Hagen. Claudi Hofmann leidet an Lungenkrebs. Sie lebt im Hospiz, wird aber sehr bald sterben. Angst vor dem Tod hat sie nicht.

Sie lächelt, sie lacht. Und das, obwohl sie an einem Ort lebt, an dem immer wieder auch Traurigkeit den Alltag bestimmt. Claudia Hofmann, 56 Jahre alt, wird sterben. Sehr bald sogar. Sie lebt im Hospiz an der Rheinstraße. „Ich verbringe hier eine wunderschöne Zeit“, sagt sie. Im Interview spricht sie über den Alltag in der Corona-Zeit.

Vielleicht eine komische Frage – aber wie geht es Ihnen?

Claudia Hofmann: Sie können mich alles fragen. Keine Hemmungen. Ich bin völlig mit mir im Reinen. Seit Oktober 2017 weiß ich, dass ich Lungenkrebs habe. Ein Adenokarzinom, das um die Pulmonalarterie herum wächst. Ich nennen den Krebs „Herr Arschloch“.

Haben Sie auf Heilung gehofft?

Nein. Eigentlich ist seit jenem Tag klar, dass es keine Chance gibt. Mit jeder Chemotherapie ist Herr Arschloch gewachsen. Zuletzt ist das Ende Januar festgestellt worden. Trotzdem geht es mir gut. Morphin ist so etwas Schönes. . .

Das heißt: Sie sind ohne Schmerzen?

Ja. Morphin hilft mir, besser Luft zu bekommen, schmerzfrei zu sein. So war es mir möglich, ins Theater zu gehen oder mal in die Stadt zum Shoppen.


Und eine weitere Chemotherapie?

Ich will nicht mehr. Im Februar sollte noch einmal eine durchgeführt werden. Im März stand ich schon vor der Himmelstür. Aber der liebe Gott wollte sie noch nicht öffnen.


Was war passiert?

Ich hatte von jetzt auf gleich einen dicken Kloß im Hals. Ich konnte nicht mehr sprechen, bekam keine Luft mehr. Für einen solchen Fall ist vereinbart, dass die Medikamente so dosiert werden, dass ich nichts mehr mitbekomme. Also habe ich gesagt: Schießt mich ab.

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Können Sie sich daran erinnern?

Ich habe mich gefühlt wie auf einem Wölkchen. Ich habe gedacht: Jetzt geht es nach oben. Man kriegt nicht mehr alles mit, was um einen herum passiert. Ich kann mich beispielsweise noch an einen Moment erinnern, in dem sie mich aufs Bett gesetzt haben und mir eine Zigarette angesteckt haben. Aber vieles fehlt in meiner Erinnerung.

Große Leidenschaft war ihr Hund

Claudia Hofmann ist 56 Jahre alt.

Sie hat lange Zeit in Vorhalle gelebt.

Gearbeitet hat sie als Arzthelferin und als Büroangestellte.

Ihr größte Leidenschaft war ihr Hund Püppi, ein Mischling aus Spanien, mit dem sie irgendwann leider nicht mehr Gassi gehen konnte.


Warum leben Sie noch?

Ich kann es gar nicht sagen. Nach zehn Tagen ging es mir wieder besser. Ich fühlte mich fit. Die Antibiotika und das hoch dosierte Cortison müssen gewirkt haben. Das war in der Zeit, als Corona gerade aufkam. Als ich die ersten Fernsehberichte aus Italien gesehen habe, da habe ich geweint. Ich bin ein sehr emotionaler Mensch.

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Wie hat sich Corona auf das Leben im Hospiz ausgewirkt?

Am 2. April hatten wir hier unseren Lockdown. Die Ehrenamtlichen kamen nicht mehr. Was das Pflegepersonal seither geleistet hat, das kann sich niemand vorstellen. Ich bin unendlich dankbar für diesen Einsatz. Auf einmal bleibt alles an den Pflegekräften hängen.


Das muss eine extreme Situation gewesen sein. . .

Natürlich. In der Zwischenzeit sind hier Menschen gestorben. Doch trotz aller Traurigkeit: Eigentlich ist das hier ein sehr fröhlicher Ort, an dem wir viel miteinander lachen.

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Welche schönen Momente gab es?

Zu vielen Ehrenamtlichen habe ich Kontakt per WhatsApp gehalten. Mit einer habe ich sogar virtuell zusammen eine geraucht. Ich verbringe hier eine schöne Zeit. Es hat gar nicht lange gedauert, und ich habe gesagt: Das ist mein Zuhause.

Gibt es noch einen Wunsch, den Sie sich erfüllen wollen?

Hab ich ja schon. Ich war mit dem „Wünschewagen“ des Arbeitersamariterbundes noch einmal am Meer. In Noordwijk in den Niederlanden. Das war ein wundervoller Tag. Wir sind am Strand spazieren gegangen.

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Haben Sie Angst vor dem Tod?

Nein. Ich war ja schon einmal ganz dicht dran. Ich bin sehr entspannt. Alles ist gut. Ich weiß, wer auf mich wartet. Ich denke, dass es da oben weitergeht. Wie genau – das kann niemand sagen. Aber ich glaube, dass wir uns alle wiedersehen.

Haben Sie sich vorbereitet?

Ich habe bereits meine eigene Beerdigung organisiert. Die Einladungen sind fertig. Für den Corona-Fall habe ich einen Plan B entwickelt. Auf dem Grabstein, den ich mir ausgesucht habe, steht die Zahl 2020. Aus der Null am Ende kann man nicht mal eben so eine Eins machen.