Hagen. Ein Beamter (64) sprüht Tauben in der Hagener Bahnhofsbäckerei an. Die Reizgaswolke verteilt sich über die Lüftung. Der Fall landet vor Gericht.
Die wilden Stadttauben machten ihn regelrecht wild. Deshalb griff der aufgebrachte Mann (64) aus Herdecke zu einer Dose Pfefferspray und sprühte die Vögel an. Doch seine aggressive Gaswolke setzte auch die Kunden und Beschäftigten der Bahnhofsbäckerei schachmatt. Beamte der Bundespolizei wurden hinzugerufen, sogar der Rettungswagen kam zum Einsatz. Der letzte Teil des Dramas fand jetzt vor dem Amtsgericht statt.
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Angeklagt vor Strafrichter Dirk John ist ein Beamter. Die ehemalige Deutsche Bundesbahn hatte ihn als Lokführer eingestellt, bis er aufgrund einer Erkrankung seinen Dienst nicht mehr ausüben konnte. Um seine jetzige Nachfolgetätigkeit hätte er sich selbst gekümmert: „Eine Art beamteter Hausmeister“ sei er, „zuständig für die Sauberkeit und Sicherheit an 112 NRW-Bahnhöfen“. Das klingt nach großer Verantwortung und passt so gar nicht zu dem leichtfertigen Verhalten, das ihm hier vorgeworfen wird.
Eklat am Rosenmontag
Es war der 4. März vergangenen Jahres, Rosenmontag. „Ich bin meine Runde über die Schienen gegangen“, berichtet der Angeklagte, „und dann lag da diese kleine Dose im Gleisbett.“ Pfefferspray. Er habe sie, ganz der pflichtbewusste Beamte, aufgehoben. Und eingesteckt. „Weil Chemikalien nämlich nicht in den normalen Müll gehören.“
Danach ging es stracks zur Bäckerei Kamps in der Bahnhofshalle, die er regelmäßig aufsuche, wenn er in Hagen sei und wo stets ein knuspriges Brötchen und eine heiße Bockwurst auf ihn warteten.
Im offenen Eingangsbereich der Backwarenverkaufsstelle trippeln Stadttauben über die Fliesen, um gierig heruntergefallene Krümel aufzupicken. Die Vögel flattern auch schon mal im Sinkflug durchs Bahnhofsgebäude.
Das nervt den Bahnhofshausmeister und macht ihn sauer: „Durch Stadttauben haben wir Schäden von 80.000 Euro im Jahr“, klärt er den Richter auf. Aber das ist aus juristischer Sicht noch lange kein Grund, rücksichtslos Pfefferspray zu versprühen.
„Ein dicker Reizgas-Strahl erwischte eine Taube am Boden“, erinnert sich ein 76-jähriger Insolvenzberater, der nur wenige Meter entfernt am Imbiss eine Bratwurst aß und plötzlich panisch nach Luft schnappen musste. Er ist als Zeuge eigens aus Pforzheim angereist: „Mit Atemnot und brennenden Augen bin ich damals ins Hotel gefahren, habe mir immer wieder die Augen ausgewaschen. Für mich war der Tag gelaufen.“
Lüftung verteilt Reizgaswolke
Über die Lüftungsanlage hatte sich die scharfe Reizgaswolke schnell in der gesamten Bäckerei verteilt. Den Kunden schossen Tränen in die Augen, sie fingen an zu husten, wirkten orientierungslos, die Verkäuferin rief lautstark um Hilfe. „Mir waren diese Auswirkungen absolut nicht bewusst“, entschuldigt sich der Angeklagte, „ich habe selbst nicht gewusst, was für ein scharfes Zeug das ist. Ich wollte niemanden verletzen, ich bin Beamter, aber kein Terrorist.“
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Das hatte die Staatsanwaltschaft bereits im Vorfeld genauso gesehen und auch nur „fahrlässige Körperverletzung“ angeklagt. Amtsrichter John und die Anklagevertreterin zeigten sich bereit, das Verfahren gegen den bislang unbescholtenen Bahnbeamten einzustellen, wenn dieser 1200 Euro Geldbuße zahlt und zwar an den Hagener Tierschutzverein.
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Damit war Verteidiger Michael Baumeister zunächst ganz und gar nicht einverstanden: „Wenn er die Haustauben meines Vaters angesprüht hätte, würde ich das ja noch einsehen. Aber bei den Ratten der Lüfte bin ich nicht dabei, wenn das Geld an den Tierschutz geht.“
Richter John ließ sich jedoch nicht davon abbringen: „Das Geld bekommt der Hagener Tierschutzverein. Das ist in diesem Fall der richtige Adressat.“