Haspe. Der Selbst-Test auf der temporären Fahrradspur zeigt, wie gefährlich es dort für Radfahrer ist. Es wird einfach weiter zweispurig gefahren.
Poah, der Mann ist zornig. Er schlägt auf die Hupe und brüllt: „Ey, dann nutz’ auch die volle Breite der Spur. Sch…. hier!“ Dann blinkt er und schert über die durchgezogene Linie vor mir wieder ein. Ein Selbstversuch an Tag eins auf der umstrittenen, temporären Fahrradspur an der Enneper Straße zwischen Rundturnhalle und Westerbauer. Eine Radtour voller Flüche und eine schlecht umgesetzte Idee.
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Als ich an der Rundturnhalle am Start des für fünf Wochen frisch eingezeichneten Radweges losrollen will, donnert von hinten ein Laster aus Offenbach heran. Er hält die Spur und muss dicht hinter mir voll in die Eisen gehen. Hat der sie noch alle? Bevor ich mich weiter aufrege, wird mir klar: Was hätte er tun sollen? Der Radweg taucht wie aus dem Nichts hinter einer Rechtskurve auf, ist kaum sichtbar erklärt und ausgeschildert.
Fast niemanden interessiert die neue Radspur, Autofahrer rollen einfach darüber
Auf dem Foto zu diesem Artikel sieht man die bisherige, gefühlt viel zu schmale Radspur (weiß gestrichelt) und die Erweiterung in Gelb. Der ganze Bereich vom Straßenrand bis zur gelben Linie ist jetzt Fahrradland. Die Enneper Straße, eine Hauptaorta durch den Hagener Westen, wirkt wie abgeklemmt. Einspuriger Verkehr – in der Theorie. Denn fast niemanden juckt die neue Radspur. Es wird zweispurig darauf weitergefahren. Die ersten Laster haben die frischen gelben Markierungen bereits geschreddert oder verzogen.
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Weiter geht’s. Richtung alte Hasper Feuerwache. Ungefähr bei Onkel Paul’s Schlemmerhaus – Kult-Imbissbude an der B 7 – ruft mir ein Mann etwas zu. Es ist Jürgen Schröder, 70. Er wohnt seit 20 Jahren an der „Enneper“. „Ich würde hier kein Fahrrad fahren, die sind doch wahnsinnig“, deutet er auf den Verkehr. „Es ist ja eigentlich total richtig, wenn man eine Verkehrswende will, dass man mal ganz hart eine Spur auf einer Hauptstraße für Autofahrer zumacht“, sagt er. „Aber nicht auf so einer Hauptachse. Und dann wie aus dem Nichts. Da hat doch keiner was von gewusst.“
Recht hat er. Die Stadt kam kurz vor knapp mit dieser Idee um die Ecke. Auf Anfrage gesteht man ein: „In der Tat hat sich die Radverkehrsplanung die temporäre Radstrecke kurzfristig ausgedacht.“ Und weiter: „Daher entstand unter anderem die Idee zur temporären Radstrecke, die wir unter anderem mit einer Pressemitteilung am 15. September und Beiträgen auf unseren sozialen Netzwerken den Medien und der Öffentlichkeit vorgestellt haben. Zu dieser Aktion gibt es schon zahlreiche, überwiegend positive Rückmeldungen von Bürgerinnen und Bürgern. Jetzt beginnt die fünfwöchige Testphase.“
Idee gut, Umsetzung schlecht
Der Bürger, dem diese Lösung hier gefällt, darf sich gerne in der Redaktion bei mir melden. In der Theorie mag das hier der richtige Ansatz sein, die Umsetzung ist schlecht. Wuuuuums! Da rauscht erst ein weißer Toyota mit zwei Reifen in meiner Spur und dahinter ein Transporter fast voll über die Radspur an mir vorbei. Ich werde abgedrängt an den Straßenrand. Der Transporter-Fahrer hupt auch noch. Man fühlt sich wie ein Treckerfahrer, der auf einer einspurigen Serpentinenstraße 30 Pkw hinter sich aufhält. Aber Leute, das hier ist meine Spur! Die hat die Stadt für mich und die anderen Radler eingerichtet. Zack! Jetzt haben mich zwei Pkw auf der Spur vorne und hinten in die Zange genommen.
„Wir gehen aber davon aus, dass sich wie bei der Baustelle Marktbrücke alles gut einspielt“, hat die Stadt mir noch mit in ihre Stellungnahme geschrieben. Ich glaube, da vertun sie sich gewaltig. Erstens ist der Umleitungsverkehr der Marktbrücke für mich viel sinnvoller als die vorherige Verkehrsführung. Und zweitens ist auf dem Hagener Innenstadtring schon längst niemand mehr so todessehnsüchtig und fährt dort Rad.
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So, alle, die mich geschnitten, abgedrängt und in der Spur überholt haben, stehen jetzt im noch längeren Rückstau als sonst vor der Kreuzung Grundschötteler Straße/Enneper Straße. Die logische Folge der Einspurigkeit. Desillusioniert schiebe ich das Rad über die Kreuzung auf die andere Seite der Enneper Straße und radele dort durch den gleichen Wahnsinn zurück. Der Start dieser Teststrecke verläuft fürchterlich. Aber ich will positiv bleiben, hoffe auf Gewöhnung. In drei Wochen teste ich die Strecke erneut und mache mir ein Bild.