Hagen. Die Stadtbäckerei Kamp aus Hagen hat 33 Filialen und 300 Mitarbeiter. Chef und Chefin sprechen im Interview über die Entwicklung des Unternehmens.

Die Stadtbäckerei Kamp hat gerade ihren wie immer stark besuchten Tag der offenen Tür hinter sich. Und das im Jahr ihres 55-jährigen Bestehens. Im Gespräch mit unserer Zeitung blickt Stefanie Kamp (49), die an der Seite von Geschäftsführer und Ehemann Martin Kamp das Familienunternehmen führt, auf die Entwicklung der Bäckerei, die in Hagen auch viel soziales Engagement zeigt.

Frau Kamp, sind 34 Cent für ein Brötchen nicht eigentlich zu teuer? Da hätte doch früher niemand über 70 Pfennig für bezahlt.

Stefanie Kamp: Der Vergleich hinkt natürlich, aber vom nostalgischen Gefühl her stimmt das. Und dabei gehen wir schon sehr vorsichtig und defensiv mit dem Brötchenpreis um, weil wir finden, dass sich das jeder leisten können muss. Aber die Kosten für ein Unternehmen wie uns haben sich stark verändert und an jedem verkauften Brötchen hängt ein Netz von 33 Filialen mit über 300 Mitarbeitern und ihren Familien, das am Laufen gehalten werden muss.

Geschäftsführer Martin Kamp ist selbst Bäckermeister und Konditor.
Geschäftsführer Martin Kamp ist selbst Bäckermeister und Konditor. © Michael Kleinrensing

Es gibt viele Kamp-Filialen, die in die heutige Zeit gehievt worden sind. Aber an anderen Stellen haben die Filialen noch den Look der 80er-Jahre. Wehringhausen, Helfe oder an der Bülowstraße zum Beispiel.

Wir modernisieren, wo es geht und sind auch stolz auf die neugestalteten Filialen. Aber alles auf einmal geht nicht. Das Unternehmen ist familiengeführt und da müssen solche Projekte einzeln und mit Bedacht angegangen werden.

Familiengeführt heißt, es gibt keinen großen Überbau. Mehrere Geschäftsführer, Controller oder Bauleiter beispielsweise. Wäre das nicht mal nötig?

Genau das heißt es. Und nein: So wie wir es machen, ist es eine bewusste Entscheidung. Mein Schwiegervater Horst Kamp hat das Unternehmen gegründet, in dem er 1964 die kleine Bäckerei Meyer am Berghof in Altenhagen übernahm und von da aus behutsam die heutige Stadtbäckerei durch Zukäufe und Filialeröffnungen aufgebaut hat. Zunächst mit kleiner Backstube am Hauptbahnhof. 1995 dann das große, aber total zukunftsweisende Wagnis, ein Backhaus an der Schwerter Straße zu bauen. Das ist aus Mut, Überzeugung und aus der Hand einer Familie aus Hagen gewachsen. Und so wollen wir es auch halten. Das mag mancherorts nicht in die Zeit passen. Hier macht es uns erfolgreich.

Auch interessant

33 Filialen, über 300 Mitarbeiter, ordentlich Umsatz und eine strategisch ziemlich gute Besetzung des Hagener Marktes und der umliegenden Städte. Etwas provokant gefragt: Es läuft doch jetzt von allein, oder?

Ganz und gar nicht. Das ist eine ziemlich große Verantwortung. Wir zahlen all unseren Mitarbeitern Löhne nach dem Tarifvertrag für das Bäckerhandwerk und wollen absolute Frische und Top-Qualität liefern. In einem Radius von 20 Kilometern und bei höchstens 30 Minuten Fahrt vom Backhaus zur Filiale. Es ist großer Einsatz nötig, damit die Dinge bleiben können wie sie sind.

Auch interessant


Aber Druck macht Ihnen doch niemand in Hagen, oder?

Das stimmt so nicht. Es gibt – das sagen wir sehr wertschätzend – einige gute Bäckereien in Hagen, die hier frisch backen. Mit ihnen und nicht gegen sie wollen wir auf dem Hagener Markt bestehen. Was man nicht vergessen darf, sind die großen Discounter.

Aber wer kauft denn Brötchen bei Aldi oder Lidl?

Mehr Menschen als man denkt. Das ist ja auch okay. Aber wir wollen eben weiter den qualitativen Unterschied zum Brötchen per Zange in die Tüte darstellen. Dafür produzieren wir beispielsweise auch Dinge, die eigentlich gar nicht mehr zu erschwinglichen Preisen angeboten werden können.

Da geht es aber nicht um Brötchen…

Nein, aber zum Beispiel um Torten. Wer die mit dem konditoreitechnischen Anspruch wie wir backt, müsste dafür eigentlich Preise verlangen, die aber niemand mehr in einem Café bezahlen würde. Das ist ein ganz schwieriger Spagat zwischen Qualität und Preis. Eine ganze Torte kostet bei uns so knapp 29 Euro. Überlegen Sie mal, was Torten aus der Tiefkühlung im Supermarkt kosten. Einen Bruchteil davon. Aber dafür gibt es bei uns echte Handarbeit und Individualität


Die Vollkornbäckerei Niemand aus dem Lennetal ist ein Unternehmen, das voll auf Bio setzt und damit aktuell den Zeitgeist zu treffen scheint. Stehen Sie nicht auch unter Zugzwang, Nachhaltigkeit, Bio und Umweltbewusstsein nach außen zu kehren?

Wir schätzen die Arbeit der Bäckerei Niemand. Das ist eine besondere Herangehensweise, bei der zertifizierte Bio-Produkte verwendet werden, was auch seinen Preis und seine besondere Logistik hat. Wir wollen kein Bio-Bäcker sein, aber wir sind nachhaltig. Wir beziehen unsere Zutaten wenn möglich regional und wir wirken durch unseren Verkauf lokal. Wir unterstützen die Tafel, den Warenkorb, Luthers Waschsalon. Wir geben wiederverwendbare Kaffeebecher aus. Wir fragen am Tresen, ob wirklich Tüten nötig sind und wir unterstützen zahlreiche Hagener Institutionen. Wir denken über Solar-Panelen auf dem Backhaus nach und über E-Mobilität bei unseren Fahrzeugen.

Auch interessant


Hat die Stadtbäckerei in den vergangenen 55 Jahren auch mal gewackelt.

Nein, nie. Eben weil wir besonnen handeln. Wir sind auch nicht eingebrochen als 2003 und 2004 die ganzen Selbstbedienungsbäckereien aufgetaucht sind. Da darf man auch mal stolz sagen: Das spricht für unsere Idee. Und man muss aufpassen. Man darf nicht gierig sein. Wir setzen auf gesundes Wachstum

Einen weißen Fleck gibt es aus Ihrer Sicht noch. Sie haben keine Filiale in Hohenlimburg. Lohnt sich das nicht?

Doch, aber so ein Standort muss einfach insgesamt stimmen. Wenn sich dort ein schöner Standort anbietet, wären wir bereit, nach Hohenlimburg zu gehen.

Auch interessant


Es gibt noch mal bauliche Veränderungen am Backhaus an der Schwerter Straße.

Wir werden es verbreitern, um die Produktionsabläufe noch verbessern und ausweiten zu können. Die vorbereitenden Arbeiten dazu haben bereits begonnen.

Mit Stefanie Kamp sprach Mike Fiebig