Hagen. . Der Historiker Ralf Blank, Leiter des Stadtarchivs und der historischen Museen, geht davon aus, dass im März und April 1945 in Hagen bis zu 70 Menschen kaltblütig umgebracht wurden.
- Morde prägten Ende der Nazi-Zeit in Hagen
- Drei Arbeiter wurden in Dortmund hingerichtet
- Karfreitag Gedenkfeier in der Bittermark
In jenen Tagen wurde viel gemordet. Der Geschützdonner der heranrückenden Alliierten war schon zu hören, da brachten die Nationalsozialisten noch reihenweise politische Gegner, Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter und Deserteure um. Der Historiker Ralf Blank, Leiter des Stadtarchivs und der historischen Museen, geht davon aus, dass im März und April 1945 in Hagen bis zu 70 Menschen kaltblütig umgebracht wurden: „Der Nationalsozialismus funktionierte bis zum bitteren Ende.“
In der Endphase des Zweiten Weltkriegs artikulierte sich kaum noch Widerstand gegen die braunen Machthaber. Und doch gab es Menschen, die sich bis zuletzt gegen die Nazi-Herrschaft auflehnten. Zu ihnen gehörten die Hagener Johann Wißner, Julius Nierstenhöfer und Paul Pietzko, die im Dortmunder Romberg-Park ermordet wurden. Ihnen und den weiteren Opfern der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wird am Karfreitag am Mahnmal in der Bittermark offiziell gedacht. „Der Faschismus endete so, wie er 1933 begonnen hatte: mit Terror und grauenhaften Verbrechen“, so Rainer Stöcker, Buchautor und Mitglied des Hagener Geschichtsvereins.
Von Spitzel verraten
Stöcker hat sich intensiv mit den aus der Arbeiterbewegung hervorgegangenen Widerstandsgruppen beschäftigt, die in der Endphase des Dritten Reiches allerdings zu schwach waren, um die Nazis offen herauszufordern. Ihnen sei es nicht primär um den Sturz des Regimes gegangen – den erwarteten sie von außen –, sondern um den Aufbau Deutschlands nach dem Krieg: „Um nicht in letzter Minute dem Terror zum Opfer zu fallen, bildeten sich auf rein privater Basis lose Diskussionszirkel“, so Stöcker.
Die Gruppe um den in der Elberfelder Straße wohnenden Kommunisten Johann Wißner, der im Eisenwerk Plate in Eckesey arbeitete, dagegen suchte den Kontakt zu Hitler-Gegnern in anderen Städten. Gemeinsam mit Paul Pietzko aus Haspe und Julius Nierstenhöfer aus Hohenlimburg besprach der ehemalige KZ-Insasse den Wiederaufbau der KPD. Doch der kleine Zirkel wurde von einem Spitzel in den eigenen Reihen ans Messer geliefert: Heinrich Muth hatte sich das Vertrauen der Männer erschlichen und sein Wissen an die Gestapo verraten, die die verschworene Gemeinschaft in den frühen Morgenstunden des 9. Februar 1945 verhaftete. Die Hagener wurden im Hausgefängnis der Gestapo in Dortmund-Hörde eingekerkert, brutal misshandelt und in den Ostertagen schließlich mit Genickschüssen am Rande eines Bombentrichters im Romberg-Park hingerichtet.
Dass die Mordmaschinerie der Nazis bis zum Ende funktionierte und in der Endphase des Krieges sogar noch einmal Fahrt aufnahm, hält Ralf Blank für eine Folge des bürokratisch durchorganisierten Terrors. Die Motivlage der Täter sei durchwachsen gewesen, Fanatismus habe ebenso eine Rolle gespielt wie die Beseitigung unliebsamer Zeugen oder Zynismus nach der Devise: „Wenn wir sterben müssen, dann nehmen wir euch mit.“ So wurden in der Donnerkuhle im April 1945 zwölf Gefangene erschossen, darunter acht deutsche Häftlinge sowie vier osteuropäische Zwangsarbeiter. Auf dem Gelände der Klöckner-Werke in Haspe ermordeten die Nazis nach Schätzungen von Blank mindestens 20 sowjetische Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter.
Schauprozess vor Schwurgericht
Unter dem NS-Regime wurde auch am Hagener Landgericht, dem zeitweise ein Sondergericht angeschlossen war, eine Reihe von Todesurteilen gefällt. Die verurteilten Widerständler, Zwangsarbeiter und Deutsche wurden zumeist in Dortmund oder Köln durch die Guillotine geköpft. In den ersten Jahren des Nazi-Regimes hatte es in Hagen kaum Justizmorde gegeben, zum Tode verurteilte Widerständler wurden zumeist in Dortmund oder Köln exekutiert. Ausnahme: Am 14. September 1934 starb der Kommunist Franz Schidcick aus Hohenlimburg im Hof des Gerichtsgefängnisses unter dem Handbeil. Er war in einem Schauprozess vor dem Hagener Schwurgericht zum Tode verurteilt worden, weil er in Iserlohn einen SA-Mann umgebracht haben soll. Die Beweislage war dürftig, 1957 wurde Schidcick rehabilitiert.
Nach Gutdünken entschieden
Den lokalen Gestapo-Behörden waren im März 1945 umfangreiche Freiheiten beim Umgang mit Gefangenen eingeräumt worden, in Hagen konnte der seit 1943 amtierende Gestapo-Chef Fritz Hollborn daher nach Gutdünken über Leben und Tod entscheiden. Das wurde dem kanadischen Piloten Thomas Delmer Scott, der für die Royal Air Force tätig war und beim Angriff über Hagen am 15. März 1945 abgeschossen worden war, zum Verhängnis. Zwar hatte er sich per Fallschirmsprung aus dem brennenden Bomber retten können, doch wurde er aufgegriffen und entgegen der Genfer Konvention für drei Wochen in das Gerichtsgefängnis gesteckt. Am 3. April erschossen Gestapo-Angehörige den Soldaten mitsamt elf ungarischen Hilfswilligen, denen vorgeworfen wurde, im Vorhaller Bahnhof geplündert zu haben. Obwohl sich der Kanadier im Angesicht des Bombentrichters, an dessen Rand er neben den Ungarn niederknien musste, umdrehte, seinen Schergen ins Gesicht sah und gegen die bevorstehende Exekution protestiert, wurde er ungerührt getötet.
In Hameln gehängt
Doch war dieser Mord einer zuviel für Fritz Hollborn, dem die Engländer nach dem Krieg den Prozess machten und zum Tode durch den Strang verurteilten. Er wurde im Januar 1947 durch den britischen „Hangman“ (Henker) Albert Pierrepoint in der Strafanstalt Hameln aufgeknüpft.
Hagener Bildhauer schuf das Mahnmal
Die traditionelle Gedenkveranstaltung am Mahnmal in der Dortmunder Bittermark für die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, findet am Karfreitag um 15 Uhr statt.
Insbesondere wird daran erinnert, dass die Gestapo in den Ostertagen 1945 im Romberg-Park etwa 300 Menschen umbrachte.
Das eindrucksvolle Denkmal wurde 1960 von dem Hagener Künstler Karel Niestrath (1896 bis 1971) geschaffen.
In Hagen jedoch begann und endete der Nationalsozialismus mit NSDAP-Mitglied Dr. Werner Dönneweg. Er war nach der Machtergreifung 1933 eine Zeit lang kommissarischer Oberbürgermeister gewesen, musste jedoch ins zweite Glied zurücktreten und war in den Folgejahren u.a. als Kulturdezernent in der Stadtverwaltung tätig. Nach der Eroberung Hagens ernannten ihn die Amerikaner für vier Wochen erneut zum Oberbürgermeister, weil kein anderer Verwaltungsexperte zur Hand war. Am 18. Mai 1945 wurde er nach Protesten aus dem Dienst entlassen.