Hagen. Zur „Woche der seelischen Gesundheit“ spricht Dr. Philipp Görtz aus Hagen über die Probleme der Erkrankten in der Corona-Zeit.
Es ist „Die Woche der seelischen Gesundheit“. Und wie wichtig wäre es gerade jetzt, dass all jene, die sich auf diesem Gebiet in Hagen engagieren, sich und ihre Arbeit einer möglichst breiten Öffentlichkeit vorstellen. Das aber kann mitten in der Corona-Krise nicht funktionieren. Über die ausgefallene Woche, über die Hilfsangebote für Betroffene und über die Auswirkung der Corona-Krise auf die Psyche von Menschen sprach unsere Zeitung mit Dr. Philipp Görtz, Leiter der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Katholischen Krankenhaus gGmbH.
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Wie beurteilen Sie den Ausfall dieser Aktionswoche?
Dr. Philipp Görtz: Das ist unglaublich schade. Im letzten Jahr haben wir diese Woche mit zahlreichen Angeboten erstmals in einem solch großen Umfang durchgezogen. Angesichts des Erfolgs waren alle Beteiligten richtig euphorisch. Ein Komitee war mit der Durchführung betraut. Aber letztlich macht eine Aktionswoche angesichts der Corona-Pandemie keinen Sinn.
Warum ist dieser Tag, warum ist diese Woche so wichtig?
Es ist ein international wiederkehrender Termin, den wir gerne nutzen möchten, um die Hagener zu sensibilisieren. Es ist wichtig, immer wieder in Erinnerung zu rufen, dass es viele Menschen gibt, die nicht erkennbar körperlich krank sind, sondern die psychisch stark beeinträchtigt sind. Umso bedeutsamer ist es, auf all die Hilfen, die wir hier vor Ort haben, aufmerksam zu machen.
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Muss man das denn?
Ja. Vielleicht ist der Zugang in das System der Hilfen über Jahrzehnte betrachtet einfacher geworden. Aber es gibt immer noch eine Stigmatisierung, der jemand, der sich beispielsweise ein Bein gebrochen hat, nicht ausgesetzt ist. Umso wichtiger ist es, dass die Hagener die Präventions- und Behandlungsangebote in Bezug auf seelische Gesundheit kennen und nutzen können.
Welchen Einfluss hat denn die Corona-Krise auf Menschen, die seelische und psychische Probleme haben?
Seelische Probleme haben oft mit Einsamkeit und Isolation zu tun. Und diese Faktoren nehmen in der Corona-Krise natürlich zu. Betroffene vereinsamen zunehmend. Soziale Angebote wahrzunehmen, wird schwerer. Viele haben in dieser Zeit auch Hemmungen, Kontakt zu psychosozialen Hilfsstellen und Diensten, Therapeuten, Ärzten und Kliniken aufzunehmen.
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Spüren Sie das ganz konkret?
Anfangs der Krise war die Zahl der Patienten in der Klinik leicht rückläufig. Das mag mit der Angst zu tun haben, sich in Corona-Zeiten in ein Krankenhaus zu begeben. Umso wichtiger ist es, dass wir nach außen deutlich machen: Es gibt weiterhin ein umfassendes Angebot psychosozialer Hilfen in Hagen, alle sind voll arbeitsfähig und halten sich an die gültigen Hygiene-Vorschriften. Niemand, der um Hilfe ersucht, muss wegen Corona in Sorge sein. Man kann problemlos einen Zugang in das System finden.
Kann man also sagen, dass Corona die Situation für Menschen mit seelischen und psychischen Problemen noch einmal verschlimmert?
So pauschal ist das schwierig. Wir rechnen in diesem Jahr mit 10.000 Corona-Toten in Deutschland. Pro Jahr haben wir aber auch 10.000 Suizide. Das macht zumindest die Dimensionen des Problems seelischer Erkrankung deutlich. Seit Ausbruch der Pandemie ist zumindest kein Anstieg bei den Selbstmorden zu verzeichnen. Das muss auch in einer solchen Krise nicht der Fall sein. Jedoch führen Isolation und Existenzängste zu einer Verschlimmerung psychischer Probleme. Sicher ist: Wer krank ist und keinen Zugang zu den Hilfen findet, der wird nach der Corona-Pandemie noch kränker sein.
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Wenn es in Hagen so viele Hilfsangebote gibt – stehen diese nicht in Konkurrenz?
Der Bedarf an psychosozialen Hilfen ist hier sehr hoch. Für Hagen kann ich da von einem sehr kooperativen Miteinander sprechen. Die Angebote greifen ineinander. Beispielhaft stehen nach einer psychiatrischen Betreuung weitere Therapien an, das können auch Hilfen zu Hause sein und im Verlauf geht es vielleicht darum, sich am Arbeitsplatz wieder einzugliedern. Die Angebote unterstützen Betroffene in allen Bereichen. Ich spreche hier ausdrücklich für die gesamte psychosoziale Arbeitsgemeinschaft, die sich in Hagen etabliert hat. Es ist uns ein großes Anliegen, unsere erfolgreichen Angebote allen zugänglich zu machen. Letztlich spiegelt sich in der „Woche der seelischen Gesundheit” auch Anerkennung für die vielen, die sich professionell und ehrenamtlich engagieren und Betroffenen ein Stück Lebensqualität sichern, wider.