Hagen. Auf ehemaligen Fichtenflächen in Hagen wachsen nur wenige Bäume. Jäger erhöhen die Abschussquoten, um die Natur zu unterstützen.

Seine These: Der Borkenkäfer ist ein Problem, aber nicht das Problem. Während die mediale Berichterstattung über die heimischen Wälder zuletzt ausschließlich von der Käfer-Plage und den daraus entstehenden Waldschäden dominiert war, denkt Diplom-Landschaftsökologe Frank Christian Heute in einem ganz anderen Zusammenhang.

Die ersten Ergebnisse seines Forschungsprojekts auf einer großen Waldfläche des RVR-Ruhr-Grün im Hagener Süden legen einen großen Teil der Verantwortung dafür, dass der Wald sich wieder erholt, in die Hände der Jäger. Mehr Abschüsse gegen den Verbiss sollen die für den Wald überlebenswichtige Naturverjüngung unterstützen.

1000 Pflanzen in Eilpe werden regelmäßig kontrolliert

Mehr als 20.000 Käfer pro Fichte

Der Wirtschaftsbetrieb Hagen hat vor den Folgen der Borkenkäfer-Katastrophe im Hagener Stadtwald kapitulieren müssen.

„Wir können der Situation nicht mehr Herr werden“, hat Martin Holl, Fachleiter Forst beim Wirtschaftsbetrieb Hagen (WBH), in unserer Zeitung erklärt.

Solange es noch Fichten gebe – so die Förster des WBH – sei der Borkenkäfer auch nicht mehr aufzuhalten.

Bereits in fünf Jahren, so schätzen Experten, sollen sämtliche Fichtenbestände in NRW abgestorben sein.

Die Ursache für das Baumsterben ist aber nicht der Käfer für sich betrachtet. Weil die Fichten durch die Hitze-Sommer nicht mehr genug Wasser aufnehmen, können sie sich nicht gegen den Schädling schützen.

Bäume sind zum Teil von mehr als 20.000 Käfern befallen.

„Transekte“ sind im Prinzip nichts anderes als mehrere Messpunkte entlang einer geraden Linie. Frank Christian Heute hat solche Punkte im Forschungs- und Lehrrevier in Eilpe abgesteckt und kontrolliert regelmäßig mit den eigenen Augen 1000 Pflanzen. Er ist zufrieden, wenn er mit seinem Messstab durch das Dickicht stapft. Denn die Pflanzen wachsen unbeschadet in die Höhe.

Nur noch wenig zerstörerischer Verbiss der Leittriebe. Soll heißen: Rehwild hat diese Pflanzen, die in ein paar Jahren Bäume sein sollen, nicht kaputtgeknabbert.

Zehn Rehe mehr pro 100 Hektar werden geschossen

Julius Wojda (links), RVR,  Landschaftsökologe Frank Christian Heute, Leiter des Forschungsprojektes „Auswirkungen veränderter Bejagungsstrategien auf Rehwild
Julius Wojda (links), RVR, Landschaftsökologe Frank Christian Heute, Leiter des Forschungsprojektes „Auswirkungen veränderter Bejagungsstrategien auf Rehwild" zeigen eine Karte, auf der Mann das Vorgehen der Jäger nachvollziehen kann. © WP | Michael Kleinrensing

Warum nicht? Weil Christian Heute und andere Jagdkollegen dem Wild zu Leibe rücken. Etwa zehn Rehe mehr pro 100 Hektar werden jährlich im Revier geschossen. Der jagdliche Aufwand ist enorm. Um auf die nötigen Abschüsse pro 100 Hektar zu kommen, wird etwa 200-mal im Hochsitz angesessen. Heutes Kartierungen seit 2017 dokumentieren den Erfolg. An über 20 Beobachtungspunkten zeigt sich, wie endlich wieder Naturverjüngung in Gang kommt, ein entstehender Nachwuchs-Waldbestand durch angeflogene Saat der umherstehenden Bäume.

Wie wenig Naturverjüngung angesichts hoher Rehwildpopulationen bis 2017 stattfand, zeigt wieder ein Blick auf die Forschungsfläche: Ganze zwei Eichen haben es hier in 20 Jahren geschafft zu wachsen. „Drei Millionen Eicheln pro Hektar fallen in jedem Mastjahr aus den Kronen dieser Bäume. Es gibt also eine starke Besamung“, sagt Heute. Doch entweder konnten sie gar nicht keimen, weil sie gefressen wurden oder die kleinen gekeimten Eichen wurden verbissen.

Fichte ist eigentlich ein Gebirgsbaum

Auch interessant

Während durch intensivere Bejagung die Erholung des Waldes vorangetrieben werden kann, analysiert Frank Christian Heute auch, wie weit es so weit kommen konnte und wie der Wald der Zukunft aussehen muss. „Nach dem Krieg hat man auf die Fichte gesetzt, weil sie schnell wächst und Ertrag bringt“, sagt Christian Heute.

Auch interessant

Das Problem: Die Fichte ist bei uns eigentlich gar nicht heimisch. Sie ist ein Gebirgsbaum, wächst eigentlich ab 800 Metern aufwärts, sie benötigt feuchteres und kälteres Klima. Weil man sie hier wegen ihrer starken Wüchsigkeit und der Möglichkeit, schneller zu fällen und zu verkaufen, aber im Übermaß anpflanzte, steht der heimische Wald – etwas laienhaft formuliert – voll mit Fichten, die hier nicht hingehören und durch den Klimawandel bedingt zunehmenden Trockenperioden ziemlich hilflos ausgeliefert sind. Sie harzen durch die Trockenheit weniger, was eigentlich ihr größter Schutzschild gegen Eindringlinge wie den Borkenkäfer ist.

Auch interessant

Durch intensivere Bejagung soll der klimastabile Mischwald wieder heranwachsen können. „Gesetzt wird nun auf Baumarten wie die Douglasie oder die Küstentanne bei den Nadelbäumen oder Esskastanien, Walnuss, die Traubeneiche und die Amerikanische Roteiche bei den Laubbäumen“, so Heute.