Hagen. Was Vertreter des Hagener Einzelhandels und der Gastronomie zu den neuen Beschlüssen sagen und welche Befürchtungen sie haben.

Die Corona-Beschlüsse der Bund-Länder-Konferenz werfen mehr offene Fragen auf als dass sie sinnvolle Perspektiven bieten – da sind sich Vertreter des Hagener Einzelhandels und der Gastronomie einig. „Die Öffnungsstrategie mit verschiedenen Schritten ist gut gemeint, doch ihre Umsetzung viel zu kompliziert“, resümiert Waldimir Tisch.

Wladimir Tisch ist City-Manager und Sprecher der Hagener Werbegemeinschaft.
Wladimir Tisch ist City-Manager und Sprecher der Hagener Werbegemeinschaft. © WP | Michael Kleinrensing

Der City-Manager und Sprecher der Werbegemeinschaft unterstreicht, dass es positiv sei, dass bestimmte Betriebe wie Buchhandlungen ab Montag, 8. März, wieder öffnen dürften, doch diese „Wenn-dann“ und „Inzidentwert unter 50 beziehungsweise zwischen 50 und 100“-Öffnungsregelungen würden den Einzelhändlern keinerlei Planungssicherheit geben. Außerdem müsse man jetzt auf die konkrete Corona-Schutzverordnung des Landes NRW warten.

Landesweite und regionale Lösungen möglich

Zum Hintergrund: Die Ministerpräsidenten haben sich auf landesweite wie regionale Lösungen verständigt. Im Ballungszentrum Ruhrgebiet, zu dem Tisch die Stadt Hagen zählt, sei es bei extrem unterschiedlich hohen Inzidenzwerten schwierig, keine gleichen Öffnungsbedingungen zu schaffen.

Auch Ralf Geruschkat, Hauptgeschäftsführer der SIHK, kritisiert die neuen Beschlüsse der Bund-Länder-Konferenz: „Wenn der Märkische Kreis und die Stadt Hagen Inzidenzwerte von aktuell über 100 verzeichnen und der Ennepe-Ruhr-Kreis zeitgleich unter 100 liegt, ist völlig unklar, wie die Öffnungsstrategie vor Ort umgesetzt werden soll“, so Geruschkat.

Shopping-Laune wird nicht geweckt

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Enttäuscht über die jüngsten Beschlüsse ist auch Rosa Florio, die das gleichnamige Schmuckgeschäft in der Kampstraße 13 führt. „Bei den Kunden wird einfach keine Shopping-Laune geweckt. In der Regel wird ein Einkauf nicht groß geplant, sondern ist eine spontane Aktion“, sagt die Ladeninhaberin und spielt damit auf die Möglichkeit des Einkaufes nach Terminvereinbarung (falls der Inzidenzwert über mehrere Tage unter 100 liegt) an. „Wir werden, wenn es denn möglich wird, Termin-Shopping anbieten, doch viele Kunden werden nicht kommen“, prophezeit Rosa Florio. https://www.wp.de/staedte/hagen/hagen-fragen-ueber-fragen-nach-bund-laender-beschluss-id231718211.html

Und wie werten Hagener Gastronomen den jüngsten Beschluss?

Eine Öffnung der Gastronomie soll möglich sein, wenn die Inzidenz 14 Tage lang stabil bleibt oder sinkt, frühestens aber am 22. März – für die Außengastronomie. Sollte die Inzidenz aber drei Tage in Folge über 100 liegen, soll eine „Notbremse“ greifen.

Für die Öffnung gilt die Regel, dass bei einem Wert unter 50 die Außengastronomie öffnen darf, bei einer Inzidenz von 50 bis 100 sollen nur Kunden mit tagesaktuellem Schnell- oder Selbsttest kommen dürfen, ein Besuch ist nur mit Termin möglich. Grundsätzlich gilt für die Maßnahmen zwar die landesweite Inzidenz, wegen großer regionaler Unterschiede sollen jedoch in einzelnen Kommunen weitergehende Lockerungen oder eben Einschränkungen geprüft werden.

Würde wieder gerne Gäste bedienen: Alptug Olcum, Betriebsleiter im Bar Celona. 
Würde wieder gerne Gäste bedienen: Alptug Olcum, Betriebsleiter im Bar Celona.  © Yvonne Hinz

Alptug Olcum vom Celona in der Innenstadt hatte sich mehr erhofft: „Wir finden das unfair. Die Gastronomie steht immer in der letzten Reihe, trotz guter Sicherheitskonzepte, Kontaktnachverfolgung und Abständen.“ Man bereite sich jetzt zwar auf eine mögliche Öffnung vor – „aber wir gehen nicht davon aus. Die Inzidenzwerte werden vermutlich durch die Öffnungen und die Mutationen nicht drastisch sinken.“

„Einkaufstourismus vermeiden“

Angesichts der anhaltenden Inzidenzwerte in Hagen jenseits der 100er-Schwelle betont Hagens Oberbürgermeister Erik O. Schulz: „Jetzt kommt es vor allem darauf an, dass das Land sehr schnell die Rahmenbedingungen für die anvisierte, deutliche Ausweitung der Testangebote festzurrt. Dabei muss uns allen eines klar sein: Wenn ab jetzt mehr Tests angeboten und auch durchgeführt werden, wird es zunächst zu einem Anstieg der Inzidenz kommen. Welche Konsequenzen das für die geplanten Öffnungsszenarien im Einzelfall haben könnte, ist im Moment nicht vorhersehbar. Fakt ist: Wir müssen alles daransetzen, um einen Einkaufs- oder Freizeit-Tourismus zwischen Städten mit einer unterschiedlichen Inzidenz zu vermeiden!“

Zumal nur noch das Hauptteam von Mitarbeitern mit dabei sei: „Wir sind auf studentische Hilfskräfte angewiesen. Aber wer will denn so einen unsicheren Job, bei dem man nicht weiß, ob es überhaupt losgeht oder ob man drei Tage später schon wieder keinen Job mehr hat.“ Und letztlich bleibe da die Sorge: „Falls es so kommt, dass anderswo die Betriebe wieder aufmachen könnten, dann weichen die Leute halt dorthin aus.“

Die Unsicherheit bleibt

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Kosta Kogkalidis und Michael Tsakiris haben im Sommer 2019 das Restaurant „Goldstück“ auf Haßley eröffnet. Auch Kogkalidis zeigt sich wütend: „Das bringt uns alles nichts. Die Unsicherheit bleibt weiter. Was bringt es uns, aufzumachen und vielleicht nach drei Tagen wieder schließen zu müssen?“ Zumal für eine Öffnung des Außenbereichs auch das Wetter mitspielen müsse: „Es setzt sich ja niemand bei strömendem Regen und Kälte in den Biergarten.“

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