Hagen. Viele neue Gesichter, einige neue Parteien, aber alte Mehrheiten. Wir hinterfragen, wie sich der neue Rat zueinander finden könnte.

29 neue Gesichter werden im künftig auf 52 Sitze verkleinerten Stadtrat Platz nehmen. Hinzu kommen mit „Die PARTEI“ und dem Hagener Aktivistenkreis zwei völlig neue politische Facetten in das Gremium, während sich die Piraten verabschieden müssen. Zudem verlieren FDP, Linke sowie Bürger für Hohenlimburg ihren Fraktionsstatus und dennoch könnte es am Ende bei denselben Mehrheiten bleiben: Die Jamaika-Allianz aus CDU (14 Sitze), Grünen (7) und FDP (2) hätte gemeinsam mit den oft bemühten Partnern der Wählergemeinschaft Hagen Aktiv (4) und dem Votum des Oberbürgermeisters eine solide Gestaltungsmehrheit.

Der Blick auf die CDU

„Ich sehe nicht, dass es Sinn macht, die Allianz zu hinterfragen“, verspürt der designierte CDU-Fraktionschef Jörg Klepper zurzeit keine Motivation, völlig neue Wege einzuschlagen. „Natürlich sprechen wir als stärkste Fraktion mit allen Kräften, aber unsere erste Option ist und bleibt die Allianz“, fühlt sich der Boelerheider den Aussagen aus dem Wahlkampf verpflichtet.

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Dabei verkennt er nicht, dass eine Große Koalition mit der SPD, also nur einem Partner, vielleicht sogar die bequemere Lösung wäre. Zumal die erstarkten Grünen in Zukunft selbstbewusster und anspruchsvoller auftreten dürften, wenn es beispielsweise um Ausschussvorsitze geht. Und auch die Kooperation mit Hagen Aktiv gestaltete sich in den vergangenen Jahren oft mühselig und auch nicht immer verlässlich.

Der Blick auf Hagen Aktiv

„Bei uns hat bislang noch gar keine Wahlnachlese stattgefunden“, signalisiert Karin Nigbur-Martini, Fraktionsgeschäftsführerin von Hagen Aktiv, trotz der Verluste von 1,2 Prozent durchaus Zufriedenheit bei der Wählergemeinschaft. „Wir sind auch im verkleinerten Rat mit vier Sitzen vertreten und in sämtlichen Bezirksvertretungen präsent.“

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Ansonsten wolle man für weitere Bewertungen die Feststellung des amtlichen Wahlergebnisses am Mittwoch abwarten. Erst im Anschluss werde man die Frage diskutieren, ob man erneut die Rolle des Mehrheitsbeschaffers für die Jamaika-Allianz übernehmen wolle.

Doch hinter den Kulissen des Rathauses wird zurzeit bereits an einem Drehbuch geschmiedet, Hagen Aktiv beispielsweise mit einem Bezirksbürgermeister-Posten in Haspe allianzgeschmeidig zu stimmen. Dort hat Dietmar Thieser nach massiven Verlusten für die SPD (-10 Prozent) keine eigene Mehrheit mehr. Hier könnte von Hagen-Aktivist Michael Gronwald – mitgetragen von CDU und Grünen – der Job übernommen werden, so dass der mit einem Spitzenamt geadelte Ratsherr auch gleich in Reihen seiner Fraktion dafür sorgt, dass die unterstützende Liebe zur Jamaika-Allianz nicht erkaltet.

Der Blick auf die Grünen

Ränkespiele, die die Hagener Grünen noch mit großer Gelassenheit verfolgen. „Ich habe das Gefühl, die anderen beschäftigen sich noch stark mit sich selbst, während wir bereits sehr geschlossen und arbeitsfähig sind“, sieht Grünen-Fraktionssprecherin Nicole Pfefferer in einer ebenfalls möglichen Großen Koalition keine Stärkung des politischen Gefüges in Hagen: „Zumal das Verhältnis zwischen OB und SPD kompliziert ist.“

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Die Grünen würden selbstbewusst und konstruktiv in die Gespräche mit den Allianz-Partnern gehen, „aber nicht überziehen“. Dabei werde ihre Fraktion mit Blick auf das erschreckend starke AfD-Ergebnis darauf drängen, die Inte­gration künftig stärker in den Fokus zu rücken: „Da dürfen wir nicht länger den Kopf in den Sand stecken.“

Dass die Hagener Grünen letztlich in Hagen deutlich schlechter beim Ratsergebnis (13,3 Prozent) als bei der RVR-Wahl (16,9 ) oder gar im Land (18,7) abgeschnitten haben, liegt in den Augen von Pfefferer vor allem daran, dass in dem Allianz-Konstrukt die Grünen-Handschrift mit den vielen Umwelt- und Verkehrsaspekten erst spät sichtbar geworden sei: „Vielleicht hat uns auch unsere Haltung zur Block-1-Thematik in Wehringhausen geschadet.“

Der Blick auf die FDP

Für eine Fortsetzung der Jamaika-Allianz wirbt auch Noch-FDP-Fraktionschef Claus Thielmann, der künftig mit einer zweiköpfigen Liberalen-Gruppe agiert. „Wir können allerdings unsere Räume behalten, weil wir uns zuletzt als Fraktion auch nicht vergrößert haben. Ansonsten stehen wir zur Allianz und würden auch gerne die Zusammenarbeit mit Hagen Aktiv fortsetzen. Ohne die Allianz hätten die einige ihrer Themen nämlich auch nicht durchgebracht“, freut sich Thielmann vor allem, dass die Liberalen bei der jüngeren Wählerschaft Stimmen dazugewonnen haben. Doch trotz eines Plus von einem Prozent hat es knapp nicht zum dritten Sitz und somit Fraktionsstatus gereicht.

Der Blick auf die Linken

Als Verlierer sehen sich die Linken, die ebenfalls ihren Fraktionsstatus und das Antragsrecht einbüßten. „Wir haben viel an Die PARTEI abgegeben“, analysiert Spitzenkandidat Ingo Hentschel, der künftig gemeinsam mit seiner Frau Elke die Fraktionsgruppe bildet.

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Rein inhaltlich habe die Linke sich nichts vorzuwerfen und sei ihrer politischen Linie stets treu geblieben. Eine Fraktionsbildung mit den Satire-Politikern lehnt er allerdings im gleichen Atemzug ab: „Wir wollen Politik machen und nicht über andere ablästern.“

Auch ansonsten sieht er keine Schnittmengen mit anderen Gruppen, die zu einer Fraktionsbildung führen könnten. Geschockt hat Hentschel, der künftig auch nicht mehr neben den Rechtspopulisten im Rat platziert werden möchte, das Ergebnis der AfD: „Zweitstärkstes Resultat in NRW – ich dachte, Hagen ist bunter.“

Der Blick auf die AfD

Fünf Sitze waren durchaus das, was AfD-Fraktionschef Michael Eiche sich für seine Partei ausgerechnet hatte. Vor allem den mangelhaften Umgang in Hagen mit den Themen Sauberkeit und Sicherheit macht er für den 5,6-prozentigen Zuwachs verantwortlich. „Wir sind weiterhin offen für den Umgang mit anderen Fraktionen – mit dem Ergebnis werden wir künftig sicherlich anders wahrgenommen und auch häufiger gebraucht.“

Der Blick auf die SPD

Allerdings weniger von den Sozialdemokraten, deren Fraktionschef Claus Rudel für die Zukunft jegliche Zusammenarbeit mit der AfD ablehnt. „Ansonsten steht jetzt alles wieder auf Null“, mahnt der Genosse die Ratsfraktionen zur selbstkritischen Bewertung. „Wer glaubt, mit uns größere Schnittmengen zu haben, kann gerne mit uns zusammenarbeiten. Wir stehen zu Gesprächen bereit. Es hat einen Wahlkampf ohne große Härten und Verletzungen gegeben, so dass wir mit allen sachorientiert nach vorne blicken und für die gedeihliche Entwicklung der Stadt arbeiten können.“

Er habe bereits das Gespräch mit dem künftigen CDU-Fraktionschef Jörg Klepper gesucht und diesem nicht bloß zur stärksten Fraktion gratuliert, sondern auch für eine vernünftige Sachpolitik für Hagen geworben. Ob die SPD für eine Große Koalition bereitsteht? „Das müsste erst mit der Partei und der neuen Fraktion besprochen werden“, so Rudel.