Hohenlimburg. Cihat Cengiz hat einen Prototypen mitentwickelt, der viele Leben in Afrika retten soll – und zwar nach der Open-Source-Methode.

Wie wir mittlerweile wissen, braucht ein kleiner Anteil an Patienten, die vom Coronavirus betroffen sind, ein Beatmungsgerät, um atmen zu können. Diese sind aber in der Regel teuer, und einige Länder sind damit knapp bestückt, wie etwa viele in Afrika. Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass 41 afrikanische Länder zusammen auf 2000 Beatmungsgeräte kommen. Bei einer Ausbreitung des Virus auf dem afrikanischen Kontinent könnte das drastische Folgen haben. Wäre es nicht praktisch, wenn es Beatmungsgeräte gäbe, die preiswert und leicht herzustellen wären und trotzdem die gängigen Anforderungen erfüllen können? Der 29-jährige Hohenlimburger Cihat Cengiz, Ingenieurs-Doktorant an der Cambridge University, hat mit einem Team der Cambridge University in Kombination mit Ärzten aus Afrika solch ein neues Beatmungsgerät entwickelt.

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So sieht das von Cengiz mitentwickelte Gerät aus.
So sieht das von Cengiz mitentwickelte Gerät aus. © Fabian Sommer

Im März wurde die „Open Ventilator System“ Initiative (OVSI) gegründet. Diese besteht mittlerweile aus 60 Ingenieuren, Forschern, Intensivmedizinern und Industriepartnern aus Großbritannien und Afrika. Auslöser war die Versorgungslage in Europa und daraus resultierend auch die in den verschiedenen Entwicklungsländern, wenn die Welle dort ankommen sollte.

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Die Idee war, ein „Open-Source“-Beatmungsgerät herzustellen, das günstig und mit schnell verfügbaren Materialien gebaut werden kann. Die Idee kam vom „Whittle Lab Cambridge“, der Abteilung für Ingenieurswesen. Dort werden unter anderem Turbinen für Flugzeuge entwickelt. „Open source“ bedeutet, dass jeder das Gerät verändern, verbessern und somit weiterentwickeln kann. Es gibt keine Patent-Barrieren.

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Cihat Cengiz ist Doktorand im Ingenieurswesen an der Ingenieursfakultät an der Cambridge Universität. Von Beginn an war er bei dem Projekt dabei. „Ich war im Engineering-Team und habe das Produkt designed und den Prototypen mitentwickelt. Jetzt bin ich im Open-Source-Team und helfe dabei, dass das Projekt noch besser wird."

Das Gerät wird in Südafrika bereits hergestellt

Im März ist das Projekt gestartet, wenige Wochen später stand der erste Prototyp. Mittlerweile wird das Gerät in Südafrika von Firmen wie Defy und Denel bereits hergestellt. „Die größte Herausforderung war der Zeitfaktor. Wir mussten alles von A bis Z selbst entwickeln und dabei darauf achten, dass die Materialien und Teile auch lieferbar waren“, schildert Cihat Cengiz. Diese Herausforderung haben Cengiz und der Rest des Teams gemeistert.

Wie sehen die nächsten zwölf Monate aus? „Das Gerät wird in Südafrika schon hergestellt und andere afrikanische Länder werden folgen. Für uns gilt es jetzt, dass wir es „open source“ machen, damit andere Entwickler es besser machen können und auch andere Hersteller es einfach herstellen können“, erklärt Cengiz. Die OVSI wird mit Partnerländern in Afrika und auf anderen Kontinenten zusammenarbeiten, um lokale Produktion vor Ort zu ermöglichen und schnell behördliche Genehmigungen für den Prototypen und Systemerweiterungen zu erhalten.

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Cihat Cengiz wurde in Hohenlimburg geboren und ist hier auch zur Schule gegangen.
Cihat Cengiz wurde in Hohenlimburg geboren und ist hier auch zur Schule gegangen. © Privat

Dass die Industrie der Medizintechnik schon mit einem bösen Auge auf das neue Produkt schielt, weiß Cihat Cengiz. „Medizintechnik-Hersteller sind im Allgemeinen nicht davon begeistert, weil deren Geräte zu teuer sind und viele Leute bewiesen haben, dass es auch anders geht. Aber das ist am Ende nicht unser Bier“, sagt er und lacht dabei. Letztendlich könne aber auch niemand aus Profitgründen dagegen vorgehen, denn „wir haben alles selbst designed, es ist ein Non-Profit-Projekt und alles ist open source.

Die Pandemie hat ihn angespornt

„Die Pandemie hat meine tägliche Routine verändert, aber sie hatte kein bisschen Einfluss auf meine Bestrebung, zu helfen und etwas zu beeinflussen. Wenn überhaupt, hat es mich eher angespornt. Beim OVSI-Projekt neben Weltklasse-Ingenieuren mitzumachen und das Produkt zu designen, war eine besondere Erfahrung“, erklärt der gebürtige Hohenlimburger. Wenn die Pandemie sich irgendwann dem Ende neigen sollte, hat Cihat Cengiz sicherlich einen großen Teil dazu beigetragen, dass so mancher Mensch überlebt hat.