Hagen. Ein Krebspatient (65) hat sich im Allgemeinen Krankenhaus in Hagen mit Corona infiziert. Trotzdem wird er nach Hause zu seiner Frau entlassen.

Nein – keine Vorwürfe an die Krankenschwestern, keine Vorwürfe an die Pfleger. Keine Vorwürfe also an jene, die in dieser verfluchten Corona-Zeit täglich Unglaubliches leisten und über ihre Grenzen hinausgehen. Das ist Dorothea Glanze wichtig. Aber sie sagt auch: „Irgendjemand muss das doch entschieden haben. . .“

Irgendjemand muss entschieden haben, dass man einen Mann, der mit einem Coronakranken in einem engen Krankenzimmer gelegen hat, einfach entlässt, ihn mit einem Krankenwagen nach Hause bringt, obwohl nicht einmal feststeht, ob er sich selbst bei seinem Zimmernachbarn infiziert hat. Einen Mann, der schon aufgrund seines Alters (65 Jahre) zur Risikogruppe zählt, der an Krebs leidet und dessen Organe von Metastasen durchsetzt sind.

Bei der Aufnahme auf Corona getestet

In Hagener Kliniken ist kein Besuch möglich

Seit dem 26. Oktober 2020 gilt wegen der rasanten Ausbreitung des Corona-Virus sowohl im Allgemeinen Krankenhaus wie auch in anderen Hagener Kliniken ein generelles Besuchsverbot. Ausnahmen gibt es weiterhin für Kinder, Gebärende und bei triftigen medizinischen Gründen.

Auch Patienten-Veranstaltungen in den Kliniken sind abgesagt.

Es ging Thaddäus Ferda nicht gut. Wasser hatte sich im Bauchbereich gesammelt. Er fühlte sich schlapp, klagte über Schmerzen. Seine Frau Irene und seine Tochter Dorothea zogen die Reißleine, wussten keinen Ausweg mehr. Notarzt, Krankenhaus. Das war am 8. November. „Mein Vater ist bei der Aufnahme auf Corona getestet worden – das Ergebnis war negativ.“

Thaddäus Ferda wurde normal im Allgemeinen Krankenhaus aufgenommen, kam auf ein Dreibett-Zimmer. „Bei ihm lag ein Mann, der mobil war“, sagt Dorothea Glanze. „Er hat das Zimmer und – soweit ich weiß – sogar das Haus verlassen. Gut möglich, dass er das Virus eingeschleppt hat.“

Angehörige müssen auf zweite Corona-Testung drängen

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Zwei Tage nachdem Thaddäus Ferda eingeliefert worden war, stand fest: Sein Zimmernachbar war an Corona erkrankt. Die Patienten wurden am Dienstag getrennt. Eine erste Testung, die noch am selben Tag vorgenommen wurde, brachte ein negatives Ergebnis.

Ein zweiter Abstrich wurde bei dem 65-Jährige am Samstag genommen – aber nur, weil die Angehörigen darauf gedrängt hatten. „Das Ergebnis wurde nicht abgewartet“, sagt Dorothea Glanze, „am selben Tag stand plötzlich ein Krankentransport bei meiner Mutter vor der Tür und hat meinen Vater abgeliefert. Wir waren völlig überrascht, wussten von nichts. Dadurch wurde meine Mutter, die ja aufgrund ihres Alters zur Risikogruppe zählt, ohne jede Not in Gefahr gebracht.“

Testergebnis erst auf Anfrage

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Im Entlassbrief wurde dem Patienten ein guter Zustand bescheinigt. Davon konnte aber nicht die Rede sein: Dem Krebspatienten Thaddäus Ferda, bei dem obendrein vergessen worden war, einen Zugang zu ziehen, war schlecht. „Ich habe mich am Sonntag wieder auf der Station gemeldet und genau das beschrieben“, sagt Dorothea Glanze, „da hat mir eine Schwester mitgeteilt, dass mein Vater auch an Corona erkrankt sei. Ein positiver Befund läge jetzt vor.“

Auf die Frage, warum ihr Vater entlassen worden sei, erhält Dorothea Glanze die Antwort, dass ihr Vater darauf gedrängt habe. „Da glaube ich kein Wort. Uns hat er erzählt, dass das Gegenteil der Fall war. Er wollte seine Familie schützen. Es gibt auch kein Dokument, dass er unterschrieben hätte und mit dem er sich selbst entlässt.“

Vertrauen in Hagener Klinik verloren

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Bereits am Sonntag entschied die Familie deshalb: Thaddäus Ferda muss wieder in eine Klinik. „Das Vertrauen zum AKH hatten wir da verloren“, so Dorothea Glanze. „Eine aktive Kommunikation seitens der Klinik hat nie stattgefunden. Immer waren wir es, die nachhaken mussten. Wir haben auch auf die zweite Testung bestanden.“ Zu Ärzten und dem Pflegepersonal im im AKH hatte die Familie immer nur telefonisch Kontakt. Besuche waren (und sind) nicht erlaubt.

Thaddäus Ferda wurde in eine Bochumer Klinik gebracht. „Er war ja jetzt Corona-Patient. Da durften wir ihn nicht fahren.“ Mittlerweile ist der 65-Jährige wieder entlassen worden. Sein Zustand ist schlecht. Der Krebs und die Corona-Folgen belasten ihn schwer.

Krankenhaus bietet Aufarbeitung der Geschehnisse an

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Gegenüber unserer Zeitung bestätigt das Allgemeine Krankenhaus, dass es einen intensiven Austausch durch die Ärzte zu den Angehörigen gegeben habe. Genauere Angaben könne man aus Datenschutzgründen nicht machen. „Grundsätzlich arbeiten wir mit einem etablierten engmaschigen Hygiene- und Schutzkonzept“, so Klinik-Sprecherin Maren Esser. „Allerdings befinden wir uns gerade in einer Pandemie-Situation historischen Ausmaßes, die auch unsere Mitarbeitenden in der Ausübung ihres Berufes betrifft und in der es weltweit unmöglich ist, einen 100-prozentigen Infektionsschutz zu garantieren. Wir sehen tagtäglich, dass unsere Mitarbeitenden in dieser besonderen Situation alles Menschenmögliche geben.“

Dass die Angehörigen offensichtlich mit der Behandlung nicht zufrieden waren, bedauere man sehr. Man biete an, den Aufenthalt noch einmal mit dem Meinungsmanagement aufzuarbeiten.