Hagen. Der Corona-Lockdown treibt Gastronomen an den Rand der Existenz. Eine Restaurantchefin aus Hagen will nun Altenpflegerin werden.

Die Nelken im Eingangsbereich lassen die Köpfe hängen, als hätten sie die Hoffnung auf bessere Zeiten aufgegeben. Und tatsächlich: „Die Hoffnung schwindet“, sagt Sonja Nemanfar. Die Inhaberin des Restaurants La belle Epoque in der Neumarktstraße hat schon lange keine Gäste mehr begrüßen dürfen. Der Corona-Lockdown hat sie und ihren Mann an den Rand der Existenz getrieben, und um irgendwie überleben zu können, hat sie sich jetzt als Altenpflegerin beworben: „Ich habe in mehreren Heimen angefragt. Mal sehen, was daraus wird.“

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Das Restaurant in der Innenstadt ist eine beliebte Adresse für kleinere Familien- und Geburtstagsfeiern, für ein Abendessen zu zweit oder in der Gruppe, aber auch für viele Angestellte aus dem Bahnhofsviertel, die hier zum Mittagessen einkehren. Doch seit dreieinhalb Monaten hat in der Gaststätte niemand mehr Platz genommen, nur der Liefer- und Abholservice ist noch erlaubt, sorgt aber nur für bescheidene Umsätze. „Es herrscht tote Hose“, bringt Scharock Nemanfar, der die Küche leitet, die Situation auf den Punkt: „Wir sind ausgesprochen frustriert, vor allem die Ungewissheit ist folternd.“

Es fehlt die Perspektive

Damit meint er das Ausbleiben einer konkreten Öffnungsperspektive. Als die Ministerpräsidenten und die Bundeskanzlerin den Lockdown verlängerten, bekamen nur die Friseursalons grünes Licht für eine Öffnung. Für alle anderen Branchen wurde die Hürde für eine Öffnung ein weiteres Stück höher gelegt. Statt bei einer Sieben-Tages-Inzidenz von 50 soll es erst bei einer Inzidenz von 35 eine Öffnungsperspektive geben. „Diese Ungewissheit ist folternd“, sagt Nemanfar.

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Die staatliche Corona-Unterstützung fließe nur scheibchenweise, lange könnten sie nicht mehr durchhalten, sagen die Eheleute, die das Restaurant seit 20 Jahren betreiben. Deshalb will Sonja Nemanfar zumindest übergangsweise in einem Seniorenheim arbeiten, in der Altenpflege werde ja dringend Personal benötigt, habe sie gehört: „Wie sind verzweifelt, es geht nicht weiter. Irgendetwas muss ich ja tun, um Geld zu verdienen.“

Immer mehr Liquiditätsengpässe

Die Südwestfälische Industrie- und Handelskammer in Hagen (SIHK) berichtet, dass immer mehr Gastronomen Liquiditätsengpässe verzeichnen und auf eine drohende Insolvenz hinsteuern.

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„Täglich kontaktieren uns zahlreiche Gastronomen. Es fehlen dringend benötigte finanzielle Hilfen, die zu langsam beantragt und ausgezahlt werden. Noch entscheidender ist für viele Gastronomen aber die Perspektive der Wiedereröffnung. Ohne Planungssicherheit und die Aussicht auf Besserung wird unternehmerisches Handeln in der Corona-Krise immer schwieriger“, so SIHK-Steuerexpertin Kirsten Jütte.

Die SIHK begrüße daher die Entscheidung der Bundesregierung, den ermäßigten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent auf den Verzehr von Speisen innerhalb von Restaurants und Cafés bis Ende 2022 beizubehalten. „Durch den zweiten, langanhaltenden Lockdown ist die Wirkung der Vergünstigung größtenteils verpufft“, so Kirsten Jütte. Mit der Verlängerung der Maßnahme werde ein positives Zeichen für die heimische Gastronomie gesetzt, das helfen werde, die Corona-Folgen zu bewältigen.

Sechs von zwölf Monaten geschlossen

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Sonja und Scharock Nemanfar sehen das nicht so optimistisch. Die geringere Mehrwertsteuer sei keine große Hilfe: „So lange der Lockdown anhält, bringt sie uns erstmal gar nichts.“ Ihre Gaststätte sei in sechs der vergangenen zwölf Monate geschlossen gewesen: „Wer weiß, ob wir uns am Ende der Pandemie nicht neu orientieren müssen. Auf jeden Fall ist unserer gesamten Branche ein langfristiger Schaden entstanden.“ Für den Hotel- und Gaststättenverband Dehoga sagte Präsident Guido Zöllick, die Not sei „riesig“. Es gebe immer mehr Wut bei den Unternehmern. Auch Zöllick fordert eine Öffnungsperspektive mit Kriterien, die „nachvollziehbar, angemessen und verständlich“ sein müssten. Er sei davon überzeugt, dass die Gastronomie vor Ostern wieder öffnen könne.

So ganz haben Scharock und Sonja Nemanfar die Hoffnung nicht aufgegeben, dass sich die Nelken in ihrem Restaurant doch noch einmal aufrichten werden. Hoffentlich bald.