Hagen. . Sie werden versklavt und misshandelt: Warum der Hagener Fotograf Andy Spyra in Nigeria die von Boko Haram entführten Frauen getroffen hat.

Lydia kommt aus der Hölle. Aber das interessiert keinen, weil es in Nigeria passiert ist. Der Fotograf Andy Spyra gibt Lydia eine Stimme und ein Gesicht. Zusammen mit dem Reporter Wolfgang Bauer hat der Hagener Fotojournalist in Nigeria junge Frauen getroffen, die von der Terrororganisation Boko Haram entführt, vergewaltigt und misshandelt worden sind. Die vielbeachtete Geschichte ist im „Zeit“-Magazin erschienen. Jetzt sind die „Stolen Girls“ im Hagener Osthaus-Museum zu sehen.

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Der Hagener Fotograf Andy Spyra
Der Hagener Fotograf Andy Spyra © Michael Kleinrensing

m April 2014 hat die Terrormiliz Boko Haram ein Dorf im Nordosten Nigerias überfallen und fast 300 Schülerinnen entführt und versklavt. Der internationale Aufschrei war groß; die Entführungen gehen weiter. Man rechnet bis heute mit 10.000 geraubten Mädchen. Die jungen Frauen werden zu Sexsklavinnen für die Kämpfer und zu Gebärmaschinen für die Organisation. Ältere Frauen müssen für die Terroristen kochen und waschen. Manchen gelingt die Flucht. 2015 ist der Hagener Fotograf Andy Spyra zusammen mit dem „Zeit“-Journalisten Bauer nach Nigeria gereist, um die Geschichte der entführten Mädchen zu recherchieren, ein schwieriger und gefährlicher Auftrag. „Ich war vorher schon in Nigeria und hatte die Kontakte zur katholischen Kirche, die mir Einladungsschreiben gegeben hat. Es war relativ schwierig, die Frauen zu finden, weil sie zum Teil in den kleinsten Dörfern leben.“

Porträt an Porträt reiht sich an den Wänden des Osthaus-Museums. Ernst blicken die Frauen in die Kamera, aber auch selbstbewusst. Andy Spyra fotografiert in Schwarz-Weiß, damit nichts vom Wesentlichen ablenkt. Für seine Ästhetik ist er bereits mehrfach ausgezeichnet worden. Mit diesen Mitteln und mit Respekt kommt er den misshandelten Frauen nahe, aber er entblößt sie nicht, sondern gibt ihnen ihre Würde zurück.

Waisen auf den Müllkippen

Die Ausstellung ist thematisch in mehrere Abschnitte gegliedert. Die geraubten Mädchen und älteren Frauen sind zu sehen, und die zwangsverheirateten und geschwängerten Entführten. „Als entführte, vergewaltigte, stigmatisierte Frauen werden sie doppelt Opfer“, schildert Andy Spyra. „Nach der Entführung werden viele Frauen aus ihren Dorfgemeinschaften ausgestoßen.“

Andere Fotos zeigen Soldaten von Bürgerwehren, die ihre Orte vor den Boko Haram-Kämpfern beschützen wollen und die Grundschulen, in denen mit unzureichendsten Mitteln versucht wird, den Jungen und Mädchen Bildung zu vermitteln. Kinder, oft Waisen, suchen in den Müllkippen nach Metall und Wertstoffen und verdienen damit, wenn sie Glück haben, einen US-Dollar am Tag. Andere Kinder lernen in speziellen Schulen das Lesen und Schreiben und den Koran zu zitieren. „Es gibt dort weder einen Lehrplan noch staatliche Kontrolle. Führende Mitglieder von Boko Haram haben solche Schulen besucht.“

Andy Spyra ist ein Zeitzeuge im ursprünglichen Sinne des Wortes. Er reist in die miesesten Ecken der Welt und fotografiert jenseits aller Komfortzonen Menschen, die keine Lobby haben. Er dokumentiert - oft in Langzeitreportagen - den Kreislauf aus mangelnder Bildung und den Verführungen des Terrorismus. Den entführten Frauen haben sich Wolfgang Bauer und Andy Spyra sehr behutsam genähert. Die Interviews sind in der Stadt Yola geführt worden. Sie haben oft mehrere Tage gedauert. In den Porträts spiegeln sich Schrecken und Angst, aber auch Würde und Haltung. Denn diese Mädchen haben - trotz allem - überlebt.

Spenden für die Mädchen

In der Regel kann Andy Spyra den Menschen nicht helfen, die er fotografiert. Doch bei den geraubten Mädchen ist das anders. Zusammen mit Wolfgang Bauer hat er ein Spendenprojekt ins Leben gerufen. Der Katalog zur Ausstellung kostet 20 Euro. Der Erlös geht nach Nigeria. Außerdem bietet der Fotograf eine Druck-Auflage mit 20 Fotos für 100 Euro an. Der Erlös geht ebenfalls an die Boko-Haram-Opfer. „In Nigeria kann schon eine Nähmaschine eine ganze Familie aus der Armut holen“, erläutert Andy Spyra, „oder die Frauen können damit das Schulgeld für die Kinder bezahlen. Wer keine Bildung hat, ist anfälliger für die Verführungen von Terrorismus.“

Die Ausstellung ist vom 22. Februar bis 7. April im Osthaus-Museum hagen zu sehen. Die Vernissage beginnt am 21. Februar um 18 Uhr. Die einführenden Worte spricht Reporter Wolfgang Bauer.
www.osthausmuseum.de