Fleyerviertel. Täglich fährt auf der Kleingartenanlage Grenzweg in Hagen ein Dacia vor. Tadeusz Barnas ist täglich vor Ort. Doch was gibt es im Winter zu tun?

Man könnte meinen, im Winter habe ein Gärtner nichts zu tun. Die Kartoffel- und Gemüseernte ist eingeholt, die Blumen sind verblüht, und an den Obstbäumen hängen keine Früchte mehr. Zeit und Muße also für den Gärtner, sich um andere Dinge zu kümmern. Den Garten Garten sein zu lassen. Sich zurückzulehnen und auf den Frühling zu warten.

Im Kleingartenverein Grenzweg an der Fleyer Straße fährt jeden Tag ein blauer Dacia vor. Ihm entsteigt ein untersetzter, freundlicher Mann, der Deutsch mit einem leichten polnischen Akzent spricht. Und aus Polen stammt Tadeusz Barnas (67) ja auch, im Wendejahr 1989 folgte er seiner Frau nach Hagen und blieb hier. An einen eigenen Garten dachte er damals freilich noch lange nicht. „Gartenarbeit habe ich eher mit Quälerei assoziiert“, sagt er: „Nein, das war nichts für mich.“

Wertermittler für Grundstücke

Dachte er. Heute ist Tadeusz Barnas Fachberater. Er ist Wertermittler für Gartengrundstücke. Sechs Jahre lang war er Vorsitzender des Vereins Grenzweg. Und er kommt, obwohl ab November doch eigentlich nichts mehr zu tun ist in einem Garten, täglich zu seiner Parzelle Nr. 39, um irgendetwas zu erledigen. Das Laub fortzufegen. Das Zitronenbäumchen zu lüften. Ein bisschen sauber zu machen. Ein bisschen hier und da. Zu beobachten. Zu atmen. „Ach, irgendwas gibt es doch immer zu tun“, sagt er.

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Tadeusz Barnas kann von seinem Garten nicht mehr lassen. Er ist sein Freizeitvertreib und sein Lieblingsplatz. Nie hätte er gedacht, dass aus ihm einmal so ein formidabler Gärtner werden würde. Sein Vater beackerte einen großen Garten, das war noch in Polen, wo der kleine Tadeusz aufwuchs. Aber der Vater ließ die Kinder mit anpacken, auch noch, als sie in jugendlichem Alter und mit ihren Gedanken ganz woanders waren. „Ich war jung, verstehen Sie. Ich wollte keine Kartoffeln lesen und auch keine Möhren aus der Erde holen.“

Die Lebenswende

Aber wie das so ist im Leben. Manches aus der Jugendzeit wird zugeschüttet und bricht dann, wie eine schnell sich öffnende Blüte, mit einem Mal hervor. Vor zehn Jahren, Barnas war bereits 57, lud ihn ein Kollege in seinen Garten zum Grillen ein. Es sei gerade eine Parzelle frei, bekamen Barnas und seine Frau zu hören. Und weil sie in einer grauen Gegend von Hagen wohnten, in der es nur Steine und Beton gab, aber nichts Grünes, überlegten sie nicht lange und bewarben sich um das Grundstück. Und erhielten es zugesprochen.

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Von da an war Tadeusz Barnas ein anderer Mensch. Seine Freizeit, jeder Tag, gehörte dem Garten. „Ich fand sofort Geschmack an der Gartenarbeit, ich hatte nun eine ganz andere Einstellung dazu als im Kindesalter.“ Er baute Kartoffeln und Möhren an. Er genoss es, mit nackten Händen in die fruchtbare Erde zu greifen. Er kümmerte sich um die Gemeinschaft im Verein und wurde in den Vorstand gewählt.

Schnitt und Veredelung

Und er bildete sich fort. Sein Spezialgebiet, er selbst nennt es sein „Hobby“, sind der Schnitt und die Veredelung von Obstbäumen. Mitunter sieht man ihn mit der Schere durch die Anlage laufen, weil andere Gartenbesitzer sein Fachwissen schätzen und sich von ihm ihre Bäume zurückschneiden lassen. In seinem eigenen Garten stehen Apfel-, Kirsch- und Pflaumenbäume, sein Vorzeigebaum aber ist eine Portugiesische Quitte, auf die er drei Birnensorten (Madame Verte, Clapps, Conference) gepfropft hat. Wenn die Ernte reichlich ausfällt, verschenkt er das Obst an Kindereinrichtungen in Hagen.

54 Grundstücke

Die Parzelle von Tadeusz Barnas ist 360 qm groß. Zum Kleingartenverein Grenzweg gehören 54 Grundstücke. Der Verein hat 106 Mitglieder.

In Hagen gibt es 41 Kleingartenvereine mit insgesamt rund 2500 Parzellen und 3500 Gartenfreunden.

Nein, dass aus einem solchen Gartenverächter einmal ein solcher Gartenliebhaber werden sollte. Tadeusz Barnas lächelt verschmitzt. Manchmal macht das Leben eine 180-Grad-Wende. Und wenn im November auch nichts zu säen und zu pflanzen und zu ernten ist im Garten, so macht es frei, einfach nur da zu sein.

Und zu schauen. Und zu atmen.