Hohenlimburg. In einem Schreiben an die Politik macht die Bürgerinitiative Gegenwind den aus ihrer Sicht gehörigen Handlungsdruck in Sachen Windkraft deutlich.

Die „Bürgerinitiative Gegenwind“ spricht angesichts veränderter Gesetzeslagen klare Empfehlungen an die politischen Fraktionen und den Oberbürgermeister mit Blick auf die Genehmigung weiterer Windräder in Hagen und Hohenlimburg aus. Auch der Naturschutzbeirat hat sich mit den aktuellen Entwicklungen befasst und gibt eine klare Handlungsempfehlung.

In einem Schreiben an die Ratsfraktionen macht die Bürgerinitiative Gegenwind den aus ihrer Sicht gehörigen Handlungsdruck deutlich. Ein Knackpunkt: Im Mai hatte die Große Koalition die sogenannte Länderöffnungsklausel im Baugesetzbuch beschlossen. Die Klausel soll es den Ländern möglich machen, einen Mindestabstand von bis zu 1000 Metern zwischen Windrädern und Wohngebäuden aufzunehmen.

Nicht Minimalabstand, sondern Kann-Formulierung

„Die Bundesregierung proklamierte ursprünglich mindestens 1000 Meter Abstand zur Wohnbebauung. Im Landesentwicklungsplan ist die Rede von 1500 Metern Abstand. Dann rudert die Regierung zurück und gibt die Entscheidung über die Abstände an die jeweiligen Landesregierungen und plötzlich ist die Rede von 1000 Metern, aber nicht als Minimalabstand, sondern als Kann-Formulierung. Das heißt, der Abstand kann bis zu 1000 Meter betragen – muss aber nicht. Damit kommt auch die optische Bedrohung – Stichwort zweifache Höhe – wieder ins Spiel“, erklärt Andreas Paul, zweiter Vorsitzender der Bürgerinitiative Gegenwind.

Auch interessant

Dieser unfertige Plan entwickele zudem keine Schutzwirkung gegen Anlagen, die nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz und damit „mit minimalsten Anforderungen an Bürger- und Naturschutz“ verwirklicht werden könnten, so Paul. Geplant seien derzeit zwei Windkraftanlagen im Märkischen Kreis nahe des Nahmertals (180 Meter Höhe) und zwei auf der Schälker Heide (200 Meter Höhe).

Auch interessant

Dazu würde ein Unternehmen zwei 200 Meter hohe Anlagen auf Schwerter Gebiet an der Stadtgrenze zum Wohngebiet Tiefendorf aufstellen wollen. „Die Firma SL-Naturenergie lässt nach Bundesimmissionsschutzgesetz zwei Anlagen, jeweils 200 Meter hoch, oberhalb des Freilichtmuseums Hagen prüfen und würde diese vermutlich sofort bauen, wenn möglich. Die Firma hat auch eine Bauvoranfrage für eine Repowering-Anlage mit 200 Meter Höhe, oberhalb von Dahl, mit einem Abstand von ca. 480 bis 520 Metern zur nächsten Bebauung gestellt. Dies wäre klar unter dem dreifachen Abstand auf Grundlage der optischen Bedrängung zu allen angrenzenden Bebauungen“, formuliert Paul.

Veränderungssperre gefordert

Die Bürgerinitiative fordert den Rat zum Handeln auf. „Unter Einbeziehung der einzelnen Bezirksvertretungen sollten die Teile des Stadtgebietes definiert werden, die durch die sogenannte positive Vorplanung zur Nutzung als Fläche für Windkraftanlagen definitiv ausgenommen sind. Hierfür ist schnellstmöglich ein Aufstellungsbeschluss zu fassen. Der Schutz der Gebiete erfordert zwingend den Eintrag einer Veränderungssperre in der Bauplanung. Ebenso sollte eine Höhenbegrenzung aller zukünftigen Windkraftanlagen auf 130 Meter im Bebauungsplan festgeschrieben werden.“

Für ein Gebiet in dem Bereich Stoppelberg/Schleipenberg, Schloss Hohenlimburg – grob umfassend: Holthauser-, Wessel- und Nahmerbach – solle ein einfacher Bebauungsplan ausgewiesen werden, fordert die Initiative.

Sorgen wegen Investitionsbeschleunigungsgesetz

Der Bau von Windrädern soll künftig noch schneller umgesetzt werden können. Und zwar auf Grundlage des Investitionsbeschleunigungsgesetzes, das die Große Koalition im August auf den Weg gebracht hatte.

Oberverwaltungsgerichte oder Verwaltungsgerichtshöfe sind künftig in erster Instanz zuständig für Windräder. Die „Raumverträglichkeit“ soll schneller geprüft werden. Das Raumordnungsverfahren fällt weg, wenn keine Konflikte zu erwarten sind. „Ein Raumordnungsverfahren – einschließlich Umweltverträglichkeitsprüfung – wird künftig nur noch durchgeführt, wenn es vom Vorhabenträger als zielführend angesehen wird oder die Raumordnungsbehörde raumbedeutsame Konflikte erwartet“, erklärt die Bürgerinitiative Gegenwind.

Dieser Gesetzentwurf zur Investitionsbeschleunigung sei eine große Gefahr für die Natur, die betroffenen Bürger und letztendlich für die Demokratie. Die Natur werde in den meisten Fällen erst gar nicht mehr mit in die Planungen einbezogen.

Ein im Einzelnen noch genau zu definierendes und großzügig zu umfassendes Gebiet um das Freilichtmuseum und den Mäckinger Bach, Rafflenbeuler Bach, Arenseggebach, Grenze Hagen und den internationalen Wanderweg „Jakobsweg“ solle durch einen entsprechenden Bebauungsplan als Schwerpunktzone für Naherholung, Freizeit- und Landschaftsbelange ausgewiesen und hierfür schnellstmöglich ein Aufstellungsbeschluss gefasst sowie eine Veränderungssperre erlassen werden. Genau wie beim vorgenannten Gebiet.

In der Bürgerinitiative sind keine Windkraft-Gegner, vielmehr Befürworter. Die Initiative pocht aber auf Natur- und Bürgerschutz.

Das sagt der Naturschutzbeirat

Der Naturschutzbeirat gibt der Stadt eine Handlungsempfehlung mit Blick auf die Realisierung weiterer Windkraftanlagen. „Eine Bebauungsplanaufstellung an einer Stelle im Außenbereich, die nicht bereits im Flächennutzungsplan als Windfläche ausgewiesen ist, ist wegen des Entwicklungsgebotes nicht möglich. In Windflächen ja, und dann ist auch eine Höhenbegrenzung möglich“, formuliert der Beirat. Das heiße für die Forderung der Bürgerinitiative: die geforderte Aufstellung der Bebauungspläne funktioniere nicht, weil an diesen Stellen bisher keine Planung existiere.

Auch interessant

Der bisherige Flächennutzungsplanentwurf habe auf Basis des Windkrafterlasses geeignete Flächen entwickelt, die in das Verfahren eingestellt worden seien. Die Flächen, so erklärt der Naturschutzbeirat, müssten der Windkraft „ausreichend“ Raum im Gemeindegebiet geben.

„Dieser Begriff ist unbestimmt und verunsichert die Beteiligten, von der Verwaltung bis zur Politik. Davon profitieren die Investoren. ‚Ausreichend‘ bedeutet jedoch nicht – vom maximalen Ende gesehen – dass die Gemeinde bei ihrer Flächenausweisung oder der Anwendung von Höhenbegrenzungen die technisch maximalen Möglichkeiten gewährleisten muss, sondern lediglich, dass ein Invest – in welcher Größe auch immer – gewinnträchtig betrieben werden kann.“

Auch interessant

Um bestimmte Anlagenstandorte ausscheiden zu können, müsse der Flächennutzungsplan schnellstmöglich aufgestellt werden. Das könne mit den von der Gemeinde Tönisvorst angewandten Mitteln, wie einer Dringlichkeitsentscheidung, erfolgen. „Die so auf den Weg gebrachte Flächennutzungsplanänderung sollte mit einer Höhenbegrenzung in Abgleich mit den Festsetzungen und Zielsetzungen des Landschaftsplanes abgeglichen und begründet werden.“

Das sagt die Stadt Hagen

Die Stadt sieht die Aufstellung von Bebauungsplänen in diesen Fällen kritisch. Aktuell würden nur für Bereiche Bebauungspläne aufgestellt, in deren Umgebung Bauvoranfragen für Windenergieanlagen vorliegen würden. Bebauungspläne, die nur der Verhinderung von Windkraftanlagen dienen würden, seien kein taugliches Mittel zur Steuerung der Windenergieplanung. Diese Pläne wären genauso fehlerhaft und anfechtbar wie der Flächennutzungsplan Wind der Stadt Hagen von 2003, den das Verwaltungsgericht wegen eines Formfehlers für unwirksam erklärt hat.

Die Stadt ist deshalb in Revision vor das Bundesverwaltungsgericht gegangen. Eine positive Revisionsentscheidung, so erklärt die Stadt, würde die Option eröffnen, dass die Verwaltung in die Lage versetzt würde, neu geplante oder „repowerte“ Anlagen nur auf den zehn Konzentrationsflächen genehmigen zu müssen, die in dem Flächennutzungsplan von 2003 ausgewiesen worden seien.

Aktuell gibt es laut Stadt zwei Bauvoranfragen. Dazu liegen vier Bauanträge vor. Allesamt für den Stoppelberg. Alle Anlagen seien genehmigungsbedürftig im Sinne des Bundesimmissionsschutzgesetzes