgende Immissionsrichtwerte durch die Windenergieanlagen nicht überschritten werden: Schleipenbergstraße 56 (60 dB am Tag / 45 dB in der Nacht), Am Roten Stein 5 (55 / 40), Zimmerbergstraße 15 bis 29 (50 / 40 oder 37,5).