Hagen. Das Missbrauchs-Video kursierte via WhatsApp in Schulklasse in Hagen. Vor Gericht gestehen zwei junge Männer (17 und 22) die Tat.

Dieser Vorfall ist unfassbar: An einer Schule in Hagen kursierte unter den Jugendlichen einer Klasse tagelang ein Video, auf dem die Vergewaltigung einer Mitschülerin (damals 15) zu sehen war. Als sich die Klassenlehrerin deshalb hilfesuchend an die Polizeibeamten wandte, die im Präsidium extra für Jugendfälle zuständig sind (Jucops) – soll sie dort mit den Worten abgewiesen worden sein: „Das ist nicht unser Bereich.“

Vor der 1. großen Jugendkammer des Landgerichts schilderte die Pädagogin diese Erfahrung am Montag als Zeugin. In ihrer Aussage schwangen Entrüstung und Unverständnis darüber mit. Die Lehrerin hatte sich schließlich mit ihrem Handy, auf dem ihr eine Schülerin zwei Videos von den Übergriffen zugeschickt hatte, persönlich zur Polizei begeben und dort Anzeige erstattet. So kam der Fall doch noch ins Rollen.

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Vor dem Jugendgericht stehen nun zwei junge Männer aus Hagen (17 und 22 Jahre alt). Vergewaltigung einer widerstandsunfähigen Person lautet der Hauptvorwurf, denn zum Zeitpunkt der Tat, Ende August vergangenen Jahres in der Wohnung der Großmutter, muss die geschädigte Schülerin schon sehr betrunken und dadurch widerstandsunfähig gewesen sein: Zusammen mit einer Freundin hatte sie zuvor anderthalb bis zwei Flaschen Wodka geleert.

Auch Jugendpornografie-Vorwurf

Eine entsprechende WhatsApp-Nachricht an die beiden Angeklagten, lockte diese von einer Hochzeitsfeier schließlich zu der „sturmfreien“ Wohnung, in der sich die Mädchen aufhielten. Dort kam es dann zu den sexuellen Übergriffen an dem fast bewusstlosen Opfer, an denen sich beide jungen Männer beteiligt haben sollen. Der 17-Jährige soll das Geschehen mit seinem Handy gefilmt und ein halbes Jahr später unter seinen Mitschülern weiterverbreitet haben.

Wegen der unzulässigen Videoaufnahmen müssen sich beide Angeklagten auch wegen Jugendpornografie und Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen verantworten.

Gleich am ersten Prozesstag legten beide jungen Männer ein Geständnis ab. Während der 17-Jährige alles einräumte, aber kein Wort der Entschuldigung für das Opfer fand, zeigte der 22-Jährige deutlich mehr Reue: „Mir ist das sehr unangenehm, auch meiner Religion gegenüber. Was ich tat, kannte ich so nur aus Pornofilmen. Aber ich stand unter Druck. Jetzt schäme ich mich. Das war ekelhaft, ich bereue es und kann mich dafür nur entschuldigen.“

Polizei wehrt sich gegen Eindruck, Jucops hätten nicht reagiert

Auf Anfrage der WP wehrt sich die Polizei Hagen gegen den Eindruck, dass die speziell für die Ansprache von Jugendlichen eingesetzten „Jucops“ den Fall nicht ernst genommen hätten.

Die Polizei sieht diese Zeugenaussage der Lehrerin nicht zutreffend wiedergegeben. „Die Lehrerin selbst machte der Polizei gegenüber deutlich, dass sie in Hinblick auf die Anzeigenerstattung nicht den Eindruck erwecken wollte, die Jucops hätten sie abgewimmelt“, so Polizeisprecher Michael Siemes. „Im Gegenteil sei sie von der Berichterstattung überrascht gewesen.“ Und weder die Staatsanwältin noch der Vorsitzende Richter, dies hätte Nachfragen ergeben, sähen bei dem durch die Zeugin geschilderten Verhalten der Jucops Anhaltspunkte für Fehler.

Aus Sicht der Polizei hat sich das Ganze so abgespielt: Die Anzeige wegen Vergewaltigung sei am 7. Mai bereits vor dem Telefonat zwischen Lehrerin und Jucops beim Fachkommissariat erstattet und dort sofort bearbeitet worden. „Auch das Video stand schon zur Verfügung und wurde ausgewertet“, so Siemes. Nach der Anzeigenerstattung habe die Lehrerin bei den Jucops angerufen. Sie habe gefragt, ob es möglich sei, das Kollegium dabei zu unterstützen, die Ereignisse im Klassenverbund pädagogisch nachzubereiten. Die Jucops hätten dann gesagt, dies nicht gewährleisten zu können.