Hagen. Eine vorgetäuschte Liaison führt in Hagen zu einem Prozess wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung. Angeklagt ist ein Bandido-Rocker.
Der Personalchef (56) einer sauerländischen Firma und der ganzkörpertätowierte Bandidos-Rocker (33) aus Hagen: Ein ungleiches Paar, eine ungleiche Beziehung. Am Ende der vierjährigen heimlichen Affäre hatte der sauerländische Anzug-Träger gut 60.000 Euro in den von ihm begehrten Lederkutten-Träger gesteckt. Eine Fehlinvestition. Letzter Höhepunkt der offenbar nur vorgetäuschten Liaison: ein Verbrechen und ein Strafprozess wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung, der gestern im Landgericht begann.
Großzügige Geschenke für den Bandido-Rocker
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Auf der Anklagebank sitzt ein Muskelpaket mit kahlrasiertem Hinterkopf. Mitglied der mittlerweile aufgelösten Hagener Unterstützer-Gruppierung des Rockerclubs Bandidos. Eine harte Kante. Er stellt von vornherein klar: „Liebe war bei mir nicht im Spiel.“ Warum er dann Ende 2015, Anfang 2016, über eine Homo-Dating-App Beziehungen knüpfte und dabei den hochgewachsenen Personalleiter kennenlernte? Man hätte sich zu einvernehmlichen Kontakten getroffen, die auch im gemeinsamen Bett endeten. „In all’ den Jahren aber höchstens zehn Mal“, so der Angeklagte.
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Doch dann sei da auch das verführerische Angebot gewesen, öfter mal gemeinsam einkaufen zu gehen. Der verheiratete Personalleiter verfügte offenbar über das nötige Kleingeld, dem Motorrad-Rocker aus Hagen, in den er sich insgeheim verliebt hatte, das eine oder andere großzügige Geschenk machen zu können: „Er hat mir bereitwillig und sofort immer alle Wünsche erfüllt“, berichtet der Angeklagte, „auch schon mal Geld auf mein Konto überwiesen oder einfach Scheine in den Briefkasten gesteckt.“
Gewächshaus für Cannabis-Plantage geschenkt
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Das alles im Glauben an eine gemeinsame Zukunft. Liebe macht nicht blind, im Gegenteil: Man sieht Dinge, die gar nicht vorhanden sind. Vorsitzender Richter Christian Hoppe will es genau wissen: „Hatten Sie ihm gegenüber denn auch Gefühle entwickelt?“ Der Angeklagte reagiert unterkühlt: „Eigentlich nicht.“
Der Personalchef hatte das über die Jahre gar nicht mitbekommen. Er investierte fleißig weiter in den Freund, der in Wirklichkeit keiner war und in den er sich so leidenschaftlich vernarrt hatte. Gut 60.000 Euro, in bar oder in Sachgeschenken, soll er großzügig an seinen Liebhaber verteilt haben. So bekam der Bandidos-Rocker auch eine Gewächshaus-Anlage geschenkt, mit der er sich Cannabis-Pflanzen züchten konnte.
Mit Gaspistole bedroht
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Am 14. Januar kam es zu einem letzten Treffen in Dahl. Der angeklagte Bandido: „An diesem Abend hatten wir uns nur zum Sex verabredet, ohne dass diesmal Geld im Spiel war.“ Es war schon nach Mitternacht, als der Rocker Schmerzen verspürte. Diese, so gab er vor, habe er beim Liebesspiel davongetragen.
Da zeigte er erstmals sein wahres Gesicht: Er griff er zu einer Gaspistole, die unter dem Bett lag, hielt sie seinem Gegenüber an den Hals und forderte Schmerzensgeld. 5000 Euro. Der Personalleiter hatte jedoch kein Geld dabei. Deshalb zogen sich beide an, fuhren noch nachts zu dessen Wohnung.
Dort war die Kontokarte. Am Automaten gelang es jedoch nur, 1000 Euro abzuheben. Mit der Drohung, dass seine Bandidos-Kumpels jedem Familienmitglied sonst einen Finger abschneiden würden, soll der Personalchef unter Druck gesetzt worden sein, nicht die Polizei zu benachrichtigen. Der Geschädigte wurde gestern unter Ausschluss der Öffentlichkeit vernommen. Der Prozess wird fortgesetzt.