Hagen. Die Fälle, in denen sich Betroffene aus Hagen gegen einen Bußgeldbescheid wegen illegaler Altpapierentsorgung zur Wehr setzen, häufen sich.

Als Ivana Hess aus dem Hochschulviertel Post von der Stadt Hagen erhielt, war sie zuerst neugierig und wäre dann fast vom Stuhl gefallen: 150 Euro Bußgeld soll sie zahlen, weil sie ihr Altpapier neben statt im Container an der Feithstraße entsorgt haben soll. Doch die Hagenerin ist sich keiner Schuld bewusst: „Ich hatte das Papier sogar zerkleinert und ordnungsgemäß in den Behälter gesteckt. Er war nicht ganz leer, quoll aber auch nicht über.“

Auch interessant

Doch schon drei Tage später flatterte ihr der Bußgeldbescheid ins Haus. Offenbar hatten Waste-Watcher den Containerstandort untersucht und ihren Müll neben den Behältern gefunden – ein Adressaufkleber verriet, dass das Papier von Ivana Hess stammte. Als sie Beweise verlangte, habe ihr das Ordnungsamt Fotos zugesendet, auf denen Berge von Papier neben einem Container lagen – ein Service, für den die Stadt gleich noch einmal 60 Euro verlangte. Jetzt reichte es der Hagenerin: Ivana Hess nahm sich einen Anwalt und will sich nun gerichtlich gegen die Vorwürfe zur Wehr setzen.

1934 Fälle von Januar bis Juli

Was ihr widerfuhr, ist kein Einzelfall. Immer wieder haben sich Hagener Bürger in den vergangenen Monaten darüber beklagt, das Ordnungsamt bezichtige sie zu Unrecht der illegalen Müllentsorgung. Die Fälle gleichen sich oft wie ein Ei dem anderen: Waste-Watcher, so heißen die Mülldetektive der Stadt und des Hagener Entsorgungsbetriebs (HEB), stoßen bei ihren Kontrollgängen auf Altpapier neben einem Container, finden einen Hinweis (meist einen Adressaufkleber) und leiten daraufhin ein Bußgeldverfahren ein. So gab es allein von Januar bis Juli dieses Jahres 1934 Fälle, in denen ein Verwarn- oder Bußgeld erhoben wurde.

Auch interessant

Was aber, wenn der Betreffende unschuldig ist? Wenn er seinen Abfall im Container entsorgt, jemand anderes ihn aus den oft überquellenden Behältern aber wieder herausgezogen hat, um den eigenen Müll unterzubringen? Zwar drückt sich die Stadt Hagen auf die Frage nach der Anzahl der Beschwerden um eine Antwort herum, doch auch so werden immer mehr Fälle bekannt. Der Hagener Rechtsanwalt Benjamin Schauß, der mehrere Mandanten vertritt, hält es für psychologisch ausgeschlossen, dass all diese Menschen schuldig sind: „Niemand lässt es wegen 100 Euro auf ein Gerichtsverfahren ankommen – es sei denn, er fühlt sich in seinem Ehrgefühl verletzt.“

Jeder Fall wird individuell geprüft

Die Stadtverwaltung gibt an, jeder Fall werde individuell geprüft. Natürlich könne es nicht ausgeschlossen werden, dass andere Leute das Altpapier aus dem Container herausziehen würden: „Deshalb suchen die Waste-Watcher grundsätzlich nach mehreren Anhaltspunkten, um einen Verursacher eindeutig zu ermitteln“, so Stadtsprecherin Carla Treude. Im Zweifelsfall würde ein Kompromiss, etwa eine Senkung des Bußgeldes, angestrebt.

Auch interessant

Und warum stellen Stadt und HEB nicht einfach weitere Container auf, um der leidigen Überfüllung der Behältnisse entgegenzuwirken? Die räumlichen Möglichkeiten seien begrenzt, heißt es seitens der Stadt, doch die Leerungsintervalle würden bei Bedarf angepasst: „Deshalb protokolliert der Fahrer den Füllgrad der Container.“

Auch interessant

Im Übrigen gehörten Beschwerden von Betroffenen zum Tagesgeschäft einer Verwaltung, stellt Stadtsprecherin Treude nüchtern fest: „In jedem Bußgeldverfahren wird der Betroffene zunächst angehört und kann sich einlassen. In den wenigsten Fällen gibt es keine Einlassung.“ Das sei bei Verfahren von illegaler Abfallentsorgung ebenso wie bei Geschwindigkeits- und Parkverstößen.