Hagen. Fotograf Andy Spyra aus Hagen ist im Sudan unterwegs. Seine Bilder erzählen Geschichten, die durch ihn den Weg nach Europa finden.
Warum? Warum auf dem staubig-trockenen Boden einer Einöde in einem Flüchtlingscamp in einem zu dünnen Schlafsack schlafen? Warum sich so lange dem Sand aussetzen, bis tagelang die Lunge schmerzt? Warum das eigene Leben riskieren, um über das anderer zu berichten?
Die Antwort liegt nahe – erst recht für einen Journalisten. Vielleicht zu nahe. Deshalb stellen wir die Frage nach dem Warum trotzdem. „Eigentlich“, sagt Andy Spyra mit Blick auf die Stadtredaktion Hagen, „eigentlich wollen wir doch alle dasselbe. Ihr in Hagen. Ich an den entlegenen Winkeln dieser Welt. Wir wollen Geschichten über Menschen erzählen. Ganz nah dran sein.“
Preisgekrönter Fotograf und Journalist
Vier Monate Bürgerkrieg
Äthiopien ist mit über 80 ethnischen Gruppen und zahlreichen Sprachen ein Vielvölkerstaat. Das Land ist von der Fläche her dreimal so groß wie Deutschland.
Die Bevölkerung wächst rasant, die Infrastruktur hingegen kaum. Das sorgt für Entwicklungsprobleme.
Im August 2020 wurden von der Regierung die Parlamentswahlen mit Verweis auf die Covid-19-Pandemie abgesagt. Drei Monate später eskalierte ein Konflikt darüber zu einem Bürgerkrieg zwischen Zentralregierung und der Regionalregierung von Tigray. Es gibt Berichte über Massaker und Vergewaltigungen.
Also erzählen wir diese Geschichte hier. Die, über einen außergewöhnlichen Menschen aus Hagen. An dem wir nicht so nah dran sind, wie es sich für eine gute Geschichte gehört. Aber es ist Corona. Spyra, preisgekrönter Fotograf und Journalist, der einst mit einer Kamera unter dem Arm in die Stadtredaktion Hagen kam und nach einem Praktikum fragte, ist im Sudan. Das ist weit und nicht nah. Aber die Bilder die er schickt, vermitteln schon beim ersten Betrachten eine außergewöhnliche Nähe.
Andy Spyra reist gerade im Auftrag eines großen deutschen Nachrichtenmagazins in Richtung Äthiopien. Es geht um die Konflikte im Norden dieses bitterarmen Landes in Ostafrika, wo Regierungskräfte Milizen bekämpfen und umgekehrt. Und wo der Konflikt gerade so zu eskalieren droht, dass auch der Sudan in den Krieg verwickelt wird.
Keine Einreise nach Äthiopien möglich
Hierhin fliehen die Menschen zu tausenden. Und hier arbeitet seit Wochen Andy Spyra. „Wir versuchen, so nah wie möglich ranzukommen. Aber nach Äthiopien einzureisen – das ist derzeit nicht möglich“, sagt er, „die haben selbst die NGOs rausgeschmissen.“
Andy Spyra dokumentiert Flüchtlingsdrama in Afrika
Und so besucht Andy Spyra die Lager. Lager wie das in Racouba, in denen die Gestrandeten landen. Menschen ohne Perspektive, Familien, Kinder, die alle immerhin eines eint: Sie haben ihr Leben. Aber wenn man die Bedingungen sieht, unter denen sie hier leben müssen, dann stellt sich die Frage: Wie lange noch…?
Der Kampf ums Überleben im Lager
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„Ich habe in vielen Ländern schon vieles gesehen“, sagt Andy Spyra, „aber das hier ist wirklich hart. Es gibt teilweise keine Zelte, nur simple Strohhütten. Der Wind pfeift permanent, weht den Sand unaufhörlich durch das Lager. Alle haben Durchfall, massive Lungenprobleme. Besonders die Kinder. Das ist heftig. Und dazu kommt noch die Corona-Problematik, die angesichts dieser Umstände schon fast in den Hintergrund rückt.“
Masken und Abstände im Flüchtlingslager? Fehlanzeige. „So bitter Corona auch sein kann – aber die Menschen hier haben noch einmal ganz andere Probleme. Sie kämpfen ums Überleben“, sagt Andy Spyra. Coronakranke gebe es auch. „Die Verläufe sind aber nur sehr selten heftig. Die Flüchtlinge sind jung.“
Cholera wütet im Flüchtlings-Camp
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Cholera ist da ein wesentlich größeres Problem. „Das hier ist wirklich das Ende der Welt“, sagt Andy Spyra. „Die Möglichkeiten sind begrenzt, die Wasserqualität hundsmiserabel. Krankheiten verbreiten sich so schnell wie ein Buschfeuer.“
40 Grad und mehr am Tag, dazu nachts Temperaturen, die auf 15 Grad abfallen – das ist mehr, als ein geschwächter Körper verkraften kann. Die Menschen schlafen auf dem nackten Boden. „Das Essen ist eine Katastrophe“, sagt Andy Spyra. „Deshalb wollen alle schnell raus aus dem Lager.“ Wohin ohne Perspektive? Zurück in den Krieg? Offen.
Schmerzen in der Lunge
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„Ich selbst bin um 3 Uhr morgens wach geworden, konnte nicht mehr schlafen, habe gezittert am ganzen Körper. Konnte vor Schmerzen kaum atmen“, sagt Andy Spyra. Warum er sich das antut? „Weil ich Geschichten erzählen will“, sagt Andy Spyra. Geschichten, die sonst niemand erzählt.