Hagen. Eine Verbrennungsstätte für Menschen und Tiere sowie einen Hausgrundriss aus der Eisenzeit haben Archäologen auf Haßley entdeckt

Für Prof. Dr. Michael Baales war der 3. November 2020 in doppelter Hinsicht ein besonderer Tag. Nicht nur, dass der Archäologe bei strahlendem Sonnenschein seinen Geburtstag feierte, sondern er und sein Team vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL), Außenstelle Olpe, machten auf dem großen Feld auf Haßley, auf dem in Kürze 22 Eigenheime gebaut werden, einen erstaunlichen Fund: Bei den Voruntersuchungen stießen sie auf alte Keramik und auf ausgelesenen Leichenbrand samt Tierknochenresten, vermutlich stammend aus der Eisenzeit, also etwa 800 bis 0 Jahre vor Christus.

Ein voller Erfolg

„Die Vorarbeiten, die die seltenen Fundstücke ans Tageslicht brachten, waren ein voller Erfolg“, resümiert Michael Baales, „wir können nun davon ausgehen, dass sich genau an dieser Stelle eine Verbrennungsstätte für Menschen und Tiere sowie Gruben für die organischen Überreste befanden.“

Neues Baugebiet entsteht

Zum Hintergrund: Auf der etwa 12.000 Quadratmeter großen Fläche an der Raiffeisenstraße auf Haßley – einem Feld, das sich bis vor kurzem noch in Privatbesitz befand – entstehen 22 neue Einfamilien- sowie Doppelhäuser. Für die Vermarktung zeichnet die Hagener Erschließungs- und Entwicklungsgesellschaft (HEG) verantwortlich.

„Die Erschließungsarbeiten, die Ausschreibung und der Verkauf der Grundstücke startet im Frühjahr/ Sommer; wir kalkulieren eine eineinhalbjährige Bauzeit, so dass die Häuser vermutlich Ende 2022 bezogen werden können“, sagt HEG-Geschäftsführer Hans-Joachim Bihs.

Interessante Landschaft

Als der LWL von dem Vorhaben, das Feld als Baugebiet zu erschließen, erfuhr, bekundete er in Absprache mit der Archäologin der Stadt Hagen, Mirjam Kötter, Interesse, im Vorfeld auf besagtem Areal zu graben. „Die Landschaft auf Haßley ist interessant für uns Archäologen, hier möchten wir uns umschauen“, bringt es Prof. Dr. Michael Baales auf den Punkt.

Als die durch eigene LWL-Mitarbeiter durchgeführten Vorarbeiten seltene Funde hervorbrachten, stand schnell fest, dass hier eine Spezialfirma für einen professionellen Baggerschnitt hinzugezogen werden sollte.

Die HEG beauftragte daraufhin auf ihre Rechnung die Grabungsfirma Goldschmidt aus Düren, die am 18. Januar mit ihrer Arbeit begann. „Ein Bagger trägt nun den fetten Lehmboden etwa 20 Zentimeter tief ab“, erläutert Dáire Leahy von der Firma Goldschmidt. Leahy ist selbst Archäologe, hat irische Wurzeln und zeigt sich fasziniert von der Grabungsstätte. Das Spannende an dem Platz sei, dass man auf eine Verbrennungsstätte und auf Gruben, gleichzeitig aber auch auf Hausgrundrisse, die für eine Besiedelung sprechen würden, gestoßen sei.

Bestattungsstätten als Orte der Toten

Dr. Eva Cichy, wissenschaftliche Referentin beim LWL, ergänzt: „Wir haben hier menschliches Skelettmaterial und Tierknochenreste gefunden, die die Menschen damals wohl in Behältnisse aus Leder oder in Tücher gewickelt und sie dann in Gruben gebettet haben. Uns Archäologen stellt sich die Frage, ob die Nutzung des Areals als Bestattungsplatz und zur Hausnutzung zeitgleich stattfand. Normalerweise wurden Bestattungsstätten als Orte der Toten akzeptiert, was für eine spätere Besiedelung sprechen würde.“

Um die Funde konkreter bestimmen zu können, wollen die Archäologen aus Olpe eine Radiokarbondatierung (C 14-Datierung, also ein Verfahren zur Datierung organischer Materialien) vornehmen lassen, „weitere Spezialisten können dann auch sagen, ob der Leichenbrand von Männern oder Frauen, von Kindern oder Erwachsenen stammt“, erläutert Eva Cichy.

Suche nach dunklen Verfärbungen

Wonach Grabungsexperte Dáire Leahy und die Archäologen vom LWL noch Ausschau halten? Nach dunklen Verfärbungen im Mutterboden; diese deuten darauf hin, dass dort die Außenpfosten eines Hauses gestanden haben.

„Auf jeden Fall sind wir hier auf dem Feld auf einen der ältesten Hausgrundrisse Hagens gestoßen“, ist sich Prof. Dr. Michael Baales sicher. Lediglich 2011, während einer großen Grabung auf Gut Herbeck, habe man einige etwa gleichaltrige Hausgrundrisse gesichtet. „Weitere vergleichbare Grundrisse findet man nur noch in Altenrheine im Münsterland“, erläutert Eva Cichy.

Doch zurück auf die bis jetzt etwa zur Hälfte umgegrabenen Fläche: „Das Interesse der Spaziergänger an unserer Arbeit ist groß. Hier drehen viele Hagener ihre Runde“, so Dáire Leahy und ergänzt: „Eine Nachbarin kam zu uns aufs Feld und sagte, sie hoffe, dass wir hier ganz viele seltene Funde machen würden und dadurch das ganze Bauvorhaben doch noch gestoppt würde.“

Die Firma Goldschmidt wird vermutlich noch bis einschließlich 5. Februar auf Haßley graben.

Weitere Informationen

Die Außenstelle Olpe der LWL-Archäologie für Westfalen engagiert sich für den Erhalt der Bodendenkmäler im Regierungsbezirk Arnsberg, zu dem auch Hagen zählt. Die Außenstelle existiert seit 1980.

Mirjam Kötter ist seit 2018 als Archäologin und Expertin für Inventarisation bei der Stadt Hagen beschäftigt.

Auf dem Feld an der Raiffeisenstraße wurden vor ein paar Tagen auch einige ausgebrannte Stabbrandbomben ausgegraben.

Eventuell sollen die seltenen archäologischen Funde vom Haßleyer Feld im Stadtmuseum, das im Rahmen des Stadtjubiläums im September 2021 am neuen Standort am Museumsplatz/ Hochstraße wiedereröffnet wird, ausgestellt werden.