Hagen. Mit seinem Neubau hat der Energieversorger Enervie in Hagen Maßstäbe für moderne Arbeiten gesetzt. Platz für Kommunikation steht im Vordergrund.
Diese Zukunft hat in der Vergangenheit begonnen. In einer Vergangenheit, die rund acht Jahre zurückliegt. Damals starteten die konkreten Planungen für ein Gebäude, das 2014 eingeweiht wurde und das heute noch direkt an der Autobahnabfahrt Hagen Süd geradezu futuristisch anmutet.
Angelika Bruhn arbeitet in diesem Gebäude, in dessen Inneren sich fortsetzt, was die moderne Hülle vermuten lässt. Sie arbeitet hier und gleichzeitig war sie Teil der Planung. Weil der Energieversorger Enervie von Anfang an darauf bedacht war, Mitarbeiter einzubeziehen und gleichzeitig zu Multiplikatoren zu machen, die für ein außergewöhnliches Projekt in die Belegschaft hineinwirken. So hat sich Angelika Bruhn mit einem Team von 25 Kollegen andere Großraumbüros angeschaut, war auf Möbelmessen, hat Schreibtische und Stühle mit ausgewählt.
Mitarbeiter der Hagener Zentrale haben keinen eigenen Arbeitsplatz mehr
Ihre Arbeitswelt steht nun Kopf. Zumindest wenn man das Vorher mit dem Nachher vergleicht: Angelika Bruhn hat keinen Arbeitsplatz mehr. Keinen eigenen, der nur ihr zur Verfügung steht. Und wenngleich sie häufig am selben Schreibtisch Platz nimmt, so hinterlässt sie ihn doch am Abend so, dass ihn am nächsten Morgen jederzeit ein anderer Kollegen nutzen könnte.
Das machen nahezu alle so, die in diesem Gebäude arbeiten. Und selbst die beiden Vorstände – Erik Höhne und Wolfgang Struwe – teilen sich gemeinsam mit ihren Assistentinnen Stefanie Böving, Dorothea Lütgebaucks und Sandra Piotrowski ein offenes Großraumbüro. Vorbei sind die Zeiten, in denen hinter verschlossenen Türen einsam Entscheidungen gefällt werden.
Enervie kooperiert mit Fraunhofer-Institut
Ladestationen und Bus vor der Tür
Die neue Firmenzentrale der Enervie auf Haßley wurde im Mai 2014 fertiggestellt. Sie galt und gilt bis heute als eines der bundesweiten Musterbeispiele für moderne Arbeitswelten. Die Generalplanung für das Großprojekt lag beim Architekturbüro JSWD aus Köln. Der Bau wurde innerhalb von 20 Monaten realisiert.
Aus ehemals acht verschiedenen Standorten wurde mit dem Einzug 2014 ein zentraler für die 750 Mitarbeiter des Energieversorgers, zu dem die Mark-E und die Stadtwerke Lüdenscheid gehören.
Geschaffen wurde aber nicht nur ein Arbeitsgebäude mit modernen Standards (u.a. Clean-Desk-Prinzip, höhenverstellbare Schreibtische, an denen auch im Stehen gearbeitet werden kann), sondern auch ein Haus, das höchste Energiestandards erfüllt und mit dem „Green Building Label“ zertifiziert wurde. Energieeffiziente Technik kam zum Einsatz, regenerative Energien werden genutzt. Im gesamten Haus gibt es nur LED-Beleuchtung.
Dazu kommt ein ausgefeiltes Mobilitätsmanagement, das dem Projekt Konzernzentrale zugrunde liegt: Durch in Summe 500.000 Kilometer weniger an Dienstfahrten werden der CO2-Ausstoß und die Treibstoffkosten reduziert. Der Enervie-Fuhrpark ist verkleinert worden. Mitarbeiter können durch eine eigene Bushaltestelle den ÖPNV nutzen. Daneben gibt es zahlreiche Ladestationen für Elektroautos.
Vorbei sind aber auch die Zeiten, in denen die Enervie-Mitarbeiter an acht verschiedenen Standorten verteilt über das gesamte Netzgebiet in Ein- oder Zwei-Mann-Büros vor sich hinwurschteln. „Angst oder Sorgen habe ich vor dieser neuen Arbeitswelt eigentlich nie gehabt“, sagt Angelika Bruhn. „ich fand das von Anfang an spannend.“
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Die Zukunft hat in der Vergangenheit begonnen, als sich der Energieversorger dazu entschlossen hat, eine neue Zentrale zu bauen und sich eine Expertise eingeholt hat – beim Fraunhofer-Institut: „Die erste Frage, die man uns gestellt hat, war: Warum kommen Menschen ins Büro?“, sagt Oliver Rabe, der als Projektleiter maßgeblich die neue Hauptverwaltung mitverantwortet hat. „Und die Antwort lautete: nicht um zu arbeiten, denn das können sie von jedem anderen Punkt aus auch, sondern um zu kommunizieren.“
Kommunikation ist die Basis für ein neues Gebäude
Das ist die Basis für einen Bau, der noch heute deutschlandweit als Musterbeispiel für modernes Arbeiten gilt – mit sogenannten Co-Working-Spaces (Arbeitsplätze, die von mehreren Menschen genutzt werden), mit offenen Büros und Besprechungsräumen mit Glaswänden und mit Arealen wie Sitzgruppen, Coffee-Points oder einer Kantine nebst Terrasse.
„Kommunikation steht bei allem im Vordergrund“, sagt Rabe. „Wir haben die Einzelarbeitsplätze mit 5,6 Quadratmetern auf das maximal Notwendige reduziert. Selbst die Terrasse der Cafeteria ist jetzt offiziell Arbeitsplatz. Und wenn sich zwei Kollegen dort treffen, um Dinge abzustimmen, guckt niemand skeptisch. Das ist eine Frage der Akzeptanz.“
Büroflächen haben sich am Standort Hagen halbiert
Dahinter steckt auch ein gewisser Vertrauensvorschuss. „Wir kontrollieren nicht, wer wie lange vor seinem Bildschirm gesessen hat“, sagt Rabe, „wichtig sind die Ergebnisse, die herauskommen. Kurze Kommunikationswege sorgen für schnellere Entscheidungen. Wir sind effizienter geworden.“
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Von 20.000 Quadratmetern Bürofläche hat Enervie mit dem Umzug auf 10.000 Quadratmeter reduziert. Zehn Mitarbeiter teilen sich neun Schreibtische. „Einer hat ja immer frei, ist auf Fortbildung oder mal krank“, so Rabe, „es gibt Bereiche, da wäre sogar noch eine andere Quote vorstellbar. Dieser Ansatz hat geholfen, Bau- und Bewirtschaftungskosten zu reduzieren.“
Corona-Krise verleiht Entwicklung einen Schub
Die Corona-Krise hat einer Entwicklung, die bei dem Energieversorger längst eingeleitet war, noch einmal einen Schub verliehen. „Die Flexibilität hat sich weiter erhöht“, sagt Thorsten Kirberg, Bereich Personalstrategie, „aber die Voraussetzungen dafür hatten wir längst geschaffen. Das Fraunhofer-Institut hat uns schon in der Planungsphase des Gebäudes prognostiziert, dass das mobile Arbeiten eine immer größere Bedeutung erlangen würde.“ An einem Montag kam er, der Lockdown. Drei Tage später konnten alle Enervie-Mitarbeiter von zu Hause aus arbeiten.
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Ein Ende findet diese moderne Arbeitswelt längst nicht. Sie dreht sich weiter, diese Welt. Ein Beispiel nur: „Unsere technischen Mitarbeiter haben sich zunächst auf Haßley getroffen und sind dann rausgefahren“, sagt Kirberg, „das stellen wir mit einem Projekt zum digitalen Arbeiten um. Sie bekommen jetzt morgens ihre Aufträge aufs Tablet und starten mit dem Dienstfahrzeug direkt zum ersten Einsatzort. Bei einem Netzgebiet von 1000 Quadratkilometern spart das enorme Wege.“